500 Jahre Bier ohne Ruß und Späne

17.01.2016 - arthur.wirtzfeld

DEUTSCHLAND (Berlin) - Ein Bier erfrischt den Gaumen. Oftmals greifen Weinprofis beispielsweise bei Verkostungen zurück auf die reinigende Kraft des Bieres, um die Geschmackssinne zu neutralisieren. Außerdem, Bier ist die andere Macht im Reich der Getränke, es gehört zur europäischen Kultur und ist für viele ebenbürdig mit dem Weingenuss. Grund genug uns einmal mit dem Reinheitsgebot zu beschäftigen - zumal 2016 ein besonderes Jahr für das Reinheitsgebot des Bierbrauens ist.

 

Deutsche Wörter sind für Ausländer meist schwer auszusprechen und finden nur unter besonderen Umständen Eingang in andere Alltagssprachen. So ein seltener Fall ist das Wort "Reinheitsgebot", das Bierliebhabern in aller Welt ein Begriff ist. Kein Wunder also, dass die deutschen Brauer das anstehende 500-jährige Jubiläum des ältesten bestehenden Lebensmittelgesetzes der Welt werbewirksam feiern.

"Im Unterschied zu den Kollegen im Ausland benutzen deutsche Brauer eben nicht künstliche Aromen, Enzyme oder Konservierungsstoffe", sagt Hans-Georg Eils, Präsident des Deutschen Brauer-Bunds, auf der Grünen Woche in Berlin.

Herzog Wilhelm IX. sorgte sich aber mehr um Vergiftungen durch Beigaben wie Stechapfel, Ruß und Holzspäne, als er am 23. April 1516 das Reinheitsgebot erließ. "Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet werden", erklärte der adelige Verbraucherschützer.

Das deutsche Reinheitsgebot hat zahlreiche mittelalterliche Vorläufer. Das zeigt, welch elementarer Bestandteil der Ernährung Bier schon damals in Deutschland war. Zuletzt ist der Verbrauch zwar leicht zurückgegangen, doch noch immer sind es 107 Liter pro Kopf und Jahr.

Je größer Bayern wurde, desto mehr verbreitete sich auch das Reinheitsgebot, andere Länder folgten der Regelung aus freien Stücken.

Ein Reichsgesetz jedoch kam erst 1907 zustande und dieses orientierte sich lediglich an der bayerischen Verordnung. So ist es bis heute in anderen Bundesländern möglich, beim Brauen Zucker hinzuzufügen und das Produkt dennoch als Bier bezeichnen zu dürfen. Nur der Begriff "Reinheitsgebot" verbietet sich in solchen Fällen.

Noch in den 50er Jahren begründete Bayern das Importverbot für Biere aus anderen Bundesländern und dem Ausland mit dem Reinheitsgebot. Als Deutschland Teil der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde, nutzten die deutschen Brauer gemeinsam das Reinheitsgebot, um den Import ausländischer Biere zu verhindern.

Erst eine Klage ausländischer Brauer vor dem Europäischen Gerichtshof zwang Deutschland, seinen Markt für fremdländische Biere zu öffnen.

"Natürlich hatte das Reinheitsgebot vor 1993 eine gewisse Schutzfunktion", sagt Frank-Jürgen Methner, Leiter des Fachbereichs für Brauwesen am Lebensmittelinstitut der Technischen Universität (TU) Berlin.

Allerdings muss sich das Reinheitsgebot im Jahr seines großen Jubiläums gewisser Kritik erwehren. Nachwuchs-Brauer spielen durchaus mit Zugaben, dürfen ihre Produkte in Deutschland aber nur als Biermischgetränke und nicht als Bier verkaufen. "Was ist denn gegen eine Bio-Quitte oder Koriander auszusetzen? Was ist nicht rein an solchen Zutaten, die man natürlich ins Bier bringen kann?", fragt Simon Rossmann von Giesinger Bräu.

"Es gibt kleinere Brauer und Craft-Bierbrauer, die mehr experimentieren möchten und vielleicht auch wildere Bierkreationen schaffen wollen", sagt Stefan Hempl, Pressesprecher von Hofbräu München. Er plädiert aber für ein Festhalten am Reinheitsgebot, weil auch so eine große Geschmacksvielfalt möglich sei.

Brauer-Präsident Eils sieht sich durch die Nachwuchs-Brauer sogar bestätigt: "Auch neue sogenannte Craft-Biere beweisen, die Möglichkeiten des Reinheitsgebots sind noch lange nicht ausgeschöpft", sagt Eils. 5500 Biermarken gebe es in Deutschland. Jede Woche komme eine neue Marke hinzu. Eils spricht von einer "Renaissance des Brauens und der Bierkultur".

"Wir erleben zur Zeit eine enorme Vielfalt gerade beim Einsatz von Hopfen", pflichtet Lothar Ebbertz bei, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds. "Neue Züchtungen geben dem Bier teilweise Fruchtnoten, die in Richtung Mango, Pfirsich und ähnliches gehen."

Zudem liege das Reinheitsgebot im Trend, sagt Brauingenieur Methner unter Verweis auf steigende Exportzahlen. "In Zeiten bewusster Ernährung nimmt die Nachfrage nach Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wird, zu."

Aus den 3500 deutschen Braustätten gingen 2014 rund 1,5 Milliarden Liter Bier ins Ausland. Diese Erfolgsgeschichte feiern die Brauer am 22. April beim zentralen Festakt in Ingolstadt - sowie landesweit am 23. April, dem Tag des deutschen Bieres.