Abschied von „Gipsi“ Aldinger: Ein „Wengerter“ aus dem Bilderbuch

15.02.2016 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Fellbach) - Der Weingärtner-Himmel Württembergs kann leider einen prominenten Neuzugang verzeichnen: Gerhard Aldinger, Senior im gleichnamigen Weingut in Fellbach, nahm kaum zwei Wochen nach seinem 86. Geburtstag, den er am 25. Januar noch fröhlich feierte, Abschied vom Erdenleben.

 

Er war ein schwäbischer „Wengerter“, wie er im Buch steht. Die Aldingers betrieben zwar schon seit 1492 Weinbau in Fellbach, aber erst Gerhard Aldinger machte daraus ein richtiges Weingut, als er sich nach Absolvierung der Weinbauschule 1955 mit seiner Frau Anneliese mutig mit lediglich 0,5 Hektar in der Süßmosterei des Schwiegervaters selbstständig machte und dabei seine Mitgliedschaft in der örtlichen Weingärtnergenossenschaft aufkündigte. Das war damals fast ein Affront, aber Gerhard Aldinger war im positiven Sinn immer ein Sturkopf, der als damals jüngster Weinbaumeister im Ländle daran glaubte, dass Weingüter im genossenschaftlich dominierten Württemberg eine Zukunft haben.

„Früher hat man auf uns Private runter geschaut. Aber längst sind wir Vorbilder“, konnte er später ein zufriedenes Fazit ziehen.  Gerhard Aldinger wurde zu einem Schrittmacher in Sachen Qualität. Er gründete den Verein der selbstvermarktenden Weingüter im Ländle und war von 1976 bis 1991 deren Vorsitzender. Seinem Sohn Gert (Jahrgang 1956) vertraute er 1994 das Weingut an. Als sich der Verband der Prädikatsweingüter (VDP) in Württemberg feste Strukturen gab, wurde der nächste Aldinger Vorsitzender. Gerhard Aldinger sah es mit Wohlgefallen, obwohl es ihm damals gesundheitlich nicht gut ging. Zwischen 1994 und 2001 überstand er einige Krebsoperationen. 

Aber danach frönte er wieder seinen Hobbys, war bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, schrieb zwei Bücher über die alte Zeit, sang im Chor (und wurde später Ehrenpräsident des Männergesangsvereins), pflegte einen großen Freundeskreis und ließ es sich nicht nehmen, nahezu jeden Tag im Weinberg zu verbringen. „Gipsi“ nannte ihn die Familie, weil er besonders stolz auf die Ergebnisse aus der Lage Untertürkheimer Gips war, deren Fluren er als „Glücksfall“ für das Weingut bezeichnete, weil hier viel Potenzial geweckt werden konnte. Die Aussage stammt von einem Telefonat im Dezember, bei dem Gerhard Aldinger an einem stürmischen Tag am Handy erreicht wurde – beim Rebschnitt.

Aus den einst 0,5 Hektar sind längst deutlich mehr geworden (29 Hektar). Es war also noch reichlich Betätigungsfeld für ihn vorhanden. Dass er nicht weiter in die Reben gehen und noch eine Reihe von Jahren im Weinberg aktiv sein konnte, war auf tragische Umstände zurückzuführen. Gerhard Aldinger wollte Zuhause eine schwere Obstkiste schleppen, kam ins Stolpern und brach sich dabei einen Oberschenkelhalsknochen. Vor der Operation im Krankenhaus war er Alleinunterhalter für das Personal und machte schon Pläne für die nächsten Monate. Doch dann gab es eine letztlich tödliche Komplikation mit der zunächst nicht bemerkten Verletzung einer Arterie…