Castells Domänenrat Karl-Heinz Rebitzer ist jetzt Ruheständler

26.09.2016 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Castell) – Solche Betriebstreue ist selten geworden. Vor rund 50 Jahren trat ein schüchtern scheinender, aber doch schon etwas selbstständiger Bub seine Lehrstelle im Haus Castell im Verwaltungsbereich in der Buchhaltung an. Sein Arbeitgeber registrierte wohl bald ein gewisses Interesse am Weinbau, der in der Fürstlichen Familie Castell  seit etlichen Jahrhunderten eine wichtige Rolle spielt und bot Karl-Heinz Rebitzer nach Beendigung der Lehrzeit an, in diese Unternehmenssparte zu wechseln. Aus der hat er sich jetzt wieder in den Ruhestand verabschiedet – im fünfzigsten Jahr seiner Betriebszugehörigkeit.

 

„Ich kam als Greenhorn ohne jede Ahnung von Wein“, blickte Rebitzer zurück. Bei seiner Verabschiedung in der umfunktionierten Casteller Reithalle auf dem Schlossgelände wurde ihm von Erbgraf Ferdinand Castell bescheinigt, dass er die letzten 20 Jahre als Gutsdirektor – am Ende mit dem Titel Domänenrat – den Betrieb profitabel geführt habe und jetzt ein wohlbestelltes Weingut übergibt. Ein Erfolgsrezept von Rebitzer war, so der Erbgraf, „dass er auf Menschen zugehen konnte. Er hat außerdem immer behauptet, er könne nie vor einem größeren Menschenkreis reden. Aber daran hat er sich nie gehalten.“

Die Beliebtheit des langjährigen Chefs beim Team wurde dadurch deutlich, dass sich ein Dutzend Mitarbeiter mit Witz beim Reimen versuchten und ihrem Ex-Chef heiter bescheinigten, was sie an ihm toll fanden und womit er sie gelegentlich ärgerte. Rebitzer musste sich im Haus langsam hochdienen. Einer seiner Vorgänger war von 1980 bis 1988 der spätere VDP-Präsident Michael Prinz zu Salm-Salm, dem dann Wolfgang Graf zu Castell folgte. In diesem Zeitraum war es um die Qualität der Weine nicht sonderlich gut bestellt. Man befand sich im Aufbau, Wein war nicht unbedingt ein Aushängeschild der Familie. Salm blickte an dem Verabschiedungsabend in seine Castell-Zeit zurück: „Das war für mich ein Kulturschock. Kein Riesling, aber viel Müller-Thurgau und Silvaner.“ Rebitzer selbst erinnerte sich, dass er in seinen fast fünfzig Mitarbeiter-Jahren eine Entwicklung von 12 auf 100 Hektar Rebfläche (inklusive Erzeugergemeinschaft) mitmachte.

Mit Karl-Heinz Rebitzer an der Spitze sollte sich alles ändern. Auch er brauchte einige Jahre, um die Weichen zu stellen. Aber spätestens als ihn der Gault Millau 2008 zum „Gutsverwalter des Jahres“ ernannte, wusste er, dass er vieles richtig gemacht hatte. Unter Rebitzer gab sich das Weingut eine griffige Klassifizierung. Stets wurden spezielle Kundenwünsche aufgegriffen und eigene Ideen entwickelt, die am Markt zündeten. Mit dem im Holzfass ausgebauten „Silvaner Apriles anno 1659“ wurde nicht nur ein Wein kreiert, der an die erste Silvaner-Anpflanzung in Deutschland auf Casteller Fluren anno 1659 erinnerte. Dieser Wein war stets auch eine ernsthafte Konkurrenz für das Große Gewächs vom Silvaner.

Zum Abschied wurde vor über 200 Gästen demonstriert, dass das Weingut vor den etwas kritischen achtziger Jahren zu erstklassigen Weinen fähig war. Der 1967er Silvaner trocken, den Erbgraf Ferdinand vorstellte, präsentierte sich cremig, vielschichtig und deutete allenfalls ein Alter von maximal zehn Jahren an. Die 1971er Müller-Thurgau Spätlese, kommentiert von Weinbaupräsident Arthur Steinmann, wirkte ebenfalls erstaunlich jugendlich und erinnerte daran, dass das Haus Castell immer zu den fränkischen Betrieben gehörte, die beim „Müller“ besondere Anstrengungen unternahmen und ihn nicht, wie viele Kollegen, bei Präsentationen versteckten, sondern mit der fränkischen Hauptsorte in die Offensive gingen. Auch ein Verdienst von Rebitzer, dem Steinmann bescheinigte, er sei „ein fränkisches Urgestein“. Den Abschluss der Probe mit einigen weiteren Raritäten bildete nochmal ein Wein aus dem Eintrittsjahrgang des späteren Domänenrates: Silvaner Beerenauslese 1967. Das war wohl einer der besten Silvaner, den das Haus in seiner jahrhundertelangen Geschichte eingebracht hatte. Die edelsüße Kreszenz präsentierte sich immer noch taufrisch und rassig. 

Angesichts solcher Weine und der vielen Komplimente für den Ruheständler war es nicht verwunderlich, dass es in seinen Augenwinkeln gelegentlich etwas feucht wurde. Für die nächste Zeit stehen bei ihm und seiner Familie ein paar Reisen an, um Abstand zu gewinnen. Der Nachfolger ist bereits in Amt und Würden. Björn Probst übernahm am 1. August die Gutsleitung. Er studierte Weinbau in Geisenheim, ökologische Agrarwissenschaft in Witzenhausen (Kassel) und war nach Jahren in Führungspositionen bei Weingütern im europäischen Ausland von 2012 bis 2015 Chef im Weingut zu Weimar, ehe Eigentümer Georg Prinz zur Lippe (auch Schloss Proschitz in Sachsen) nach ständigen Querelen mit Teilen der Bevölkerung verkaufte. Der Wechsel von Probst zu Castell war fast logisch: Schließlich ist Lippe entfernt mit der Fürstenfamilie verwandt und ließ den ersten Jahrgang 1991 von Schloss Proschwitz in Castell ausbauen. Die Trauben wurden damals mit dem Lkw in der Nacht nach Franken transportiert.