Weinversteck in der Tiefe der Provence

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 10. Februar 2016

FRANKREICH (Aix-en-Provence) – Nach 29 Jahren als exzentrischer Weinsammler verkaufte Peter Thustrup (63) im Jahr 2007 seine in Paris ansässige "Vins Rares Peter Thustrup". Der Deal umfasste seinen Namen, eine illustre Liste von Kontakten und ein Großteil seiner Sammlung gereifter und seltener Weine im Wert von fünf Millionen US-Dollar. Der in Schweden geborene Thustrup unterzeichnete auch eine Sondervereinbarung, die ihm für vier Jahre ein Wettbewerbsverbot auferlegte. Was folgte war eigentlich absehbar, sofern man den sympathischen Thustrup einmal erlebt hat: er baute sich für sein privates Vergnügen bis dato erneut eine 10.000 Weine umfassende Sammlung auf, die er in der Nähe seines Wohnsitzes in Aix-en-Provence in einer umgebauten Scheune lagert.

"Who is Who" der französischen Erzeuger

Grand Cru aus Burgund und Premier Cru aus Bordeaux bilden den Kern der neuen privaten Sammlung. Die Weinliste liest sich wie das 'Who is Who' des französischen Weinbaus, einschließlich weltbekannter Marken wie Domaine de la Romanée-Conti, Domaine Georges Roumier oder Château Pétrus. Seine Sammlung von Raritäten zeugt von seiner Leidenschaft und seinem Verständnis für kultivierte Highlights bestimmter Weinregionen. Dazu gehören auch außergewöhnliche Weine aus durchschnittlichen Jahrgängen wie beispielsweise der 1971er Grand-Puy-Lacoste oder auch relativ unbekannte Weine aber mit außergewöhnlichen Terroirs wie die 1920er, 1973er, 1975er und 1978 Abfüllungen von Château Brane-Cantenac Margaux sowie auch esoterische Burgunder wie ein 1946 Chambolle-Musigny von einem Négociant aus Nuits-St.-Georges.

Unschätzbare Notizen

Zu seinen edlen Tropfen gehören auch für Kenner und Sammler unschätzbare Notizen wie beispielsweise über den 1946er Morim: "… tiefe Konzentration, ein wenig flüchtige Säure und ein rustikaler Charakter als wäre er mit einem Syrah oder algerischen Wein frisiert worden." Thustrup hat einen Sinn für Seriösität und weiß, wo er seltene und ausgefallene Weine finden kann - viele von ihnen stammen von vertrauenswürdigen Sammlern aus Burgund oder kleinen Négociants, die ihre seltene Sammlungen gewissenhaft kuratieren. Über einen 1955 Beaujolais von Domaine Georges Mingret notiert er: "Unglaublich frisch, fruchtiger Duft nach schwarzen Früchten mit viel Leben, sehr überraschend für einen 58er Gamay - hat mich nicht enttäuscht!"

Das Scheunenlager

Die Scheune, in der Thustrup seine neue Sammlung untergebracht hat, wurde noch zur Zeit der französischen Revolution gebaut. Er hat Boden und Wände so renoviert, dass ein für Weine professionelle Lagerung möglich ist. Neben einem großzügigen Luftstrom benötigt die Scheune allerdings eine starke Kühlanlage für die Sommermonate. Der Lehmboden wird stets feucht gehalten - eine Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent ist allgegenwärtig. Das Innere der Scheine erinnert an eine Bibliothek, randvoll mit einer Ausgabe von Vintage-Büchern. Die Weine lagern in originalen Holzkisten, gestapelt vom Boden bis zur Decke. In offenen Regalen lagern auch einige seltene Weine, die nicht katalogisiert sind. "Das ist mir ein Vergnügen", sagt Thustrup, der seine Inventarliste visuell im Kopf behält oder, wenn er mal unsicher ist, nur in seinen Notizen nachschlagen muss.

Ein Weinmessie mit Weinverstand

Das Thustrup ein Weinmessie wäre, kann man so nicht sagen, dazu ist sein Weinverstand zu ausgeprägt und sein Weinwissen zu vielseitig. Jeden Abend nimmt er sich eine Flasche zum Dinner für sich oder eine Auswahl für Freunde, die gerne zu Besuch kommen. Er lässt auch mal einen 1982er Latour halb ausgetrunken bis zum nächsten Abend stehen, nur um zu erfahren, wie sich dieser Wein einen Tag später präsentiert - "purer Luxus", kommt einem da in den Sinn. Das Wissen und die Kenntnisse von Thustrup sind auch sehr wertvoll für die Szene der betuchten Weinsammler, die zuweilen auf seinen Rat zurückgreifen können. Doch Thustrups Leidenschaft ist seine private Weinsammlung, die sich schon bildete, als er vor 30 Jahren anfing, mit Weinen zu handeln. "Wein ist für mich ein Lebensstil, er ist praktisch in jedem Aspekt meines Lebens integriert", erklärt Thustrup. "Heute sind die Menschen immer in Eile. Wir machen alles mit hoher Geschwindigkeit. Ich respektiere das, weil ich auf die gleiche Art und Weise gelebt habe und noch lebe. Aber Wein gibt einem eine ganz andere Perspektive."

Was lagert in Peter Thustrups Weinscheune?

Seine Kellerschätze umfassen 70 Prozent Burgund und 30 Prozent Bordeaux. Seine Sammlung enthält bemerkenswerte Vertikalen wie 15 Jahrgänge von Romanée-Conti La Tâche des Zeitraums 1956 bis 2010, zehn Jahrgänge von Romanée-Conti Richebourg des Zeitraums 1964 bis 2010, 13 Jahrgänge Romanée-Conti Echézeaux des Zeitraums 1972 bis 2010, 13 Jahrgänge von Romanée-Conti Romanée St.-Vivant des Zeitraums 1967 bis 2010, weitere zehn Jahrgänge Romanée-Conti des Zeitraums 1969 bis 2012 sowie zwölf Jahrgänge von Beaulieu Vineyard Georges de Latour Private Reserve für den Zeitraum von 1966 bis 1980. Und so weiter. Seine älteste Flasche ist ein Port aus 1870, leider mit einem fast zerstörten Etikett. Seine älteste Flasche mit einwandfreiem Etikett ist ein Latour Jahrgang 1900.