Sölden: „Wein am Berg“ und auf dem Berg

15.03.2016 - R.KNOLL

ÖSTERREICH (Tirol) - Sölden in Tirol ist zwar kein Weinort, obwohl es in diesem österreichischen Bundesland inzwischen sogar einige Weinerzeuger gibt. Aber durch Aktivitäten des örtlichen Fünf-Sterne-Hotels Central Alpine gibt es doch enge Verbindungen zum Wein – und hier sogar den sicherlich höchstgelegenen Weinkeller der Welt auf über 3000 Meter Höhe, in dem derzeit ein Pinot Noir des Jahrgangs 2014 im 500-Liter-Holzfass heranreift.

 

Vor zwei Jahren wurde ein altes Bergrestaurant am Gaislachkogl hoch über Sölden abgerissen und an die gleiche Stelle ein Neubau mit viel Stahl (120 Tonnen) und Glas (900 Quadratmeter) errichtet, in dem das Gourmet-Restaurant „ice Q“ Einzug hielt. Das Projekt verschlang etwa 4,5 Millionen Baukosten. Gleich in der Nachbarschaft befindet sich die Endstation des Lifts, über den man von knapp 1400 Meter im Tal in zwei Stationen hochtransportiert wird. Alle paar Sekunden spucken die Gondeln jede Menge Skifahrer aus, die sich von hier wedelnd wieder ins Tal begeben oder zunächst einmal ein Weilchen im Restaurant verweilen.

Kürzlich kamen solche Gäste nicht mehr aus dem Staunen heraus, als sie nach dem Öffnen des Restaurant-Eingangs zur Rechten hinter einer Glasfront Merkwürdiges erblickten. Nämlich zwei Weingenießer, die hier mit einem kleinen Schlauch Rotwein aus einem Holzfass abzogen, ihn dann vorschriftsmäßig aus großen bauchigen Gläsern verkosteten und sich, zufrieden über das Ergebnis, freundlich zunickten. Der Wein, der in dieser Höhe heranreift, ist ein besonderer Burgunder und der vierte Jahrgang, der hier kreiert wurde. In den Jahrgängen vorher lagerte er in sechs kleinen Barriques (jeweils 225 Liter). Aber 2014 war das Ernteergebnis nicht so, dass jeder der Beteiligten reichliche Mengen seiner Spitzenweine für das ungewöhnliche Projekt abzweigen konnte. Also beschränkte man sich auf gemeinsame 500 Liter. 

Mit in diesem kuriosen Spiel sind die Kellereigenossenschaft St. Pauls in Südtirol in der Person von Weinmacher Wolfgang Tratter, der burgenländische Winzer Paul Achs aus Gols und Joachim Heger aus dem badischen Ihringen. Und das Central Alpine-Hotel, zu dem das „ice Q“ gehört. Beides wiederum befindet sich im Besitz der Skigesellschaft Sölden, die einige Lifte betreibt und dafür gesorgt hat, dass das einstige Dorf überhaupt ein bedeutender Wintersportort (mit Sommer-Tourismus) wurde. Es war der Vater der heutigen Chefin Angelika Falkner, der – obwohl eigentlich Viehhändler – geschäftstüchtig vor Jahrzehnten die Vision hatte, dass Sölden eine Dorado für Skifahrer werden könne. Heute hat der Ort rund 5000 Gästebetten und kann mehr Übernachtungen registrieren als Salzburg.

Ein anderer Senior, der vor einigen Jahren verstorbene Hoteldirektor Gottlieb Waschl, sorgte für die erste enge Beziehung zum Wein. 1999 bekam er Besuch vom namhaften burgenländischen Winzer Anton Kollwentz, der damals Präsident des jungen Vereins „Renommierte Weingüter Burgenland“ war. Gemeinsam wurde die Idee geboren, eine Weinveranstaltung im Central auszurichten. Trotz einer schwierigen Anfangsphase mit zunächst wenig Gästen wurde „Wein am Berg“ konsequent fortgesetzt. 

Die bereits gefüllten Jahrgänge 2011 bis 2013 werden sicher wieder im Tal und auf der Höhe im Vergleich probiert. Es steckt ein enormer Aufwand hinter der Sache. Zunächst werden die Weine in St. Pauls in kleinen Gebinden angeliefert und zusammengeführt, dann in die Fässer (oder 2014 in ein einziges Fass) umgefüllt, nach Sölden transportiert, wo auf 3040 Meter Höhe die weitere Reifung erfolgt, ehe wieder in Südtirol auf Flaschen gefüllt wird. Nur einige Magnumflaschen werden in der Höhenlage per Hand von den Winzern und von Hoteldirektor Michael Waschl (der von seinem Vater die Weinleidenschaft erbte) abgefüllt.

Marketinggag, um für Sölden zu werben? Eher nicht. Die Beteiligten sind mit viel Freude und durchaus Ehrgeiz bei der verrückt anmutenden Sache. Proben der bisherigen Jahrgänge lassen erkennen, dass sie den Stil der Bourgogne anstreben. Aber am wichtigsten ist ihnen der Unterhaltungswert. Der Wein ist auf den Karten im Central und im "ice Q" mit 126 Euro gelistet. Eine seriöse Kalkulation, wenn man den ganzen Aufwand in Betracht zieht.