Südtirol: Die positiven Auswirkungen eines Sekt-Verbots

07.04.2016 - R.KNOLL

ITALIEN (Terlan) - Reife Südtiroler Weißweine, die auf der Karte des Münchner „Tantris“ und in anderen Nobel-Restaurants neben vielen bedeutenden Weinen aus aller Welt stehen, kann das sein? Es kann! Denn es gibt im nördlichsten italienischen Anbaugebiet eine Genossenschaft, die wie ein großes, elitäres Weingut agiert und die ein großes Lager an Altweinen vorweisen kann, in speziellen Behältnissen, nicht nur in Flaschen.

 

Die Rede ist von der 1893 gegründeten Kellerei Terlan, einer relativ kleinen Kooperative zwischen Bozen und Meran (143 Mitglieder, 165 Hektar Rebfläche), die aber schon seit geraumer Zeit große Ambitionen hat und seit einigen Jahren stets im Frühjahr einen bedeutenden Wein, die Grande Cuvée, in limitierter Stückzahl von rund 3400 Flaschen auf den Markt bringt, der im Fachhandel für über 100 Euro verkauft wird. Kürzlich war das der Jahrgang 2013, der im Vergleich mit diversen Edelweinen aus der Bourgogne und Italien verkostet wurde und sich hier gut behaupten konnte. Und dann war da noch ein feingliedriger, sehr jugendlich anmutender Weißburgunder aus dem Jahrgang 2004, der zum gleichen Zeitpunkt auf den Markt kam und das Reife-Potenzial im Terlaner Keller verdeutlichte.

Begonnen hat alles mit dem früheren Kellermeister Sebastian Stocker, der in den sechziger Jahren die Idee hatte, Sekt nach der Methode Charmat (Tankgärung) zu erzeugen. Er orderte etwas voreilig 18 runde Tanks mit jeweils 2500 Liter Fassungsvermögen und musste dann zerknirscht zur Kenntnis nehmen, dass die damalige Vorstandschaft seine Sektpläne ablehnte. Was also tun mit den Tanks? Stocker entschloss sich, sie zur längerfristigen Lagerung von Weißweinen zu verwenden. Dass er außerdem in einem von den Führungskräften kaum einsehbaren Abteil im Keller von jedem abgefüllten Jahrgang einige hundert Flaschen auf die Seite legte, blieb sein Geheimnis.

Richtig gelüftet wurde es erst, als sich der Mann vom Jahrgang 1929 in den Ruhestand verabschiedete. Sein Nachfolger Rudi Kofler ist ihm heute noch dankbar für seinen Umgang mit reifen Gewächsen, ebenso die heutige „Heeresleitung“, die Weine wie kaum eine andere Kellerei vorweisen kann. 100 000 Flaschen liegen aktuell im Altweinkeller, bis zurück in die fünfziger Jahre können sie verkauft werden. Die ältesten Flaschen stammen aus dem Gründungsjahr 1893; die Qualität des Inhalts wurde schon lange nicht mehr überprüft. Vielleicht wird man zum in zwei Jahren anstehenden 125-jährigen Jubiläum wagen, eine Probe zu machen?

Von den 18 Tanks wird jedes Jahr einer von einem reifen Wein befreit und dann wieder mit einem qualitativ passenden Gewächs neu gefüllt. Die Weine lagen vorher in Holzfässern und kamen dann mit der Feinhefe in die Tanks, wo sie unter anderem durch den Kontakt mit der Hefe stets frisch blieben und diese Frische sogar noch bewahren können, wenn sie abgefüllt werden. So konnten zuletzt in Südtirol die Jahrgänge 2002, 1996 (2007 gefüllt) und 1979 (1991 gefüllt) vom Weißburgunder verkostet werden. Sie wirkten fast wie Jungweine; dem 1979er hätte man in einer Blindprobe allenfalls ein Alter von zehn Jahren attestiert.

Sebastian Stocker wird die Entwicklung in dem Betrieb vermutlich schmunzelnd und mit etwas Stolz verfolgen. Und er hat im Rentnerdasein das nachgeholt, was ihm einst verwehrt wurde: Er erzeugt inzwischen in klassischer Flaschengärung eleganten Sekt aus der traditionellen Terlaner Mischung Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon blanc, der in einer stattlichen Auflage von 10 000 Flaschen in ganz Italien verkauft wird.