Symposium in Geisenheim: Neue, alte Rebsorten auf dem Vormarsch?

29.11.2016 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Geisenheim) – In den achtziger Jahren war der Frühburgunder fast ausgestorben. Inzwischen feiert die Rotweinsorte fröhliche Renaissance. Die frühreife Mutation des Pinot Noir wird in Deutschland inzwischen auf einigen hundert Hektar angebaut. Der Grund für die einstige Geringschätzung der Rebe durch die Winzer war vor allem, dass es nur virusverseuchtes Pflanzmaterial gab. Auf der Lehr- und Forschungsanstalt in Geisenheim war man bemüht, Abhilfe zu schaffen. Professor Dr. Helmut Becker (1927-1990), einer der weltweit führenden Experten für Rebenzüchtung, fand unbelastete Reben bei Marrakesch in Marokko (!) und damit die Basis für besseres Pflanzmaterial beim Frühburgunder. Diese Geschichte wurde beim Symposium „Historische Rebsorten“ in Geisenheim am 18. November 2016 erzählt, weil sie beispielgebend für das Verschwinden zahlreicher Rebsorten in den letzten Jahrhunderten war, die jetzt allmählich wiederentdeckt werden, aber vorher die Gunst der Winzer und Weinfreunde verloren hatten.

 

Auf dem „Spielplan“ standen Sorten wie Orleans, Heunisch, Räuschling, Vogelfränkisch, Adelfränkisch, Blauer Kölner, Bukettrebe, Blauer Arbst und auch der Rote Riesling, der in den letzten Jahren vor allem in Hessen merklich Verbreitung fand und zwischenzeitlich sogar als „Ur-Riesling“ bezeichnet wurde, also als Rebe, aus der sich der Weiße Riesling entwickelt hat. Bei der Bundesforschungsanstalt für Rebenzüchtung – Geilweilerhof – in Siebeldingen wurde dieser These zwar inzwischen durch eine wissenschaftliche Arbeit widersprochen. Das ändert aber nichts an dem kleinen Siegeszug der Rebe, die mittlerweile auch in Württemberg und der Pfalz Fans unter den Winzern gefunden hat, ebenso wie der lange Zeit kaum wahrgenommene Blaue Silvaner.

Ausrichter der Veranstaltung im proppenvollen Hörsaal der Geisenheimer Wein-Universität waren neben der Hochschule das Slow Food Convivium Rheingau und der Verein zur Förderung des Historischen Weinbaus im Rheingau. Zielsetzung war es, die Aufmerksamkeit auf das Potenzial historischer Rebsorten zu lenken. Dazu äußerte sich auch Dr. Beatrix Tappeser, Staatssekretärin im hessischen Umweltministerium: „In einer Zukunft geprägt von Wetterextremen können solche Sorten eine Grundlage für eine gesunde Zukunft des Weinbaus in Hessen bieten. Denn manch alte Sorte ist widerstandsfähiger und kann mit extremen Bedingungen besser umgehen als moderne, auf Effizienz gezüchtete Rebsorten.“

So sieht man das nicht nur in Hessen. Auch die Bayerische Landesanstalt für Weinbau in Veitshöchheim macht sich seit Jahren verdient um die Wiederbelebung praktisch ausgestorbener Sorten wie Adelfränkisch, Hartblau und Blauer Kölner. Man pflegt unter Regie von Weinbautechniker Josef Engelhart auf einigen Hektar geringe Bestände und baut die Weine in kleinen Gebinden aus. Die Qualität ist trotz der Improvisation durchaus ansprechend. In Franken haben das inzwischen einige Winzer registriert und die Wertigkeit von kaum mehr angebauten Reben für den im Kommen befindlichen Mischsatz erkannt. So enthält der „Fränkische gemischte Satz“ von Bickel-Stumpf neben dem klassischen Silvaner unter anderem Roter Gutedel, Goldmuskateller und Roter Elbling. Die Winzer Sommerach verwerten in ihrem „Alter Satz“ als kleine Beigabe Adelfränkisch und Geisdutte. Das Weingut Otmar Zang in Sommerach kann einen kleinen Weinberg mit uralten Sorten, gepflanzt anno 1835, vorweisen. Dieser „Alte Satz“ beinhaltet neben klassischen Sorten auch einige Varitäten, die unbekannt sind – ein Potenzial für weitere Forschungen und eventuell für Vermehrungen.

Schon gibt es Vorschläge im Fränkischen, wie denn ein Zusammensetzung für einen „fränkischen Satz“ auszusehen hat, mit den Rubriken 10 % Aromaspender, 10 % klassische Sorten, 20 % historische Sorten und 60 % Silvaner-Varietäten. Aber solche Weine in ein Schema zu pressen ist sicher nicht der richtige Weg, sie populär zu machen. Klar ist, dass ein Mischsatz (die Bezeichnung „gemischter Satz“ ist für Österreich geschützt) zum gleichen Zeitpunkt zu ernten und zu verarbeiten ist; gestaffelte Lese ist nicht angebracht.

Das Thema bleibt sicher spannend. Für die weitere Entwicklung dieser Sorten ist aber letztlich die Qualität entscheidend. Man sieht es am Beispiel Heunisch, einem Stammvater vieler Qualitätsreben, der bis ins 19. Jahrhundert in Mitteleuropa die vermutlich wichtigste Rebsorte war, wegen ihrer hohen Erträge. Selbst ein ambitioniertes Weingut wie Breuer in Rüdesheim hat Jahre gebraucht, um einen korrekten, nicht allzu dünnen Wein in die Flasche zu bringen. Auch den eigentlich säurebetonten Orleans hat Kellermeister Hermann Schmoranz inzwischen gezähmt. Ein herzhafter Tropfen ist der Räuschling der Zeller Abtsberg Weinmanufaktur aus dem Badischen. Aber wer Blauer Affenthaler aus dem Weingut der Uni Geisenheim verkostet, wird nicht unbedingt dazu verleitet, der Sorte Beifall zu klatschen. Gleiches gilt für Lamberttraube aus Geisenheim, die nicht zu Unrecht auch als „Rachenputzer“ bezeichnet wird.