Zaghafter Neustart

Auferstehung des Weinhandels nach IS-Herrschaft

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 19. Dezember 2018


IRAK (Mossul) – Als in den 90er Jahren das internationale Handelsembargo gegen den damaligen Diktator Saddam Hussein zu einer ganzen Reihe von Engpässen führte, begann der Niedergang des Weinhandels im Irak. Und das Geschäft mit Wein und Spirituosen wurde während und nach der US-Invasion in 2005 noch riskanter, insbesondere weil sich Aufstände ausbreiteten und die Aufständischen immer mehr Angriffe auf Alkoholgeschäfte verübten.

Im Zuge der jüngsten Geschehnisse während der Herrschaft der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) brachte dies den Handel mit Alkohol zum Erliegen. Fast überall im Land, so auch in Mossul, bestrafte der IS den Konsum von Alkohol mit Peitschenhieben oder Schlimmerem. Aber schon ein Jahr nach dem Sieg über den IS, erlebt der Handel mit Alkohol einen zaghaften Aufstieg. Die wiederbelebten Läden führen jetzt amerikanischen Whisky, südkoreanisches Bier und Arak – Letzterer ist ein klarer, ungesüsster Anisschnaps, aus heimischer Produktion.

Es bleibt ein Wagnis

Das Geschäft mit Wein, Bier und Spirituosen läuft wieder an, obwohl in der konservativen muslimischen Gesellschaft generell der Konsum von Alkohol umstritten bleibt, ja sogar verpönt ist. Immer noch wird in Hotels und Restaurants selten Alkohol angeboten. Es bleibt auch daher ein Wagnis, wenn junge Leute öffentlich Wein oder Bier trinken. Entweder ziehen sie sich hierzu privat zurück oder geniessen verstohlen im Dunkeln am Ufer des Tigris mitgebrachte Alkoholika. Mit Preisen von einem Euro pro Bier bis zu einigen Dutzend Euro für harte Spirituosen bleibt es ein teures Vergnügen, das sich nur wenige leisten können. Dazu kommt, dass Anwohner rund um die Verkaufsstellen protestieren, einige aus religiösen Gründen, andere zum Schutz der Jugend. 

Schutz der individuellen Freiheiten

Vor zwei Jahren verhandelte das irakische Parlament einen Gesetzentwurf, der den Import und Verkauf von Alkohol ganz verbieten wollte. Zwar wurde der Entwurf zurückgewiesen, doch müssen Läden seitdem einen Mindestabstand zu Kultstätten und Schulen einhalten. Der Bürgerrechtler von Mossul, Mohammed Salem, findet die Regulierung des Alkoholverkaufs grundsätzlich in Ordnung, warnt aber vor einer erneuten Einschränkung der Freiheit. Er wird zitiert: «Am besten wird der Handel und Verkauf von Alkohol unter der Aufsicht der Gesundheits- und Sicherheitsbehörden organisiert. Jede Entscheidung zum Verbot von Alkohol wäre aber ein Verstoss gegen die individuellen Freiheiten.»

Gute alte Zeiten

Es war mal völlig anders. In den 60er und 70er Jahren herrschte im Irak eine liberale Gesellschaft und der Konsum von Alkohol war verbreitet. Damals gab es Weinkeller und Alkoholgeschäfte in den grossen Städten und die Menschen genossen Alkohol in aller Öffentlichkeit, ohne das sich jemand daran störte. Von diesen Zeiten wissen nur noch die Alten zu berichten, für die es selbstverständlich war, in Restaurants und Bars Wein, Bier und Spirituosen zu geniessen. 

Es bleibt ein Keim der Hoffnung im Irak, ob sich im Zuge der Normalisierung der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Lage auch der Handel mit Alkoholika wieder etabliert. Jedenfalls möchte vor allem die Jugend Normalität und dazu gehört auch der uneingeschränkte Genuss von Wein, Bier und Spirituosen. International hat die Getränkeindustrie den Irak ebenfalls im Blick und wird reagieren, sobald sich dazu eine dauerhafte Gelegenheit ergibt.

Zurück zur Übersicht