Ein Schweizer führt die Bodega Colomé

Salta – Höchste Weinberge der Welt

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 1. September 2018


ARGENTINIEN (Salta) – Dass Weinreben in sehr großen Höhen gedeihen und ihre Trauben auch noch wirtschaftlich verwertbar sind, ist meist mit großen Mühen verbunden, doch nicht so selten, wie mancher denken mag. Die höchstgelegene Weinzone in Europa mit ca. 1.800 Metern über dem Meer befindet sich auf der spanischen Insel Teneriffa. Auf Platz zwei liegt das Aostatal (Italien) mit ca. 1.200 Metern, gefolgt vom Wallis (Schweiz) und von Epirus (Griechenland) mit ca. 1.100 Metern. Unter der Tausendergrenze folgen Sizilien (Italien) mit ca. 900 Metern, das Jochtal (Deutschland) mit ca. 860 Metern, die Levante (Spanien) und das Eisacktal (Italien) mit jeweils ca. 800 Metern sowie die Südsteiermark (Österreich) mit ca. 650 Metern. Das ist alles recht hoch, wenn auch nicht sonderlich beeindruckend.

Die Wege sind weit, wirklich weit

Es gibt allerdings eine Region auf dieser Erde, die auf den ersten Blick niemanden an Wein denken lässt. Hier zeigt sich die Landschaft dramatisch, als „knochentrockene“ Kulisse von durchfurchten Felsenschluchten – wir sind in Salta, der weltweit höchsten und zugleich Argentiniens nördlichster Anbauzone. Schon im 16. Jahrhundert, genauer gesagt: in den 1550er-Jahren, pflanzten hier Missionare der Jesuiten Reben, die sie aus Peru mitgebracht hatten. Ihre vorherigen Versuche, in der Nähe von Buenos Aires Reben zu kultivieren, waren an zu hohen Temperaturen gescheitert. Man vermutet heute, dass gerade die hier in den Bergen herrschende Tageshitze und die auch im Sommer empfindlich kalten Nächte maßgeblich dafür waren, ein Höhenexperiment zu wagen – und es gelang.

Für einen Besuch der Weinregion Salta müssen Sie einiges an Geduld aufwenden. Schon der Weg nach Argentinien ist weit, und von Buenos Aires bis Cafayate, die Hauptstadt des gleichnamigen Departamentos in der Provinz Salta, sind Sie Stunden unterwegs, entlang riesiger Felder, auf denen Mais und Tabak angebaut werden. Dort angekommen, sind Sie allerdings noch längst nicht bei den Rebanlagen. Auf dem Weg zu den „Weingebirgen“ geht es weiter nur per Allrad über Schotter- und Sandpisten. Sie durchqueren wüstenartige Abschnitte, in denen nichts wächst außer mächtigen Kakteen – weit und breit keine Rebe in Sicht. Die Weinberge hinter Cafayate beginnen erst in einer Höhe ab ca. 1.700 Metern über dem Meer, und das sind hier die tiefsten Lagen. Wer mutig ist, packt seine Steigeisen aus, zieht die Sauerstoffmaske aus dem Rucksack und macht sich auf den Weg nach El Arenal zur Bodega Colomé, gelegen in einem von hier aus noch weit entfernten Tal der Weinregion Salta. Dort sind Reben bis zu einer Höhe von stolzen 3.111 Metern kultiviert – das ist Weltrekord.

Die Weine von Salta

Im Vergleich zu anderen Weinregionen in Argentinien ist die Weinzone Salta winzig. Nur ein Prozent der in Argentinien produzierten Weine stammen von hier, wo nicht mehr als knapp 2.000 Hektar im Anbau sind. Die weiße Sorte, die den Ruhm dieser Region begründet, nennt sich Torrontés Riojano, nicht zu verwechseln mit der autochthonen Sorte Torrontés, die vornehmlich im Nordwesten von Spanien im Anbau steht. Verwechslungsgefahr ist dennoch gegeben, da Weine aus der Sorte Torrontés Riojano auf ihren Etiketten meist nur den Namen Torrontés aufweisen. Die exotisch duftenden Trauben der Sorte Torrontés Riojano scheinen hier ihre aromatische Vollkommenheit zu erreichen. Dazu ist sorgsame Pflege im Weinberg ebenso nötig, wie die hohen Erträge in Schach zu halten. Außerdem sind die Winzer angehalten, im Keller alles zu tun, um die angeborene ausgesprochene Frische und aromatischen Düfte dieser Sorte in die Flasche zu bringen. 

Sorgfältig gekelterte Weißweine aus der Sorte Torrontés Riojano sind jedoch nicht das einzige Highlight, das die Winzer in Salta produzieren. Von diesen einzigartigen Höhenlagen stammen auch Rotweine mit unglaublicher Farbe und Konzentration, die in Bestform die Sorten Malbec, Syrah und Tannat zum Glänzen bringen. Darüber hinaus entstehen hier atemberaubende Blends von beeindruckender Reinheit und Frucht, die durch Alkohol und eine belebende natürlichen Säure strukturiert sind. Zugegeben, es sind meist Superlative, die beim Verkosten Weinliebhaber und Kritiker gleichermaßen beeindrucken. Doch das war nicht immer so. 

Die heute  Aufmerksamkeit erregenden Weine von Salta haben eine lange Entwicklung hinter sich. Noch vor einigen Jahren fehlten ihnen Finesse, Struktur und Ausgewogenheit, denn nur die unbestreitbar einzigartigen natürlichen Vorteile der Höhenlagen reichten nicht aus. Mittlerweile weiß man, wie die Reben am besten zu erziehen, zu bewässern und zu beschneiden sind. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist eine Revolution in der Qualität zu beobachten. Heute gelingt es den hiesigen Winzern meist, dass Potenzial aus ihren Rebsorten in Kombination mit dem besonderen Terroir in die Flasche zu transferieren. Wenn sie es weiterhin schaffen, die beachtliche Qualität zu bewahren, so könnte Salta – darin sind Weinkenner einig – eine der aufregendsten Weinregionen der Welt werden.

Zurück zur Übersicht