Kein Hamburger Cuvée aus 2018

Traubendiebe plündern den Stintfang

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 12. September 2018


DEUTSCHLAND (Hamburg) – Europas Winzerschaft kann stolz sein – das Erntejahr 2018 ist in den meisten Anbauzonen nicht nur qualitativ, sondern vor allem auch quantitativ eines der herausragendsten seit es Aufzeichnungen gibt. Manch ein Winzer muss sich dieses Jahr beherrschen, um nicht mengenmässig in Versuchung zu geraten. Man sollte also annehmen, dass jeder Winzer genug Traubenmaterial hat und es nicht zu Diebstahl kommt, wie es zuweilen in der Vergangenheit schon mal in exklusiven Weinlagen in Frankreich der Fall gewesen ist.

Hamburger Bürgerschaft ist entsetzt

Jetzt trifft es den Stintfang, einer der nördlichsten und niedrigsten Weinberge Deutschlands, inmitten einer Grossstadt gelegen. Die Hamburger Bürgerschaft ist entsetzt – fast alle Trauben ihres Hamburger Stadtweinbergs wurden gestohlen. «Dieses Jahr fällt die Weinlese am Stintfang oberhalb der Hamburger Landungsbrücken aus. Ein Cuvée aus 2018 wird es nicht geben», wird die Präsidentin der Bürgerschaft Carola Veit zitiert. Was ist passiert? Am Morgen des letzten Mittwochs wurde bemerkt, dass fast die komplette Weinzelle abgelesen wurde. Ob «Mundräuber» zur Nachtzeit unterwegs waren oder ob jemand aus den Trauben Wein keltern will, weiss niemand.

«Unsere ehrenamtlichen Helfer investieren viel Zeit und Herzblut in die Pflege des Weinbergs», wird Veit zitiert. »Dass ihre Arbeit auf diese Weise zunichtegemacht wird, ist traurig.» Es war nicht der erste Diebstahl – bereits 2010 und 2016 wurde laut Bürgerschaft ein Teil der Trauben gestohlen. Damit die Rebstöcke unbeschadet das Jahr überstehen, kontrollieren Mitarbeiter der Bürgerschaft regelmässig den Weinberg. Bisher konnten die Traubendiebe allerdings nicht ausfindig gemacht werden.

Das Stintfang-Cuvée

Seit Ende der 1990er Jahre ist der Stintfang im Ertrag. 1995 erhielt die Hamburgische Bürgerschaft  erste Rebstöcke der Sorten Regent (rote Trauben) und Phönix (weisse Trauben) von den Wirten des „Stuttgarter Weindorfes“, die bis Mitte dieser Dekade jährlich in Hamburg gastierten, als Geschenk. Inzwischen sind es um die 100 Stöcke. Das Stintfang Cuvée, das sich an die schwäbischen Schillerweine anlehnt, ist leicht und trocken, säurebetont und entsprechend der meernahen Lage auch etwas würzig. Bis zu fünfzig Flaschen konnten normalerweise in den letzten Jahren aus der Ernte vinifiziert und gefüllt werden. Der Wein vom Stintfang ist unverkäuflich. Als echte Hamburger Rarität wird er traditionell an ausgewählte Gäste der Bürgerschaft verschenkt oder findet für wohltätige Zwecke Verwendung.

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