Gespritete Weine

Caramba, Caracho, Sherry, Olé!

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 29. Mai 2019


SPANIEN (Jerez) – Die Sortenvielfalt des Sherry begründet sich in seiner aufwendigen Erzeugung. In der Marco de Jerez werden zwei Arten des Ausbaus praktiziert. Entweder wird der Wein sich selbst überlassen, in Holzfässern gelagert und der langsamen physikalisch-chemischen Reifung ausgesetzt, dies ist der „oxidative Ausbau“ oder es wird ein „biologischer Ausbau“ betrieben, bei dem der Wein durch autochtone Hefen, die Ablagerungen auf der Oberfläche bilden und mit dem Wein reagieren, schneller reift. Die D.O Jerez schreibt vor, dass der Ausbau mindestens zwei Jahre dauern muss. In der Regel dauert die Ausbauphase aber wesentlich länger, weil nur so den jeweiligen Weinen ihre typischen Eigenschaften und Charakter verliehen werden können.

Beim „oxidativen Ausbau“ bildet sich ein höherer Alkoholgehalt und durch den direkten Kontakt mit dem Sauerstoff, diffundiert der Wein durch die Fasswände, außerdem verändert sich seine Farbe, sie wird dunkler. Wichtig bei dieser Ausbauart ist, dass die Weine nicht miteinander vermischt werden. Beim „biologischen Ausbau“ schützen die oben lagernden Hefen den Wein nicht nur vor der Oxidation, sondern ihre Wechselwirkung bedingt wesentliche Veränderungen – der Alkoholgehalt verringert sich in Folge der Metabolisierung durch die Hefeschicht. Und die Hefe verzehrt im Laufe der Zeit eine ganze Reihe von im Wein befindlichen Bestandteilen, dazu gehören u.a. Clycerin und flüchtige Säuren.

Die Fässer

Im Laufe der Geschichte haben sich die Behältnisse bei der Erzeugung des Sherry verändert. Noch vor Beginn unserer Zeitrechnung bis zum Mittelalter verwendete man keramische Erzeugnisse – es waren Amphoren oder Krüge. Seit etwa dem 15. Jahrhundert wurden nach und nach Holzfässer, bestehend aus verschiedenen Holzarten, verwendet. Dies begründete sich rein aus deren praktikablen Verwendung beim Transport aber auch wegen der positiven Wirkung des Holzes beim Ausbau. Nach Entdeckung des amerikanischen Festlandes und dem Beginn des Handels wurde mehr und mehr Eichenholz aus Amerika für die Fässer verwendet, was bis heute noch der Fall ist.

Bei der Verwendung der Fässer zum biologischen Ausbau werden diese nicht ganz gefüllt, weil die Hefe rund zwei Handbreit benötigt, um Raum für ihre Arbeit zu haben. Die Unterstützung des Holzes bei der Reifung ist enorm. Holz lässt Sauerstoff durchdringen und absorbiert das Wasser im Wein und gibt dies als Verdunstung nach außen ab. Dies nennt man Diffundierung, ein natürlich ablaufender physikalischer Prozess, wobei dies zu einem Flüssigkeitsverlust des Fassinhalts führt. Dieser Schwund bedingt durchschnittlich drei Prozent Verlust aufs Jahr gesehen, was insbesondere dazu führt, dass sich die restlichen Bestandteile des Weins nach und nach konzentrieren. Während der Wein so seine charakteristischen Merkmale mit denen des Holzes verbindet, reift er durch ständigen Sauerstoffausgleich.

Das Criadera- und Solera-System

Einzig auf der Welt ist die traditionelle und authentische Reifung des Sherry, die in Spanien als Criadera- und Solera- System bezeichnet wird. Dieses bedingt ein dynamisches Verfahren, bei dem jüngere Weine mit den bereits älteren Lagernden vermischt werden, diese somit auffrischen. Profiteure sind stets die älteren Weine, die dennoch die über die Jahre entwickelten charakterlichen Merkmale behalten. Wer mal in einer Sherry-Bodega war, der wird die typischen übereinander gestapelten Fassreihen gesehen haben. Jede Sherry-Art wird in einer eigenen Gruppe von Fässern ausgebaut. In der Regel gibt es drei bis fünf Reihen übereinander gestapelter Fässer. Die Reihen nenn man Criaderas. In den Fässern ganz oben befindet sich der jüngere Wein, in den Fassreihen darunter die jeweils älteren, ganz unten der älteste Wein. Mit Solera bezeichnet man die unterste Fassreihe mit dem ältesten Wein.

Möchte man den Sherry abfüllen und zum Verkauf anbieten, wird er aus der Solera entnommen, dies wird als Saca (Entnahme) bezeichnet. Die Fässer der Solera leeren sich nach und nach, ebenso die darüber befindlichen, weil stets bestimmte Mengen von oben nach unten umgefüllt werden. Die entleerte Menge aus der Solera wird mit der entsprechenden Menge aus den darüber liegenden Fässern, in dem Fall der ersten Criadera aufgefüllt. Dies wiederholt sich bis zur dritten oder bis zur fünften Criadera. Die Auffüllung einer Reihe nennt man Roca, das gesamte Auffüllsystem von ganz oben nach unten wird als Correr Escalas (Etagenlauf) bezeichnet. Dieses Solera-System vermischt auf diesem Weg nach und nach alle vorhandenen Jahrgänge miteinander.  

Dieser nicht gerade unkomplizierte Ablauf erfordert viel Fingerspitzengefühl, viel Erfahrung und muss äußerst behutsam geschehen. Damit werden in den Bodegas nur spezialisierte Mitarbeiter betraut – man nennt sie Trasegador (Umfüller). Besonders beachten müssen die Umfüller, dass die durch den biologischen Abbau befindlichen Hefebereiche und die im Laufe der Jahre sich auf dem Boden der Fässer gebildeten Ablagerungen nicht aufgewirbelt oder sogar zerstört werden. Die Abläufe sind zwar strikt festgelegt, die Mengen ebenfalls – alles ist aber abhängig vom Können der Umfüller, den im Laufe der Zeit aufgebauten charakterlichen Eigenschaften des Weins und seiner bisherigen Ausbauzeit.

Durch das stete Umfüllen der Weine, wird zwar die Hefehülle leicht beschädigt aber auch angeregt, wieder aktiver zu werden. Der dabei mit einströmende Sauerstoff wird von der Hefe schnell wieder verarbeitet, sodass sich der Hefeschleier erneut über die gesamte Oberfläche ausbildet und den Wein schützt. Bei den Weinen, die nicht nach dem Solera-Verfahren behandelt werden, also herkömmlich ausgebaut werden, beschleunigen sich dagegen durch die Sauerstoffzufuhr beim Umfüllen die Oxidationsprozesse.

Abschluss des Reifeprozesses

Ist der Reifeprozess zu Ende, wird der Sherry gefiltert, seine trüben Schwebeteile werden dadurch entfernt und es erfolgt eine Füllung zumeist in klassische Flaschenformen. Entgegen herkömmlicher Weine fehlt beim Sherry zumeist die Angabe des Jahrgangs hinsichtlich des Erntejahres auf den Etiketten – dies ist bei dem Solera-Verfahren eigentlich fast nicht möglich. Sofern doch eine Jahreszahl oder ein Datum auf dem Etikett steht, so bezieht sich diese Angabe in der Regel auf das Jahr, als die Criadera angelegt beziehungsweise die Solera gestartet wurde. Diesbezüglich kann man sicher sein, dass das tatsächliche Alter des Sherrys mindestens dieser Jahresangabe entspricht, da die Fässer niemals komplett geleert werden. Klassisch sind Sherry trocken. Da in vielen Exportländern jedoch die Konsumenten durchaus auch liebliche, leicht süßliche Sherry wünschen, fügt man trockenen Sherry zum Ende der Reifung zumeist süßen Most oder süßen Wein hinzu.

Empfehlungen

Sofern Sie jetzt Lust auf Sherry bekommen haben, sich auf die Route Marco de Jerez begeben wollen, empfehle ich Ihnen in einem kommenden Artikel eine Auswahl an besuchenswerten Bodegas. Hier können Sie an Verkostungen und weiteren kulinarischen wie touristischen Programmen nach Voranmeldung teilnehmen. Viel Spaß – „arriba, abajo, al centro, adentro“ (nach oben, nach unten, ins Innere, und rein damit) … Salud! Chinchín!

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