Eiswein-Finale beim Jahrgang 2010

08.12.2010 - R.KNOLL

DEUTCHLAND (Weinbaugebiete) - In den ersten Meldungen des Deutschen Weininstitutes stand noch, dass „einige Erzeuger“ die Gunst der Stunde für Eiswein nutzten. Mit Stand 6. Dezember waren es indes bereits einige Dutzend Betriebe, die sich über den Saft aus tief gefrorenen Trauben freuen konnten. Für die meisten war es ein Trostpflaster bei einem Jahrgang, der ansonsten Probleme bereitet hatte und vor allem nur relativ geringe Erträge zuließ. Vielleicht nach dem Motto „Ist ohnehin egal“ ließen deshalb offenbar etliche Winzer nach dem offiziellen Herbstschluss Trauben hängen, in der Hoffnung, dass es eisig kalt wird.

 

Den Startschuss feuerte die Winzergenossenschaft in Oberbergen am Kaiserstuhl am 30. November ab. 400 Liter mit 170 Grad Öchsle wurden der Lage Bassgeige abgerungen. In den ersten Dezember-Tagen ging es dann Schlag auf Schlag weiter. Bis Minus 14 ° C wurden gemessen. Mit der Kälte kam zwar auch reichlich Schnee vom Himmel, aber das ließ das Lesepersonal unbeeindruckt.

Oft flossen kaum mehr als 100 hoch konzentrierte Liter von der Kelter. Aber zum Teil wurden - für Eiswein - beachtliche Mengen eingefahren. So freuten sich im Rheingau die namhaften Güter Schloss Reinhartshausen und Schloss Vollrads über jeweils 300 Liter Riesling mit exakt dem gleichen Mostgewicht (162 Grad Öchsle). In Rheinhessen konnte das Niersteiner Weingut Louis Guntrum im Paterberg 650 Liter Riesling mit 203 Grad einbringen; das war einer der wenigen Weine, die die 200 Öchsle-Schwelle übersprangen. Rekordhalter bei der Erntemenge war das Weingut Schales in Flörsheim-Dalsheim (Rheinhessen) mit insgesamt rund 700 Liter. Damit konnte das Gut eine Tradition nahtlos fortsetzen: seit 1961 war es in jedem Jahrgang gelungen, Eiswein zu ernten!

Die ungewöhnlichste Rebsorte bei der Eisweinernte war sicherlich der Semillon, den das Weingut St. Annagarten im württembergischen Beilstein im Versuchsanbau pflegt. Mit 208 Grad Öchsle liegt dieser Wein zugleich nach aktuellem Stand auf dem zweiten Rang in der Mostgewichtsskala hinter einem Grauburgunder von Popp aus Iphofen (Franken) mit 217 Grad. Beide sind damit aber weit entfernt vom bisherigen Eiswein-Weltrekord. Den hält nach wie vor die Schlosskellerei Affaltrach (Württemberg) seit dem Jahrgang 1973 mit 292 Grad Öchsle beim spät reifenden Trollinger. Diesmal machten die Affaltracher nicht mit bei der Eisweinernte; ihr letzter Wein, der aus der Kälte kam, war der 2008er.

Der Gesundheitszustand der Trauben sollte überwiegend gut gewesen sein. Allzu oft in den letzten Jahren wurde eigentlich ungeeignetes Lesegut verwendet, nicht selten eingebracht mit dem Vollernter. Fäulnis- und Essignoten im Aroma störten dann beim fertigen Wein, weil die Weinprüfung solche Mängel tolerierte. Derartige „Frostgewächse“ tauchten immer wieder mal für relativ wenig Geld im Supermarkt-Regal auf und schädigten damit das Image des Eisweines.

Spannend werden auch die Säurewerte der 2010er Eisweine sein. Schon beim Normalwein wurde häufig das Wort „säurebetont“ verwandt; die Fachzeitschriften für die Branche brachten umfangreiche Informationen über fachgerechtes Entsäuern. Da durch die Frostung nicht nur die Süße, sondern auch die Säure konzentriert wird, sind durchaus Werte von über 20 g/l denkbar.