Qualitätsmanagement mit Rebschnitt

26.06.2011 - R.KNOLL

VORWORT - Frauen spielen nicht nur Fußball, sie haben auch Ahnung von Wein. Es gibt zahlreiche Winzerinnen nicht nur in Deutschland, die sich auf exzellente Gewächse verstehen. Es gibt aber auch Frauen, die dem Wein eng verbunden sind, obwohl sie nicht zu den klassischen Weinmacherinnen zählen. Über sie gibt es originelle Geschichten zu erzählen. Rudolf Knoll wird in den nächsten Wochen und Monaten ganz spezielle Weinfrauen ins Visier nehmen. Wir starten mit einer fränkischen Unternehmensberaterin.

 

DEUTSCHLAND (Wiesenbronn) - Manchmal spaziert Barbara Becker mit ihren Kunden, die meist leitende Mitarbeiter von Unternehmen und manchmal sogar die Chefs sind, einfach in die Weinberge und lässt sie Reben schneiden. „Hier lernt man, langfristig Verantwortung zu übernehmen. Denn ein falscher Schnitt kann dafür sorgen, dass an einem Stock in diesem und im folgenden Jahr weniger wächst“, erläutert sie. Mehr noch: Arbeit im Team und gegenseitige Unterstützung kann auch dem Teamgeist in einer Firma gut tun. Und die Tätigkeit in frischer Luft ist zudem gut für die Fitness. „Wir hatten schon Gruppen bei uns, die total demotiviert herkamen und bei denen sich die Leute untereinander nicht riechen konnten“, erinnert sich die fröhliche, energiegeladene Fränkin. „Durch den ungewohnten Kursinhalt gelang es, die Knackpunkte zu finden und für bessere Harmonie zu sorgen.“

Das geschieht natürlich nicht mit dem Rebschnitt allein. „Wir ergänzen mit neuen, fundierten Informationen zum Thema Führung und sorgen für einen Erfahrungsaustausch mit Menschen in gleichen Verantwortungsposition. So entstehen handfeste Konzepte und neue Ideen für das eigene Führungsverhalten“, macht Barbara Becker deutlich.

Dass bei ihr die Psychologencouch gewissermaßen in den Rebfluren steht, wurde ihr schon ein bisschen in die Wiege gelegt. Sie wuchs im Weinort Wiesenbronn im fränkischen Steigerwald auf. Ihr Vater Günter (66) hatte Zuhause neben der Viehwirtschaft einen Weingarten, in dem er von einem Hektar immer noch Trauben erntet, die beim örtlichen Biowinzer Gerhard Roth (einer der Topproduzenten in Franken) zum Biowein werden. „Manchmal würde es mich schon selbst reizen, Wein zu machen“, lacht Becker. „Aber die von Roth sind ein Gesamtkunstwerk, da mische ich mich nicht ein, sondern arbeite lieber mit ihm zusammen, weil er als Profi den Rebschnitt perfekt erläutern kann.“

Ursprünglich strebte die studierte Diplom-Pädagogin ein Lehramt an, „weil ich immer wieder anderen Leuten was beibringen wollte.“ Das ließ sich nicht nach ihren Vorstellungen umsetzen, obwohl sie teilweise in verantwortlichen Positionen tätig war. Der Kontakt zum Wein riss nicht ab. „Ich habe immer wieder dem Vater im Weinberg geholfen und auch mal nach Österreich eine Studienfahrt gemacht, bei der ich an vier Tagen 400 Weine probierte.“

1995 entschloss sie sich, gerade 26 Jahre jung, zur Selbstständigkeit. Ein Kundenstamm war nicht vorhanden, ein klares Firmenprofil fehlte. Aber es gab ein Netzwerk über Jugendverbände für die Anfänge in Nürnberg. Geheiratet wurde auch. Neben der beruflichen Tätigkeit kümmert sie sich um die Erziehung der zwei Kinder, die inzwischen 11 und 13 Jahre alt sind. Der Vater ist beruflich stark engagiert im Landeskriminalamt mit dem Spezialgebiet Drogenhandel.

Nach vier Jahren als Unternehmensberaterin entschloss sich Barbara Becker, der eigenen „Lieblingsdroge“ Wein wieder nahe zu kommen und kehrte zurück nach Wiesenbronn. Der Kundenstamm, den sie sich in Nürnberg aufgebaut hatte, blieb trotz des Ortswechsels erhalten. Dazu gehören Kliniken, Verbände, Bildungswerke und sogar die Fraunhofer Gesellschaft in München und die Gleichstellungskommission der Bundesregierung. Seit 2003 hat sie eine Mitarbeiterin, die dem Wein ebenfalls verbunden ist. Annette Schmidt (32) studierte ebenfalls Pädagogik und kam über Vater Günter Becker in Kontakt mit Barbara Becker. Eine Auszeichnung zur Weinerlebnisführerin in Franken hat sie mit Auszeichnung abgeschlossen. In Veitshöchheim belegte sie Winzerkurse. „Als Nebenerwerbswinzerin kenne ich alle Handgriffe, die man braucht, um im normalen Berufsleben Qualität zu erreichen“, versichert sie.

Becker und Schmidt wissen, dass sie mit ihrer ungewöhnlichen Unternehmensberatung in vielen Häusern den Durchbruch schaffen. „Es gibt immer wieder Vorbehalte gegen Qualitätsmanagementsystem“, musste die Chefin erkennen. „QM ist in manchen Einrichtungen so willkommen wie eine ungewollte Schwangerschaft. Wir setzen bei den Menschen an, ackern uns nicht durch Papierberge mit den Kunden und veranstalten keine Sitzungsmarathons.“ Dafür gibt es nach guter Arbeit schon mal einen Schluck Wein zwischen den Reben. „Bildungswellness“ nennen das die Damen...