Österreichs Handelsriese Wein & Co. hat einen neuen Chef

18.04.2012 - R.KNOLL

ÖSTERREICH - Zäsur beim größten österreichischen Weinfachhändler Wein & Co.: Unternehmensgründer Heinz Kammerer, der sich schon in den letzten Jahren etwas aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hatte, übergab den Geschäftsführungsvorsitz an Florian Größwang, der zuvor Marketingleiter und Vertriebs-Geschäftsführer bei Sport Eybl war, der Nummer Eins unter den österreichischen Sportartikelhändlern mit einem Marktanteil von 25 Prozent und einem Jahresumsatz von etwa 400 Millionen Euro.

 

Die neuen Dimensionen sind für den Seiteneinsteiger in Sachen Wein kleiner. Der 38-Jährige konnte aber mit einer sehr positiven Zahlenentwicklung „gelockt“ werden. Im letzten Geschäftsjahr belief sich der deutlich gestiegene Umsatz auf 47 Millionen Euro. Bei der Übergabe der Verantwortung konnte Kammerer verkünden: „Im aktuellen Geschäftsjahr knacken wir die 50-Millionen-Marke.“

Geschehen wird das mit 19 Filialen in Österreich, bei denen sechs zusätzlich eine Weinbar oder Restaurant betreiben. Außerdem floriert der Internet-Handel, mit dem Kunden aus rund 15 Ländern bedient werden. Im letzten Geschäftsjahr wurden etwa drei Millionen Flaschen Wein verkauft, darunter auch ein sicher nicht unerheblicher Anteil aus österreichischer Herkunft.

Sehr zum Erfolg beigetragen hat das Konzept der Weinbars, in denen man Flaschenwein zum Shop-Preis genießen kann und zudem dauerhaft erstklassige Weine offen serviert werden, bis hinunter zum kleinen Schluck mit einem Sechzehntel. Kunden, die hier hochrechnen, bestellen dann meist gleich eine ganze Flasche, weil das für ihre Brieftasche deutlich günstiger ist. Außerdem wurde in den sechs Häusern mit Restaurant oder Bar das Gesetz über den Ladenschluss in Österreich quasi ausgehebelt, was sich auf den Umsatz ebenfalls positiv auswirkte.

Dass sich die allgemeine Wirtschaftskrise nicht auf den Luxusartikel Wein ausgewirkt hat, zumindest nicht bei Wein & Co, ist auf den gesunden Mix und die ausgezeichnete Qualität der Weine sowie die intensive Werbung zurückzuführen. Auch eine geschickte Standortwahl trug dazu bei, dass Mengen und Gewinn ständig stiegen. Deshalb wird es keine Änderung beim bisherigen Geschäftsführertrio Sabine Reinwald (Finanzen), Oliver Sartena (Marketing) und Christian Zehetbauer (Operations) geben. Sie berichten jetzt nur einem anderen Chef.

Heinz Kammerer (63) will nach 40 Jahren als selbstständiger Unternehmer „Platz machen für neue Impulse und durchaus Konzepte, die über Österreich hinaus gehen.“ Mit einer deutschen Niederlassung, möglichst in München, hatte er schon lang geliebäugelt, aber für die Umsetzung fehlte ein geeigneter Partner.

Der Weinfan, der ein Faible für Südafrika entwickelt hat, wird sich allerdings nicht ganz aus dem Geschäft verabschieden. Er bleibt Eigentümer von Wein & Co und hat sich ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen vorbehalten. 1993 hatte Kammerer mit damals sechs Niederlassungen begonnen und schon weniger Jahre später 1,5 Millionen Flaschen Wein verkauft. Sein Kalkül, dass sich Österreich nach dem EU-Beitritt 1994 für ausländische Weine öffnen wird, ging auf. „Vorher mussten meine Landsleute schweißtreibend Weine aus Frankreich und Italien schmuggeln, um die privaten Keller zu füllen“, lacht er im Rückblick. „Bei uns konnten sie problemlos einkaufen.“ Deutsche Weine waren und sind selten darunter, aber man versuchte sich unverzagt daran und hat auch aktuell wieder einige Weine aus der Pfalz, von der Nahe und aus Rheinhessen im Sortiment.

Konkurrenz für Wein & Co. waren und sind in Österreich vor allem der LEH. Besonders SPAR ist stark in Sachen Wein und hat mit seinen Weinabteilungen Fachhandelscharakter. Einen Angriff aus Deutschland konnte man abwehren. Hawesko versuchte im Jahr 2000 mit der Österreich-Tochter „Winecompany“ Fuß zu fassen, aber nach einigen Jahren war es vorbei. Geblieben sind nur mehr vier Jacques‘ Weindepots in Wien, Salzburg und Innsbruck, die ebenfalls zur Hawesko-Gruppe gehören.

Kammerer selbst kam 1979 so richtig auf den Weingeschmack: „Ein 1929er Mission Haut-Brion aus der Magnum war schuld. Danach wurde ich Sammler, hatte nach einigen Jahren 20 000 Flaschen vorwiegend aus Bordeaux im Keller und logistische Probleme mit der Lagerung.“ Was auch ein Anstoß war, um Weinhändler zu werden. Anfangs arbeitete er zweigleisig und war nebenbei noch als Fliesenhändler erfolgreich. Sein damaliges Unternehmen, das er 1998 verkaufte, hieß Ikera. Die dafür betriebene Rundfunkwerbung ließ schon erkennen, dass Heinz Kammerer ein Marketingfuchs war. Der Slogan lautete: „Ikera - nicht Ikea!“.

Sein Nachfolger bei Wein & Co. sieht sich als Spezialist für „Ergebnisoptimierung“ und ist der Meinung „Sport und Wein haben vieles gemeinsam. Die Klammer lautet Leidenschaft.“ Der begeisterte Marathonläufer Florian Größwang (ausbaufähige Bestzeit 3.40 Stunden) will jetzt erst mal ohne Zeitdruck eine Bestandsaufnahme machen und sich dann auf mögliche Expansionsfelder konzentrieren.