Studie: Auswirkungen der Liberalisierung der Pflanzrechte im Weinbau

14.03.2012 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Montpellier) - Die Studie Studie über die zu erwartenden sozioökonomischen und regionalen Auswirkungen der Liberalisierung der Pflanzrechte im Weinbau wurde erstellt von Professor Étienne Montagne, Studienleiter Alfredo Coelho, Forschungsleiter Bernard Delord und Doktorantin Leila Khefifi. Wir zitieren hier die wesentlichen Punkte. Die komplette Studie steht auf der Webseite der AREV zum Download zu Verfügung (siehe TIPP).

 

Es ist heute achtzig Jahre her, dass Frankreich und Spanien Regeln zur Kontrolle von Pflanzrechten im Weinbau eingeführt haben. Abgesehen von einer kurzen Zeitspanne von 1970 bis 1976, hat die GMO für Wein auf europäischer Ebene diese Regeln „vorläufig“ übernommen. Ihre endgültige Abschaffung, die in den Texten der jüngsten Reform von 2008 für den 01.01.2016 oder spätestens für 2018 festgelegt worden ist, wurde überaus ausführlich begründet. Doch befürchten angesichts des nahenden Stichtags viele Winzer und gewählte Vertreter von Gebietskörperschaften verheerende Folgen und zweifeln stark an, ob diese Deregulierung auf europäischer Ebene wirklich notwendig und gerechtfertigt ist.

Öffnet man mit der Umsetzung einer solchen Entscheidung nicht die Büchse der Pandora für den europäischen Weinbau?

Die Mitglieder der AREV haben den Wunsch geäußert, dass ihre strategischen Überlegungen durch eine eingehendere Untersuchung des Themas ergänzt werden. Diese Aufgabe haben sie international ausgeschrieben und in der Folge die interdisziplinäre Forschungsstelle MOISA in Montpellier mit der Durchführung der Studie beauftragt, die Gegenstand des vorliegenden Berichts ist.

0.1 Aufbau und Methodik

In den Sozialwissenschaften ist es kaum möglich, die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen einer wirtschaftspolitischen Entscheidung vor ihrer Umsetzung experimentell zu untersuchen. Daher haben wir uns dafür entschieden, die Frage multidisziplinär zu untersuchen und dabei die vergleichende Ökonomie, die Geschichtswissenschaft, die Statistik und die Rechtswissenschaft zu nutzen, um die in die Diskussion eingebrachten Argumente zu bestätigen oder zu verwerfen.

Angesichts der Tragweite des Themas, seiner Komplexität und seiner gleichzeitig europäischen und auch weltweiten Dimension haben wir keine erschöpfende Untersuchung angestrebt. Konkret haben wir in Europa und in der Neuen Welt Fallstudien über große Zeiträume durchgeführt, haben die Funktionsweise dieser Regeln in verschiedenen Ländern im Rahmen aller verfügbaren Daten detailliert analysiert, haben in Frankreich die Daten des Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen herangezogen, um die Frage der betriebsgrößenabhängigen Kostendegression zu untersuchen, haben auf europäischer Ebene die Wachstumsdynamik der Weinbaubetriebe beobachtet und haben schließlich zu den wesentlichen Kritikpunkten an der Pflanzrechtregelung Stellung genommen.

Die Argumente der Europäischen Kommission beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass die Pflanzrechtregelung die Wettbewerbsfähigkeit verringern würde. Diese These war also zu überprüfen: Führen die Pflanzrechte tatsächlich zu einer Erhöhung der Produktionskosten? Hemmen sie die Rationalisierung in den Betrieben? Gibt es andere Mittel, um diese Rationalisierung zu erreichen? Hat das Fehlen von Pflanzrechten es den Ländern außerhalb der Europäischen Union ermöglicht, mit wirtschaftlicheren und leistungsstärkeren Betriebsstrukturen zu arbeiten?

0.2 Die Neue Welt

0.2.1 Australien

Wir haben unter den Ländern der Neuen Welt Australien und Argentinien ausgewählt. Australien ist das Bezugssystem für ein weinerzeugendes Land ohne Regulierung des Produktionspotenzials durch Pflanzrechte.

Seit Anfang der 1990er Jahre ist Australien zum internationalen Erfolgsmodell im Weinbau, insbesondere im Export, geworden. Jedoch hat die Leistungsfähigkeit Australiens schon seit einigen Jahren ihre Grenze erreicht. Die gegenwärtige Überproduktion von Weintrauben geht auf exzessive Pflanzungen im Laufe der letzten zwanzig Jahre zurück. Das ist mit einer positiven Reaktion auf den Erfolg der australischen Weine im Export zu erklären, die durch das Angebot von Lieferverträgen mit den Kellereien und durch die Preissignale vom Markt noch verstärkt wurde. Ferner sind Weintrauben aus Pflanzungen von Investoren auf den Markt gekommen, deren Ziel es war, Vermögen und Beteiligungen unter dem Aspekt einer erwarteten hohen Rendite anzulegen.

Wenn Produktionsmengen und Erträge nicht politisch beschränkt werden, erfolgt die Regulierung ausschließlich durch den Markt. Die einzige australische Weinbaupolitik besteht in der Absatzförderung für australische Weine im In- und Ausland. Die üblichen Lieferverträge reichen nicht mehr aus, um die Beziehungen zwischen den Kellereien und den Traubenproduzenten zu stabilisieren. Die Kellereien tendieren zunehmend zum Einkauf von Weintrauben auf dem Spotmarkt.
Zusammengefasst: das exponentielle Wachstum der Traubenproduktion ist durch Irrtümer in der Planung unbeherrschbar geworden. Die einzigen Möglichkeiten, das Angebot zu steuern, sind Verzicht auf die Lese und Rodung durch die Erzeuger. Das Gleichgewicht auf dem Markt soll sich über die Erschließung neuer Märkte einstellen, und die Steigerung der Qualität ist angesichts der bisherigen Entwicklung schwierig. Die Logik der Unternehmensführung führt im vorliegenden Fall zur Desinvestition.

Generell verhindert die Deregulierung keine Krisen. Konfrontiert mit den langfristigen Zyklen der Anpflanzungen, mit der Instabilität von Devisen und Märkten und mit Fehlern in der Prognose reagiert der australische Weinbausektor mit dem „unternehmerischen“ Modell der Anpassung durch Kündigung der Lieferverträge. Letztlich stößt man auf dieselben Krisenindikatoren: Rodungen, Insolvenzen, Verzicht auf die Lese, Pfändungen durch die finanzierenden Banken, Verfall der Preise von Grund und Boden, Übernahme von Unternehmen durch ausländische Investoren etc.

Aus europäischer Sicht und unter dem Aspekt der Liberalisierung der Pflanzrechte wird es augenfällig, dass die Handelsunternehmen, die von dieser neuen Regelung profitieren werden, um ihre eigenen Weinberge anzulegen und daraus einen Teil ihres Bedarfs zu decken, dann auch auf die Einkaufspreise für Weintrauben und Wein Druck ausüben können, was bei einer Überproduktion und gleichzeitigem Fehlen einer Begrenzung der Pflanzungen noch verstärkt wird. Das Argument, dass es „nicht zu einer Explosion von Rebflächen kommt, wenn es dafür keinen Markt gibt“, muss relativiert werden, denn jeder Investor ist natürlich davon überzeugt, dass er seine Wettbewerber früher oder später übertreffen wird.

0.2.2 Argentinien

Wenn man den argentinischen Weinbau und seine Organisation über einen längeren Zeitraum beobachtet, wird die Vorstellung in Frage gestellt, dass die konkurrierenden Länder in der Neuen Welt das Angebot nicht regulieren. Dann wird es auch möglich, die Bedingungen zu verstehen, die für den Erfolg einer Pflanzrechtregelung unerlässlich sind, eine alternative Regulierung des jährlichen Angebots zu untersuchen und die sozialen Auswirkungen eines Zeitabschnitts mit harter Deregulierung aufzuzeigen.

In den 1980er Jahren ist Argentinien bei der Umsetzung einer Pflanzrechtregelung daran gescheitert, dass unter den damaligen sozioökonomischen Bedingungen die Einhaltung der angeordneten Regelungen nicht gewährleistet war, was sich dann in wilden Pflanzungen und darin zeigte, dass die gesteckten Ziele nicht erreicht wurden.

Dieses Land hat nach einer historischen Vereinbarung zwischen den beiden wichtigsten Erzeugerregionen einen effizienten Mechanismus zur Regulierung des Marktes eingerichtet, der auf dem Export von Traubenmost und von Traubenmostkonzentrat auf dem internationalen Markt von Fruchtsäften gründet. Diese Regelung schützt das Einkommen der Weinbauern, indem sie das Preisniveau für Wein stabilisiert. Sie berücksichtigt auch die Marktaussichten. Sie scheint an die organisatorische und wirtschaftliche Geschichte des Weinbaus in diesem Land gut angepasst zu sein. Jedoch bildet der Zugang zu Krediten bei einer Krise oder bei Deregulierung des Sektors einen diskriminierenden Mechanismus, der zur Verdrängung der kleinen und mittleren Betriebe führt, die dann keine Möglichkeiten der Finanzierung haben.

0.3 Portugal

0.3.1 Die Region Alentejo

Umstrukturierung, Umstellung und Rodung von Rebflächen haben die Landschaft und das portugiesische Weinangebot im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte umgestaltet. Insbesondere in der Region Alentejo hat sich die Produktion von Weintrauben innerhalb eines Jahrzehnts praktisch verdoppelt, was das soziale Gefüge im Weinbausektor verändert hat. Diese Umwandlung lässt sich mit der Veränderung der geltenden Vorschriften gegen Ende der 1990er Jahre und mit der möglich gewordenen freien Übertragung von Pflanzrechten zwischen Regionen erklären, im vorliegenden Fall aus den benachbarten Weinbaugebieten Ribatejo und Estremadura.

Im Rahmen der GMO für Wein von 1999 wurde ein neues System der finanziellen Unterstützung, das Programm „Vitis“, umgesetzt, mit dem die Umstellung und Umstrukturierung der Rebfläche gefördert wird, indem man den Haupthandicaps des portugiesischen Weinbaus Abhilfe verschaffte, nämlich der geringen Größe der Parzellen und der Überalterung der Rebstöcke. Im allgemeinen Kontext des fortschreitenden Rückgangs der Rebfläche in Portugal betrachtet ist im Fall Alentejo das starke Wachstum in bestimmten Regionen markant. Gleichzeitig befinden sich die Weinbauregionen, die auf Tafelweine spezialisiert sind (insbesondere das Gebiet Ribatejo) und in denen die durchschnittlichen Weinpreise besonders niedrig sind, im Abschwung.

Die Möglichkeit, die Pflanzrechte frei untereinander auszutauschen, hat folgerichtig zu einer Übertragung der Rechte der schwächsten oder in Schwierigkeiten befindlichen Gebiete in Richtung der Gebiete geführt, in denen die Leistung des Weinbaus attraktiver war (Alentejo und Alto Douro vor allem). So haben die Pflanzrechte weder die Realisierung von neuen Projekten noch das Wachstum von bestehenden Betrieben im Weinbau behindert. Es sind also die Modalitäten für die Übertragung von Rechten und nicht die Regelung selbst, die ein Hindernis bei der Entwicklung der Rebflächen bilden.

Als die freie Übertragbarkeit einmal erreicht war, konnte die Region in der Euphorie der Neupflanzungen einer Überproduktion aufgrund der langsamen Reaktion nicht entrinnen. Wie in Australien wird eine Krise der Überproduktion durch ein Überangebot aufgrund von Planungsfehlern ausgelöst, das (kurzfristig) von einer außergewöhnlichen Ernte und (langfristig) von einer unkontrollierten Ausweitung des Produktionspotenzials herrührt.

0.3.2 Die abgegrenzte Region des Douro

Mit der Untersuchung der Entwicklung der Situation im Weinbau in der abgegrenzten Region des Douro im Laufe der letzten Jahre können wir verstehen, welche Rolle die Pflanzrechtregelung in einer Region spielt, die in einzelne Gebiete unterteilt ist und wo die Erlaubnis zum Aufspriten komplex organisiert ist.

Es gibt zwei Typen von Pflanzrechten in der abgegrenzten Region des Douro, nämlich die Pflanzrechte mit Erlaubnis zum Aufspriten und die übrigen. Die Rechte zur Produktion von aufgespriteten Weinen sind begrenzt und für die nach ihrer Qualität in die Klassen A bis I unterteilten Rebflächen festgelegt. Nur die Pflanzrechte auf unter A bis F klassifizierten Flächen schließen die Erlaubnis zum Aufspriten ein. Diese Rechte haben den zehnfachen Preis der Rechte für die anderen Weine.

Über einen Weinberg in klassifizierter Region zu verfügen, reicht für die Erlaubnis zum Aufspriten nicht aus. Die Menge der Weine mit Erlaubnis zum Aufspriten wird jedes Jahr in Abhängigkeit von den Lagerbeständen und den Verkaufsaussichten neu festgelegt. Die Zuweisung der Volumina erfolgt nach einem Punktesystem. So gibt es außer den Pflanzrechten für Flächen, auf denen Weine mit Erlaubnis zum Aufspriten produziert werden dürfen, eine zweite Regulierungsebene, die von den Marktaussichten abhängt und die die Rentabilität einer Neupflanzung ungewiss macht. Beim Handel mit Pflanzrechten treten Zwischenhändler auf, die die Preise auf einem Markt beeinflussen, der wegen des ungleichen Informationsstands und der Unkenntnis der Funktion der Produktionsrechte für aufgespritete Weine wenig transparent ist.

Da die abgegrenzte Region des Douro bergig ist, sind systematisch Fehler bei der Vermessung aufgetreten, die insbesondere mit der Geschichte der Kataster und ihrer Verwaltung und mit der Schwierigkeit der genauen Vermessung der Flächen zusammenhängen. Aus der nationalen Reserve wurden in der Region Pflanzrechte zu einem Spottpreis von 300 €/ha verkauft, jedoch beschränkt auf Neugründungen durch junge Winzer und auf Projekte zum Erhalt alter Rebsorten.

Obwohl die Kammer der abgegrenzten Region des Douro die Kompetenz hat, das jährliche Wachstumspotenzial der bepflanzten Flächen zu regulieren, ist sie nicht unmittelbar eingeschritten, um die Zunahme der neuen Pflanzungen zu bremsen. Der aktuelle gesetzliche Rahmen hat weder die Realisierung von neuen Weinbauprojekten noch die Ausweitung der bestehenden Weinbaubetriebe, auch bei Rebflächen mit mehr als 50 ha, eingeschränkt.

In dieser Fallstudie ist die gleichzeitige Existenz von mehreren Mechanismen zur Angebotsregulierung markant und außerdem, dass sich die Kammer entschieden hat, nicht einzugreifen. Die Gründung von neuen Weingütern wird also nicht behindert, aber eine Ausweitung des Angebots kann Auswirkungen darauf haben, für welche Weine die Erlaubnis zum Aufspriten erteilt wird und so die Erzeuger bei stagnierender Nachfrage nach Portwein und Weinen mit regionaler Bezeichnung in Schwierigkeiten bringen.

0.4 Spanien

Spanien verfügt über eine nationale Reserve und über mehrere regionale Reserven von Pflanzrechten. Die Übertragung von Pflanzrechten zwischen autonomen Regionen ist gestattet. Aber die Übertragung von Rechten darf nicht zu einem signifikanten Ungleichgewicht in der Struktur der Weinanbaugebiete führen, und die jährliche Übertragung von Rechten zwischen den Regionen ist auf höchstens 0,4 % begrenzt.

Die detaillierte Untersuchung der verschiedenen Formen von Übertragungen zeigt ihre geringe Mobilität zwischen den einzelnen Regionen, denn diese Übertragungen sind durch spezifische regionale Gesetze für den Weinbau beschränkt. Darüber hinaus hat die Betrauung der Regionen mit Maßnahmen der europäischen Weinbaupolitik zu einer gewissen administrativen Schwerfälligkeit geführt.

Wir beobachten einen Rückgang des durchschnittlichen Preises der Pflanzrechte seit 2008. Mit den finanziellen Krisen auf internationaler Ebene und im Weinbau und in einem gewissen Maße mit der Aussicht auf die für 2016 vorgesehene Abschaffung dieser Regelung lässt sich diese bedeutende Änderung der Preise für Pflanzrechte erklären.

Bei Neugründungen von jungen Winzern und bei der Flurbereinigung haben die regionalen Reserven von Pflanzrechten einen wichtigen Beitrag geleistet. Ferner ist die qualitative Anpassung einer Herkunftsbezeichnung an die Markttendenzen weiterhin möglich, wie es der Fall Rioja bei Weißweinen zeigt.

0.5 Die französische Pflanzrechtregelung

Die französischen Bestimmungen wurden 1999 anlässlich der Reform der GMO für Wein an die jüngste signifikante Reform dieser Regelung auf europäischer Ebene angepasst, indem man das Instrument der Reserve einführte. Abgesehen von dem besonderen Fall von Rechten bei Neupflanzungen im Rahmen von Flurbereinigungen, von Versuchsflächen, der Produktion von Edelreisern und von Neugründungen durch junge Weinbauern können die Pflanzrechte bei Rodungen oder vorgezogener Pflanzung aus dem Betrieb stammen oder bei Kauf einer Rebfläche, einer privaten Übertragung oder einer Übertragung aus der Reserve externen Ursprungs sein. Generell sind sie kostenpflichtig, für die jungen Winzer jedoch gratis.

Es reicht nicht aus, über ein Pflanzrecht zu verfügen, um eine Rebfläche anzulegen. Die Pflanzung selbst muss auch genehmigt werden. Abgesehen von den Weinen ohne geographische Angabe wird das Produktionspotenzial bei den beiden anderen Kategorien (Weine mit geschützter geographischer Angabe und Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung) durch die Kammern kontrolliert. Diese legen eine jährliche Quote für jede Herkunftsbezeichnung fest, um eine Ausweitung des Angebots zu vermeiden, die nicht mit der Nachfrage auf dem Markt kompatibel ist. Schlichtungen und Harmonisierungen erfolgen auf nationaler Ebene. Die Quote wird proportional zu den eingegangenen Anträgen aufgeteilt. Hinzu kommt eine Begrenzung auf maximal 3 ha pro Person und Jahr in Weinanbaugebieten mit geschützter geographischer Angabe und auf 1 ha pro Person und Jahr für Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung. Diese quantitative Begrenzung wird gerade von Unternehmen kritisiert, die völlig neue Weinbauprojekte realisieren wollen.

Bei den Pflanzrechten wird deren vorrangige Funktion der Stabilisierung der Anbauflächen respektiert, was nicht gerade schwierig ist bei einer Rebfläche, die insgesamt um 11 % innerhalb von zehn Jahren zurückgeht. Wir beobachten ferner, dass die Qualität - unter dem Gesichtspunkt der Bezeichnungen und der Regionen betrachtet - ebenfalls zunimmt.

Die jungen Winzer sind privilegiert. Jede Region verwaltet ihre Quoten gemeinsam und passt die Entwicklung ihres Angebots entsprechend an. So hat laut den vorläufigen Angaben der jüngsten landwirtschaftlichen Gesamterhebung (2000-2010) die Region Champagne ihre Rebfläche innerhalb von zehn Jahren um 2.360 ha ausgeweitet, d.h. um 7,6 %, und das Elsass um 786 ha, d.h. um 5,1 %. Die Anbauflächen in den anderen Gebieten sind insgesamt rückläufig, jedoch in unterschiedlichen zeitlichen Rhythmen und verbunden mit signifikanten Restrukturierungen. Die Rechte werden „demokratisch“ durch die Zuweisung einer sehr niedrigen individuellen jährlichen Quote zugeteilt.

Die Preise für die Rechte sind ziemlich niedrig und sinken weiter. Sie sind relativ unabhängig von den Ursprungs- und Empfängerregionen, was einen realen Mehrwert für die Rebflächen darstellt, bei denen der Preis für Grund und Boden hoch ist. Mit dieser Ausrichtung wird „die Produktion“ begünstigt, und die individuellen Quoten verhindern große Neugründungen.

0.6 Betriebsgrößenabhängige Kostendegression

Eines der wichtigsten Argumente der Europäischen Kommission für die Abschaffung der Pflanzrechte bezieht sich darauf, dass dieser Mechanismus das Wachstum der Weinbaubetriebe behindern würde. Diese Beschränkung würde sie daran hindern, größenabhängige Kostenvorteile zu nutzen, und folglich wären sie weniger leistungsfähig als die Betriebe in der Neuen Welt.

Nachdem wir uns mit der Analyse der Daten aus dem Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen im Durchschnitt über drei Jahre (2005-2007) befasst haben, stellen wir fest, dass bei gleichbleibendem Verkaufspreis von Wein die Fläche nur einen sehr geringen Einfluss auf die Produktivität der Arbeit (Gesamteinkommen pro Einheit) hat und diese mit steigender Fläche seltsamerweise eher ab- als zunimmt.

Die Ausweitung der Fläche scheint keine Auswirkung auf die Produktivität der Arbeit zu haben. Man stellt zwar einen gewissen Anstieg des Familieneinkommens pro Kopf (nur bei hochpreisigen Weinen) fest, aber er ergibt sich nur aus der Beschäftigung von einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern und aus der Spanne zwischen deren Lohn und der Produktivität der Arbeit.

Im Weinbau wie in anderen landwirtschaftlichen Produktionszweigen gibt es Steigerungen bei der Produktivität der Arbeit: Je größer die Fläche ist, desto weniger Arbeitskraft wird pro Fläche eingesetzt. Die physische Produktivität der Arbeit steigt mit der Betriebsgröße an. Aber anders als in den anderen landwirtschaftlichen Produktionszweigen scheinen sich diese Steigerungen der physischen Produktivität der Arbeit im Weinbau so gut wie nicht in den Einkommen niederzuschlagen.

In Weinbaubetrieben mit Herkunftsbezeichnung scheint ein positiver Zusammenhang zwischen Fläche und Einkommen nur bei der kleinen Minderheit von Betrieben zu bestehen, die in Gebieten mit großem Renommee liegen (vor allem in der Champagne). Ferner scheinen die Unterschiede der Familieneinkommen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße eher mit der unterschiedlichen Entlohnung von Fremd- und Familienarbeitskräften zusammenzuhängen als mit größenabhängigen Kostendegressionen im eigentlichen Sinn. In Weinbaubetrieben ohne Herkunftsbezeichnung, die in Frankreich mittlerweile in der Minderheit sind, scheint der Zusammenhang zwischen Fläche und Einkommen nur wenig signifikanter zu sein, aber die Unterschiede bei den Einkommen, die sich daraus ergeben, sind so gering, dass auch in den großen Betrieben die Einkommen so bescheiden sind, wie es in dieser Art Weinbau verbreitet ist.

Vom Standpunkt der Pflanzrechte aus gesehen, würde sich deren Abschaffung im Wesentlichen im Preisrückgang niederschlagen, der mit dem Angebotsanstieg verbunden ist. Da der Preis viel stärker als die Betriebsgröße der bestimmende Faktor für das Einkommen ist, wird der erzielte Effekt genau entgegengesetzt zum gesetzten Ziel sein. Um auf die theoretischen Bezugspunkte zurückzukommen, scheint es offensichtlich, dass das wesentliche Phänomen im Weinbau nicht das Bestehen von größenabhängigen Kostendegressionen ist, sondern viel mehr das Bestehen einer Ökonomie der Vielfalt mit einer breiten Palette an Produkten zu deutlich differenzierten Preisen.

0.7 Das Wachstum der Betriebe

Der Umfang der europäischen Rebflächen ist über einen Zeitraum von zwanzig Jahren in etwa stabil (Portugal ausgenommen). Aber wir beobachten eine noch nie dagewesene Konzentration der Betriebe im Laufe der vergangenen zehn Jahre. Ihre Anzahl ist zurückgegangen, aber ihre Fläche ist größer geworden.

Es ist also angemessen, die Ansicht zu vertreten, dass die Existenz von Pflanzrechten bis heute und in den meisten Ländern nicht das Wachstum der durchschnittlichen Betriebsgröße behindert hat. Wenn sich außerdem die Einkommen der Weinbauern nicht so entwickelt haben wie gewünscht, ist es ungewiss, ob ein starkes Wachstum der durchschnittlichen Betriebsgröße, das sich aus der eventuellen Abschaffung dieser Rechte ergeben könnte, zu einem befriedigenderen Ergebnis führen würde.

0.8 Der Arbeitsmarkt und die Landschaften

0.8.1 Der Arbeitsmarkt

Der Rebstock ist eine Pflanze, die die Bevölkerung begünstigt. Ein durchschnittlicher Weinbaubetrieb in Frankreich umfasst 9,2 ha und beschäftigt 1,9 Personen in Vollzeit, d.h. eine Person für die Bewirtschaftung von 4,8 ha. 30 % der Arbeit wird von Arbeitnehmern ausgeführt. Die Regionen mit einer hochwertigen Produktion sind durch einen höheren Anteil von Arbeitnehmern gekennzeichnet. Die Anzahl der Arbeitnehmer hängt auch von der Betriebsorganisation ab, davon, ob der Winzer selbst keltert oder nicht, ob die Vermarktung im Fass oder in der Flasche erfolgt, also von seiner Wertschöpfung. Doch es scheint, dass die Probleme mit der Nachfolge hauptsächlich mit den Preisen für Grund und Boden zusammenhängen.

Zu den Arbeitsplätzen unmittelbar im Weinbau kommen die Arbeitsplätze in vorgelagerten (Ausstattung, Maschinen) und in nachgelagerten Bereichen (Kelterung, Ausbau). Auch die Arbeitsplätze, die durch Weintourismus, Forschung und Ausbildung entstehen, müssen berücksichtigt werden. Im Burgund wurde der Multiplikator auf einen Faktor von zehn geschätzt. Die Verlagerung von Rebflächen kann also eine sehr große Auswirkung auf die wirtschaftliche Aktivität haben.

0.8.2 Die Arbeitsplätze

Die Landschaft ist ein Wirtschaftsgut, denn sie deckt einen Bedarf, und sie ist knapp. Manche Landschaften sind besonders bemerkenswert, manche sind unersetzlich, wenn nicht einzigartig. Die Landschaften in Weinbaugebieten sind allgemein als die bemerkenswertesten Formen von Kulturlandschaften anerkannt. Zusammen mit den kulturellen Traditionen, die mit ihnen verbunden sind, kennzeichnen sie die Region.
Meist wird die Landschaft als ein lokales öffentliches Gut betrachtet. Mehrere politische Konzepte für die Entwicklung der Regionen präsentieren die Landschaft als Anziehungspunkt für Unternehmen und Touristen. In dieser Hinsicht ist das Weinbaumodell exemplarisch.

Bei den Weinen mit geographischer Angabe ist der regionale Bezug in großem Ausmaß für ihre Anerkennung verwendet worden und hat zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region beigetragen, indem Weinstraßen geschaffen wurden und so der Weintourismus entwickelt wurde. In sehr vielen Studien wird die wirtschaftliche Bedeutung dieser kollektiven Strukturierung betont. Es stellt sich jedoch die Frage nach der „ökonomischen Bewertung dieser Landschaft“, damit „optimale wirtschaftliche Entscheidungen“ getroffen werden. Es werden zahlreiche Methoden angewandt.

Diese Dimension des Problems ist bei der Diskussion über die Pflanzrechte wesentlich. Die Liberalisierung der Pflanzungen wird eine unmittelbare Auswirkung auf die Lokalisierung der Rebflächen haben. Die aufgegebenen Flächen werden Raum für Zersiedlung geben oder brach fallen, dann werden sie zuwachsen, und auf einem kleinen Teil von ihnen wird unkontrolliert Bauland erschlossen werden. Dieser negative externe Effekt der Weinbaupolitik ist schwierig abzuschätzen, und es gibt verschiedenste Methoden, die dafür ganz unterschiedliche Größenordnungen ermitteln.

Die Entwicklung des Weintourismus in den vom Weinbau geprägten Landschaften ist leichter zu quantifizieren. Sie lässt sich mit den Ausgaben der Besucher für die damit verbundenen Leistungen (Kauf von Wein, Unterkunft, Bewirtung und Reisen) bewerten. Das Risiko des allmählichen Verschwindens dieser positiven externen Effekte muss daher bei der Bewertung der Auswirkungen einer geänderten Wirtschaftspolitik in Fragen der Angebotsregulierung als fester Bestandteil berücksichtigt werden.

0.9 Schlussfolgerungen

Unsere Arbeit hat gezeigt, (1) dass die Betriebsgröße nicht automatisch größenabhängige Kostendegression und steigende Einkommen bedeutet (ausgehend von Angaben des Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen in Frankreich), (2) dass der Preis der Pflanzrechte die Kosten für die Neupflanzung von Rebflächen nicht signifikant erhöht, (3) dass eine Pflanzrechtregelung bei laxer Handhabung die Überproduktion nicht verhindert (Alentejo, Argentinien, Aquitanien, Loire-Tal), und zwar häufig mit negativen Kettenreaktionen auf die disziplinierten Regionen, (4) dass es das Fehlen einer Pflanzrechtregelung unseren Wettbewerbern in der Neuen Welt nicht ermöglicht hat, Marktungleichgewichte zu verhindern, (5) dass andere Länder derartige Regelungen abgeschafft haben, allerdings weil sie nicht in der Lage waren, für eine Einhaltung der Regelung zu sorgen, und andere Mechanismen zur Marktregulierung eingerichtet haben (Argentinien), (6) dass die Pflanzrechtregelung die Rebflächen nicht „erstarrt“ hat, sondern dass sie eine Übertragung der Pflanzrechte in die Regionen ermöglicht hat, bei denen die Absatzmärkte gute Aussichten boten (Frankreich, Italien, Alentejo). Es stehen jedoch noch Studien zu anderen europäischen Weinanbauregionen aus.

Wie das Beispiel Australien zeigt, wo die Klassifizierung der Weine nach Anbaugebieten erst beginnt, und das Beispiel Argentinien, wo nur ein Teil der Anbaugebiete reglementiert worden ist, muss dem Produktionspotenzial für alle Weinkategorien – ohne und mit geographischer Angabe – ein Rahmen gesetzt werden, nicht zuletzt weil die Reform der GMO für Wein von 2008 bei den Weinen ohne geographische Angabe die aufwertenden Angaben von Jahrgang und Rebsorte bewilligt hat und sie damit sichtbar auf das Niveau der Weine mit geographischer Angabe hebt, ohne dass sie dabei deren Qualitätskriterien entsprechen müssen.

Die Logik der Abschaffung der Pflanzrechte zwingt uns, unseren Blick auf die Standorte von zukünftigen Neupflanzungen im Vergleich zu den derzeitigen Rebflächen und deren Umgebung zu lenken, die wirtschaftliche, soziale und regionale Einheiten bilden. Werden diese Neugründungen unter Nutzung von bestehenden Anbauflächen (geographisch abgegrenzte, noch nicht bepflanzte Flächen) oder von anders landwirtschaftlich genutzten Flächen oder von noch zu erschließenden Flächen entstehen?

In jedem Fall wird das Vermögen an Umwelt und Landschaft in den Weinbauregionen davon unvermeidlich betroffen sein. Auch wenn die Ökonomen diese Auswirkung nicht beziffern können, können sie sicher sagen, dass eine Verlagerung zu den Ebenen hin erfolgen wird und auf Dauer den wirtschaftlich eben beginnenden Weintourismus und die Wettbewerbsfähigkeit der Rebflächen in Berggebieten und Steillagen beeinträchtigen wird - mit allen sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Umwelt.

Die Entwicklung des Weinbausektors in den letzten Jahrzehnten ist hauptsächlich gekennzeichnet durch eine eindeutige Tendenz zur Industrialisierung, die die Handelsunternehmen dazu bringt, selbst als Produzenten aufzutreten – eine Entwicklung, die in wesentlichem Umfang den Einsatz von Fremdkapital erfordert. Der finanzielle Druck durch die Krise zwingt die Unternehmen darüber hinaus dazu, schnell bedeutende Renditen zu realisieren. Daher rührt für sie die Notwendigkeit, große Volumina zu produzieren, die rasch vermarktet werden müssen.