Sind Negociants noch zeitgemäß?

28.02.2013 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) – Mit seinen jüngsten Kommentaren entfacht Philippe Magrez erneut eine schon lange währende Debatte um das traditionelle System des Weinhandels durch Negociants, das ebenso alt ist wie die Produktion von Wein in Bordeaux. Kritiker werfen den Negociants, die praktisch einen Puffer zwischen Erzeuger und dem Handel darstellen, die Trennung von Produzent und Verbraucher vor und auch, dass ihr System der Grund für den schwerfälligen Marktplatz Bordeaux sei.

 

„Zu viele Bordeaux Chateaux setzen auf Negociants und Prestige, was sie vom Konsumenten entrückt“, warnt Philippe Magrez, Sohn von Bernard Magrez, dem Gründer der Magrez Groupe, den man auch den „Mann mit den 40 Châteaux“ nennt. Und Philippe Magrez setzt noch einen drauf: „Ich bin mir nicht sicher, ob alle Negociants in 20 Jahren noch existieren. Das gleiche gilt für kleinere Châteaux, von denen viele nur überleben, weil es eine französische Bank namens Credit Agricole gibt.“

Mit dieser Kritik trifft Magrez ins Mark klassischer Strukturen des Handels in Bordeaux und greift ein über Jahrhunderte währendes Geschäftsmodel an - den Stand der Negociants. Und er kann noch nachlegen: „Viele Chateaux wissen nicht, wie die Weine zu verkaufen sind. Einige der familiengeführten Top-Châteaux sind durch Streitigkeiten gelähmt, bei anderen führt wiederum Uneinigkeit dazu, den Vertrieb komplett den Negociants zu überlassen.“ Mit der Feststellung: „Wenn ich ein Negociant wäre, dann wäre es nicht mein Problem, den Wein eines abhängigen Château zu pushen, sondern vielmehr mein Lager zu verkaufen“, bringt er seine Kritik auf den Punkt.

Die Strukturen des Marktes in Bordeaux bezeichnet Magrez als Anachronismus und nicht mehr im Einklang mit dem globalen Markt. „Bordeaux hat über 12.000 Produzenten, aufgeteilt in 57 Appellationen. Rund 70 Prozent der hier produzierten Weine werden von 400 Negociants am Platz verkauft.“, erklärt Philippe Magrez. „Sicher könnten einige der Grand Crus ihre Weine ohne Hilfe der Negociants absetzen, aber die meisten der Erzeuger wären nie in der Lage, die Weine zu Bordeaux-Preisen zu verkaufen, wenn nicht eine Heerschar an Negociants täglich versucht, diese Weine dem Handel anzubieten. Aber damit machen sie sich abhängig und die Weine werden zu Objekten der Spekulation. Ich erinnere nur an den Preisanstieg von 95 Prozent in 2005, der den Handel und die Verbraucher schockte.“

Auch Antoine Gimbert, Fachmann für Marketing bei Millésima, sieht das Modell Negociant eher problematisch: „Mit den starren Vertriebsstrukturen rangieren wir weit hinter dem Rioja, ja sogar das Languedoc ist moderner aufgestellt, was den Zugang zu den Weinen und die Klarheit der Information über den Wein betrifft. In Bordeaux haben wir noch eine Menge zu tun, auch wenn dies viele leugnen.“

Nicht nur Magrez sondern Ökonomen wie auch innovative Köpfe der französischen Weinindustrie sind längst davon überzeugt, dass die jüngere Generation der Weintrinker Bordeaux nicht verklärt, sondern vielmehr bereit ist, Weine aus der ganzen Welt zu konsumieren. „Die Produzenten im Bordelais müssen ihr Marketing modernisieren und verstärken, ansonsten verlieren sie unweigerlich am Markt“, meint Philippe Magrez.

Die Magrez-Gruppe, die zu den Big Playern der französischen Weinindustrie gehört und weltweit aktiv ist, intensiviert ihr Marketing nicht über die klassischen Negociants sondern seit langem je nach Vertriebsland über internationale Agenturen und reagiert somit flexibel und landesspezifisch auf die Anforderungen globaler Märkte. Erstaunlich ist, jedenfalls wenn man sich die Kritik von Philippe Magrez an den familiengeführten Châteaux vor Augen führt, dass die Margrez Groupe selbst, trotz ihrer Größe, ein familiengeführtes Unternehmen ist, wo zwei Generationen gemeinsam agieren.

„Viele sagen, dass eine Zusammenarbeit von Jung und Alt unmöglich ist, aber es ist so einfach, wenn die Positionen klar sind“, erklärt Philippe Magrez. „Mein Vater sagt: Ich mache die Regeln und du und deine Schwester macht den Job. Natürlich haben wir ab und an auch kleine Kämpfe, doch am Ende denken wir gemeinsam über den Markt und den Verbraucher nach.“