Teil-I: Wenn das rechte Ufer die Geschäftsmodelle des linken Ufers kopiert

19.09.2013 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Château Clarence Dillon, Eigner von Château Haut-Brion und Mission Haut-Brion, hat jüngst auch das Château L' Arrosée, ein Saint- Emilion Grand Cru Classé, erworben. Und schon in 2011 übernahm Clarence Dillon auch das Château Tertre Daugay, das an L' Arrosée angrenzt und benannte es um in Quintus.

 

Wenn ich mir nun die beiden Neuerwerbungen L' Arrosée und das ehemalige Tertre Daugay, jetzt Quintus, ansehe, so stehen sich die rustikalen Weine von Tertre Daugay und die delikate feine Struktur der Weine von L' Arrosée, denen wiederum die Kraft fehlt, gegenüber. Es stellt sich nun die Frage, ob die Weine des nicht qualifizierten Quintus in die Weine von Grand Cru Classé Château L' Arrosée übergehen werden?

Das Prinzip, direkt angrenzende Güter zu übernehmen, hat in Medoc schon Tradition und greift allmählich auch in die benachbarten AOC über. Dahinter steckt das Bestreben der Weinindustrie hier in Bordeaux sich gesund zu wirtschaften. Dieses Procedere bestätigt auch ganz offen Philippe Castéja, ein längjähriger Négociant in Bordeaux und Besitzer von Châteaux auf beiden Ufern (in Pomerol und Saint-Emillion sowie in Graves und in Pomerol).

Ein klares Beispiel belegt auch das Verschwinden der Grand Cru Classé von Château Bergat als es von den Eignern des Château Trottevieille übernommen wurde, weil man hier einen Zweitwein brauchte. Nun gibt es erst mal keinen Grund warum die Trauben von Château Bergat nicht für den Zweitwein von Château Trottevieille herhalten sollen. Aus meiner Sicht als Verkoster habe ich keine Zweifel, dass sich an der Qualität dadurch erst einmal nichts ändert.

Die jüngste Saint-Emillion Klassifizierung für 2012 ist gerade ein Jahr frei geschaltet, da zeigen sich schon die Unterschiede zwischen dem linken und rechten Ufer - nämlich der Fokus auf die Rebflächen einhergehend mit all dem Diskurs der Châteaux auf dem rechten gegenüber dem Augenmerk auf die Marken und kommerzielle Forderungen der Châteaux auf dem linken Ufer.

Als die neue Klassifikation letztes Jahr bekannt gemacht wurde, muss sich der kurz vorher verstorbene Michel Bécot im Grab umgedreht haben. Château Beauséjour Bécot hatte seinen Premier Grand Cru Classé Rang im Jahr 1986 für zehn Jahre verloren, erlangte diese Klassifikation aber in 1996 erneut, die dann in 2006 und in 2012 wiederholt bestätigt wurde. Der Verlust der Klassifikation in 1986 war darin begründet, da Michel Bécot sein 1979 zusätzlich erworbenes Château La Carte in die Produktion von Beauséjour-Bécot integrierte - was den Verantwortlichen der Klassifikation damals missfiel. Seine Kinder und Erben hatten es in der letzten Dekade viel einfacher bei der Integration von Château la Gomerie in die Produktion von Beauséjour-Bécot, was nun über 30 Jahre später kein Problem für die Klassifikation war.

Was für eine Umkehr der Betrachtung und Beurteilung. Es herrschen augenscheinlich heute andere Zeiten, ich meine andere wirtschaftliche Bedingungen. Und ich habe noch weitere Beispiele für akzeptierte Integrationen:

Das Premier Grand Cru Classé Château Magdelaine hat aufgehört zu existieren, sofort nachdem es vom Premier Grand Cru Classé Château Belair übernommen wurde. Gleiches Schicksal erlangte auch Grand Cru Classé Château Cadet Piola zugunsten seines Nachbarn Château Soutard, ebenfalls als Grand Gru Classé klassifiziert. Die genannten Châteaux Cadet Piola, das nun nicht mehr existiert und Soutard gehören der finanziell potenten Versicherungsgesellschaft La Mondiale.

Und Château Matras, ein weiteres Grand Cru Classé, wo die erstaunlich guten Cuvées Hermitage produziert wurden, wurde vom Premier Grand Cru Classé B Château Canon, absorbiert. Mit der Übernahme hat sich Château Canon merklich aufgewertet, was niemand bei den verantwortlichen der Klassifikation zu stören scheint. Und schließlich wurde Château Haut Corbin von Château Grand Corbin übernommen, beide Nachbarn und beide Grand Cru Classé klassifiziert.

Der gleiche Trend ist in Pomerol zu beobachten. Château L’Evangile übernahm kürzlich La Fleur de Gay. Und Château Le Pin bedauert, dass es den Verkauf von Château Guillot an den finanzkräftigen Negociant Jean-Pierre Moueix verpasst hat, vor allem auch deswegen, weil die Rebanlagen beider Güter nebeneinander liegen. Und letztlich bin ich mir nicht sicher, ob Château Guillot weiterhin existieren wird oder ob deren großartiges Terroir zukünftig andere Weine aus dem Pomerol zu Qualität verhelfen.