Mit mehr Weinwissen fordern Chinas Weintrinker mehr Qualität

10.04.2014 - arthur.wirtzfeld

CHINA (Peking) - Ich erinnere mich noch, als der Hongkong Wine Club und die International Wine Academy vor 25 Jahren gemeinsam ein Weinseminar in Guangzhou organisierten. Mir wurde aufgetragen, echte Trauben aufzutreiben und den Seminarteilnehmern zu erklären, wie Wein gemacht wird. Etwas später folgte der erste Weinboom in den 1990 Jahren, als der erste ausländische Rotwein in China eintraf, aber die aufkommende Leidenschaft war so flüchtig wie ein One-Night-Stand.

 

Dafür gab es viele Gründe. Einer davon war, dass den Konsumenten in China das Tannin und der saure Geschmack nicht vertraut waren. Ein weiter Grund war, dass die Importeure sich nicht um die Präsentation der Weine kümmerten. Diese wurden schlecht serviert und Weinliebhaber tranken oxidierte Weine. Und noch ein Grund waren skrupellose Händler, die einzig ihren finanziellen Vorteil im Fokus hatten und die Konsumenten mit dem Aussehen der Weine blendeten.

Damals in den Anfängen kostete ein einfacher Tafelwein einen Dollar. In China wurde dieser aber für mindestens zehn, ja bis zu 50 Dollar verkauft. Beim Kontakt mit ausländischen Exporteuren versuchten die Chinesen mindestens einen Container zu importieren. Der Kater-Effekt: In dieser Zeit stapelten sich die Container in den Zolllagern und die Handelslager quollen über von Weinflaschen. In dieser verrückten Phase blieben einige Container bis zu zehn Jahre unverkauft. Die chinesischen Importeure ließen diese zuweilen auch stehen, weil sie mit dem Inhalt der Flaschen betrogen worden waren.

Just zu dieser Zeit erschienen in China hergestellte Weine auf dem Markt und füllten das Vakuum. Die Weintrinker richteten fortan mehr und mehr ihren Fokus auf chinesische Marken. Deren Etiketten konnten sie lesen - deren Inhalt konnten sie trauen, vor allem, wenn der Wein aus dem Keller eines seriösen chinesischen Unternehmens kam. Einige der heute größten chinesischen Marken wurden zu dieser Zeit geboren. Leider konnten deren Erzeuger keine ausreichenden Weinmengen auf den Markt bringen, um die stetig steigende Nachfrage zu befriedigen.

Daraus entstand eine Notlösung. China importierte Weinsäfte in Tanks, um diese mit heimischen Säften zu vermischen. Damit konnten die großen chinesischen Abfüller den Geschmack der Weine fruchtiger gestalten. Aber egal, die vermischten Weine wurden dann als chinesische Weine deklariert und verkauft. Diese Praxis gibt es heute noch, wie eine offizielle Mitteilung des chinesischen Zolls noch Anfang 2014 bezüglich Bulk-Weinen dokumentiert. Ob das gut ist oder nicht sei mal dahin gestellt - heute hat sich eine neue Weingeneration der Verbraucher gebildet.

Der Wein gewinnt zunehmend mehr Anteile im Alltag. Der Lebensstil hat sich geändert. Viele Chinesen haben bei Auslandsreisen oder beim Studium in Europa oder den USA Weine aus verschiedenen Anbauzonen kennen gelernt. Sie haben bei Verkostungen verschiedene Geschmacksstile erfahren. Diese so aufgeklärten Weintrinker akzeptieren nicht mehr, was ihnen mittels Bulk-Weinen hergestellte chinesische Marken bieten - auch nicht in Anbetracht, dass die importierten Weine nur einen Bruchteil von dem kosten wozu sie dann verkauft werden.

Eine deutliche Änderung im Weinmarkt ist eingetreten nachdem China der World Trade Organization beigetreten ist. Danach sanken die Einfuhrzölle stetig. Ein weiterer Grund ist die wachsende Authentizität in der Flasche chinesischer Weine. Glücklicherweise wächst in China die Gruppe der Erzeuger, die die Rolle der Natur akzeptieren und ebenfalls die geografischen Besonderheiten beachten. Sie bekennen sich im Einklang dessen mit den traditionellen Methoden genau so, wie es ihre Winzerkollegen in den klassischen Weinländern auch getan haben. Und die Verbraucher erkennen und honorieren das.

Viele der neuen Kenntnisse haben die chinesischen Erzeuger von ihren Partnern aus den Weinländern wie Australien, Chile, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland gelernt. Die helfenden Winzer und Oenologen versetzen ihre chinesischen Partner in die Lage, gute Qualität in die Flasche zu bringen, sodass die heutigen Weine aus China bereits international Aufmerksamkeit erlangen und langsam anerkannt werden. Parallel ist die Lebensmittelsicherheit auch bei der Weinherstellung eine noch bestehende Sorge in China. Auch hier haben die ausländischen Partner ihre chinesischen Protagonisten dahin geführt, sich zertifizieren zu lassen. Eine sehr gute Entwicklung.

Heute bin ich nicht der einzige der glaubt, dass China nicht nur gute Weine produzieren kann, sondern es auch schaffen kann, Weltklasse-Weine herzustellen, wenn ein Weinjahr ideale Bedingungen schafft, die Weinberge richtig verwaltet und im Keller bestmöglich gearbeitet wird. Unter denen, die mir zustimmen ist Sergio Carlei, einer der renommiertesten australischen Winzer und häufiger Gast in den Weinbergen in Xinjiang.

Aktuell gibt es einen Preisverfall bei den importieren Weinen. Dies liegt einmal an der schieren Menge der importieren Weine und der gleichzeitig rückläufigen Nachfrage nach den Inlandsweinen aber auch daran, dass sich die Käuferschichten gewandelt haben. Wenn das anhalten sollte, dann wird es schwer für die chinesische Weinindustrie, weiterhin den nachhaltigen Weinbau aufzubauen. Es dauert Jahre, um sich eine gute Rebanlage zu erziehen und beste Trauben zu ernten, ganz zu schweigen von den Unbilden der Witterung. Eines ist klar - ohne gute Trauben wird es keine guten Weine geben. Wenn in China zukünftig nicht weiter intensiv an der Weinbereitung gearbeitet wird könnte dieses Versäumnis eine Chance für importierte Weine sein. Und wenn dem so sein wird, befürchte ich, dass chinesische Weine zwar nicht verschwinden werden aber sie könnten ihre Identität verlieren. Es könnte dann Jahre oder Jahrzehnte andauern, bis sich eine eingebrochene Weinindustrie erholt.

Die Hoffnung: Momentan widmet sich eine zwar kleine aber wachsende Gruppe chinesischer Winzer einer historischen Mission zur Aufrechterhaltung ihrer Integrität in der Weinbereitung und mit ihren sorgsam vinifizierten Weinen gegenüber dem heimischen Konsumenten. Dies führt zum "Diktum in vino Veritas". Dies muss unbedingt unterstützt werden.