Brexit verunsichert die Weinwelt

18.07.2016 - arthur.wirtzfeld

UK (London) - Was wird sein, fragte sich vor noch einigen Wochen der britische Weinhandel, wenn der Brexit Realität wird? Um einem möglichen Verlust abzuwenden, hatten die namhaften in England ansässigen Weinunternehmen sich vor Abstimmung noch mit Wein – vor allem aus der EU – eingedeckt. Nicht nur Weine aus Bordeaux, aus Burgund, aus der Toskana und aus dem Rioja wurden in der Endphase der Entscheidung eingekauft. Und dann kam das Unvermeidliche. Mit dem Brexit kam auch die Verunsicherung und die erwartete Abwertung des britischen Pfunds. Dabei befindet sich der Weinhandel in Großbritannien unter all den Branchen, die aktuell nicht wissen wohin die Reise geht. "Wir werden unser Weingeschäft wohl vorerst und in mittelfristiger Zukunft mit ausländischen Privatkunden machen müssen, denn den Briten fehlt nun das Geld für die hohen Qualitäten", kommentiert Max Lalondrelle, Direktor des renommierten in London ansässigen Weinhändlers Berry Brothers & Rudd, die momentane Lage.

 

Der Brexit hat Jubel unter den Befürwortern, Entsetzen in großen Teilen der Europäischen Union und Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst. Die Queen könnte über 100 Millionen Pfund verlieren, berichten Finanzmagazine. Nun, solche Verluste können gewisse Teile der Gesellschaft kompensieren, aber der Weinmarkt in Großbritannien – einer der wichtigsten für die Winzer Europas – kann dies nicht so einfach. Niemand weiss zu Zeit, was der Brexit langfristig zu bedeuten hat. Zumal die neue britische Premierministerin Theresa May, die eigentlich keine Befürworterin des Brexit war, nun direkt nach ihrem Amtsantritt den konsequenten Ausstieg aus der EU proklamiert hat. Witz am Rande: May ernannte ausgerechnet Boris Johnson, den glühendsten Befürworter des Brexit, zum Außenminister. Na dann, Santé! vor allem in Richtung Frankreich.

Im Jahr 2015 exportierte Frankreich 18,4 Millionen Kisten Wein aus den Regionen Champagne, Bordeaux, Burgund und Rhône im Wert von 1,2 Milliarden Euro nach Großbritannien. Diesen Markt möchte die französische Weinindustrie und weder der britische Weinhandel verlieren. "Wir fühlen uns im Moment hinsichtlich des Handels mit Großbritannien von diesem Markt abgeschnitten", kommentiert Allan Sichel, CEO der Maison Sichel und neuer Präsident der Handelsgruppe CIVB, den Brexit. Und Lalondrelle sagt dazu: "Mit dem geschwächten Pfund sind wir im Einkauf behindert – allerdings ist der britische Weinmarkt für Käufer aus Europa nun interessant. Denn die Lager bei uns sind voll und nirgendwo bekommen Weinliebhaber Top Weine aus Bordeaux, Burgund, Rhône und Champagne so günstig wie bei uns".

Wir glauben, dass Lalondrelle dies zu optimistisch sieht, eher sogar noch, dass er sich irrt. Denn nur auf kurze Sicht ist die Schwächung des britischen Pfund ein Vorteil. Denn wenn der britische Vorrat an den edlen Tropfen zur Neige geht, werden die Preise unweigerlich steigen, denn es braucht erhöhten finanziellen Einsatz, die Lager wieder zu füllen. "Das ist Business as usual", kommentiert Sichel und bestätigt unsere Meinung. Der CEO der CIVB und der britische Weinhandel sind sich in einem einig: der sogenannte 'Zusammenbruch' des britischen Pfunds ist nichts anderes als die schon gewohnten Schwankungen im Finanzmarkt. "Wir haben sehr ähnliche Schwankungen der Wechselkurse in 2008, 2009 und wiederum in 2014 durchlebt. Der Weinhandel ist an solche Wechselkurse gewöhnt", sagt Sichel.

Was bleibt, sind zwei Fragen: Die erste Frage bezieht sich auf den Zeitpunkt für den Ausstieg Großbritanniens aus der EU. "Wir müssen erst wissen wann und unter welchen geänderten Bedingungen sich der Ausstieg gestaltet", sagt Sichel. Und die zweite Frage konzentriert sich auf die zukünftigen Handelsabkommen mit Großbritannien. "Wir wissen noch nicht, welche Zölle dann gelten und ob es uns gelingt, Sonderregelungen zu verwirklichen", sagt Sichel. "Wir wollen zur Zeit nicht spekulieren. Warten wir ab, wie die neue Regierung Großbritanniens und die Europäische Union den Brexit gestalten, dann sehen wir weiter." Wir bleiben dran und berichten.