Alternativen sind noch nicht marktkonform

Plastikkrieg in der Getränkeindustrie

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 7. September 2018


ISRAEL (Tel Aviv) – Gerüchten zufolge habe der Getränkegigant PepsiCo schon vor Jahren SodaStream, den Hersteller von Trinkwassersprudler mit Hauptsitz bei Tel Aviv in Israel, mehrheitlich übernommen. Jetzt vermelden internationale Medien, dass «…die Übernahme durch PepsiCo für einen bemerkenswerten Preis von 3,2 Milliarden US-Dollar Ende August vollzogen wurde. Damit habe sich der US-amerikanische Getränke- und Lebensmittelkonzern mit Firmensitz in Purchase im Bundesstaat New York einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinem größten Konkurrenten Coca-Cola verschafft.» Dies mag ein unternehmerischer Vorteil sein, aber die Übernahme kann auch für PepsiCo problematisch werden.

Der Kampf gegen Plastikmüll

SodaStream kämpft schon seit jeher gegen Plastikmüll mit der immer gleichen Argumentation. Das Unternehmen propagiert, dass ihr nachfüllbares SodaStream-System «… verhindern würde, dass eine durchschnittliche Familie jährlich bis zu 3.700 Blechdosen und Plastikflaschen nutze und damit ein merklicher Abfallberg dieser Materialien reduziert werden könnte. Ausserdem trinke der SodaStream-Nutzer im Durchschnitt 43 Prozent mehr Wasser als Nicht-SodaStream-Nutzer …», ist in Werbeschriften von SodaStream zu lesen. Mit dieser Einstellung und Anspruch wird sich PepsiCo unweigerlich auseinandersetzen müssen, denn eines ist klar: immer mehr Verbraucher lehnen Blechdosen und in Plastik gefüllte Getränke ab.

Der globale Pro-Kopf-Verbrauch von abgefülltem Wasser mit Systemen wie dem von SodaStream in den Haushalten lag laut einer Analyse aus dem Jahr 2015 bei 31,6 Liter – etwa gleichauf gegenüber zuhause konsumierten kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken (CSDs = Carbonated Soft Drinks) mit 31 Litern. Die Differenz zwischen beiden Systemen hat sich seither merklich vergrössert, weil Verbraucher immer weniger zuckerhaltige Getränke konsumierten. Erste Analysen für das Jahr 2017 belegen weltweit, im Vergleich zur Analyse aus dem Jahre 2015, einen globalen Konsum mit abgefülltem Wasser pro Kopf von durchschnittlich 34,6 Litern im Gegensatz zu 29,9 Litern CSDs. Im Wall Street Journal ist dazu zu lesen, dass im Jahr 2017 allein in den USA das Wachstum des Konsums von abgefülltem Sprudelwasser 38 Prozent ausmachte, während CSDs nur ein Wachstum von sieben Prozent verzeichneten.

EU will Strohhalme verbieten

Dass weltweit das Umweltbewusstsein und einhergehend auch das Gesundheitsbewusstsein zunehmen, steht ausser Frage. Dies betrifft auch Zubehör, wie die bisher mehr oder weniger unbeachteten Plastikhalme zur Aufnahme von Getränken, die auf eine globale Krise zusteuern – gleiches gilt zukünftig auch für Einwegflaschen, egal ob aus Blech oder Plastik produziert. Zum Thema Trinkhalme hat sich im Mai diesen Jahres die EU gemeldet – sie will die Strohhalme verbieten. Der Hintergrund ist erschreckend. Allein in der EU werden jedes Jahr 36,4 Milliarden Einwegstrohhalme benutzt und weggeworfen, heisst es in einer Studie der Umweltschutzorganisation Seas at Risk. Nicht alle diese Strohhalme werden in der Müllentsorgung verbrannt. An den Stränden weltweit gehören zum häufigsten gefundenen Abfall Strohhalme, neben Zigarettenstummeln, Lebensmittelverpackungen und Plastikflaschen.

China reagiert mit Einfuhrverbot von recycelten Verpackungen

China hat, was Plastik anbelangt, eine radikale Verordnung erlassen – es gilt ein Verbot der Einfuhr von jeglichen Verpackungen, hergestellt aus Altplastik-Recycling. Diese Entscheidung eines der konsumintensivsten Ländern der Welt ist eine tickende Zeitbombe für die global agierende Getränkeindustrie, der zurzeit brauchbare Alternativen fehlen. Seit 1992 hat China laut National Geographic 45 Prozent der weltweiten Kunststoffabfälle absorbiert. Niemand ist sich sicher, wo wie viel von diesem Plastikmüll entsorgt wurde oder ist. Wie werden die Verbraucher reagieren, wenn sie herausfinden, dass Plastikmüll, von dem man glaubt, dass er recycelt wird, auf Deponien abgeladen wird, weil er nirgendwo anders hin kann? Gedanken an illegale Entsorgung auf Deponien in Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, sind nicht von der Hand zu weisen.

Alternativen sind noch nicht marktkonform

Auch deswegen und generell aus vielerlei Gründen sind Verbraucher am Do-it-yourself-Konzept interessiert, um Plastikmüll zu vermeiden, aber es gibt noch erhebliche Hindernisse in der Durchsetzung dieser Systeme. Beispielsweise kosten die Geräte von SodaStream zur Herstellung von Sprudelwasser im Durchschnitt rund 80 Dollar – etwa 80 mal mehr als ein Liter abgefülltes Wasser. Dazu kommt, dass Zusatz- oder Ersatzteile schon mal sechs bzw. 30 Dollar kosten. Diese sich so summierenden Kosten und der Starterpreis für dieses System liegen weit ausserhalb von Impulskäufen. Nun sollte dies für PepsiCo kein Problem darstellen. Reichweite und Ehrgeiz des Unternehmens werden dazu beitragen, dass sich die Wirtschaftlichkeit des SodaStream-Systems verbessert, um die übernommene Marke kosteneffizienter und attraktiver für die Verbraucher zu machen.

Chancen auf ein gesünderes Image

Die Möglichkeiten sind vielfältig, sofern PepsiCo sich gegenüber den Wünschen der Konsumenten und der globalen umweltbewussten Entwicklung öffnet. «SodaStream wäre sicher eine ideale Testplattform für PepsiCo, um Initiativen hinsichtlich neuartiger Süssstoffe oder massgeschneiderter Zuckermengen zu entwickeln oder mit Geschmackskonzentraten zu experimentieren. Und SodaStream kann PepsiCo eine relativ risikoarme Möglichkeit bieten, die Zukunft alternativer Behältnisse zu planen und einzuführen, ohne seine Kernmarken einem Risiko auszusetzen», heisst es im Wall Street Journal. 

Nicht nur PepsiCo realisiert mit der Übernahme von SodaStream einen Strategieschwenk. Aktuell will sich der Hauptkonkurrent Coca-Cola die britische Kaffeehauskette Costa einverleiben, wie Spiegel-Online berichtet. Der Kaufpreis soll 5,1 Milliarden US-Dollar betragen – es wäre der grösste Übernahmedeal in der Firmengeschichte von Coca-Cola. Costa betreibt weltweit annähernd 4000 Café-Läden und ist Marktführer in Grossbritannien. Verglichen mit den rund 28.000 Starbucks-Filialen eine eher kleine Kette, aber dennoch ein Anfang für Coca-Cola, sich ein gesünderes Image zu verleihen, was im Übrigen auch bei PepsiCo nicht anders ist.

PET-Flaschen in der Weinindustrie

Und wie verhält es sich mit PET-Flaschen in der Weinindustrie? Darüber habe ich bereits in den Jahren 2008 und 2011 berichtet. Unter den Titeln: "Plastik-Weine für den US-Markt – Beaujolais Nouveau umhüllt von Plastik" und "Wein in Plastikflaschen – französische Winzer überwinden ihren Stolz" ist nachzulesen, dass damals dieses Thema gerade die Weinnation Frankreich aufwühlte. Das Abfüllen von Wein in PET-Flaschen ist also nicht neu, dennoch wurde und wird in der Weinszene viel darüber diskutiert. In diesem Segment ist es nicht anders als in der Getränkeindustrie betreffend Erfrischungsgetränken und Wasser. Der Vorteil von PET-Flaschen ist beispielsweise die Sicherheit und ihr geringes Eigengewicht – nur ein Zehntel des Gewichts gegenüber eine Glasflasche bringt eine PET-Flasche auf die Waage. Dies rief die Fluggesellschaften auf den Plan, die erstmals den Einsatz erprobten und dann einführten, weil Gewicht und Kerosin eingespart werden konnten. Kritiker machen sich dennoch Sorgen wegen der Entsorgung von PET und Bag-in-Box Behältnissen.

Wie sieht es heute aus? Nun, jedenfalls in Deutschland dominiert die klassische Glasflasche. Hierzulande steht man den PET-Flaschen eher skeptisch gegenüber. In anderen Ländern gibt es offensichtlich weniger Vorbehalte. In Spanien ist das Weingut Matarromera Vorreiter im Abfüllen von Wein in PET-Flaschen und in Grossbritannien vertreibt die Supermarktkette Marks & Spencer seit 2012 Wein in 0,25 Liter-PET-Flaschen. In den USA sind Weine in 187-Milliliter-PET-Flaschen bereits akzeptiert und beliebt. In Südafrika hat die Welmoed Wine-Estate begonnen, einen Teil ihrer 750 ml-Flaschen sukzessive mit Bag-in-Box-Lösungen zu ersetzten und in Australien, Neuseeland wie auch in Skandinavien haben Bag-in-Box-Lösungen bereits 50 Prozent Marktanteil erreicht.

*PET-Flaschen werden aus Polyethylenterephthalat, ein durch Polykondensation hergestellter thermoplastischer Kunststoff aus der Familie der Polyester, mittels eines thermischen Verfahrens aus einer PET-Preform produziert. In der Getränkeindustrie werden PET-Flaschen seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland als Verpackungsmittel eingesetzt. In anderen Ländern sind PET-Flaschen schon wesentlich länger in Gebrauch.

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