Andrea Wirsching aus Iphofen

29.06.2013 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Iphofen) - Fast hundert Gäste waren im Innenhof des Weingutes Wirsching in Iphofen bei der „Nacht der Großen Gewächse“ versammelt. Zwei wichtige Männer im Haus, Betriebsleiter Dr. Uwe Matheus und der für den Verkauf verantwortliche Armin Huth, kamen bei ihren Wein-Kommentaren ohne Mikro aus. Aber am aufmerksamsten lauschten die Weinfreunde den sanften, ebenfalls ohne technische Hilfe gesprochenen Worten einer charmanten, energiegeladenen Frau, die man für Franken verloren geglaubt hatte: Andrea Wirsching.

 

Wer sich in der Weinszene auskennt, hatte sich schon lang daran gewöhnt, dass sie für das Weingut Schloss Saarstein auf Messen präsentierte. 1993 hatte die Iphöferin bei einer VDP-Schiffstour den damaligen Juniorchef Christian Ebert kennen gelernt, wechselte dann an die Saar und zog drei Töchter (15, 16, 17) fast groß. Die Jahre an der Saar waren für sie eine echte Zäsur. „Ich hatte eine etwas wilde Jugend- und Studienzeit und habe mir für Letzteres etwas viel Zeit gelassen“, lacht sie im Rückblick. „Aber mein Vater ertrug alles mit einer Engelsgeduld.“ Zumal sie sich dann doch in Weinbau und Betriebswirtschaft weiter bildete und ein für sie heute noch bemerkenswertes Praktikum im Schloss Wallhausen beim langjährigen VDP-Präsidenten Michael Prinz zu Salm-Salm absolvierte.

Dann fühlte sie sich 18 Jahre als Saar-Winzerin, doch als – heutzutage eine schon fast normale Entwicklung - die Ehe auseinander driftete, klopfte sie in Iphofen bei Vater Dr. Heinrich Wirsching an, ob für sie ein Plätzchen im elterlichen Weingut frei sei. „Ich war froh und glücklich, als das Ja-Wort kam“, erinnert sie sich. „Meine Familie hätte schließlich auch sagen können, man habe etliche Jahre um mich gekämpft, jetzt wolle man nichts mehr von mir wissen.“ Zumal es da mittlerweile die Halbschwester Lena gibt, die nach einem Weinwirtschaftsstudium noch einen Master im Family Business Management macht, um dann voll in das Weingut einzusteigen. Aber die beiden Damen haben sich trotz des unterschiedlichen Alters (Andrea, Jahrgang 1964, könnte durchaus die Mutter von Lena, Jahrgang 1989 sein) gut miteinander arrangiert und als Zeichen der Verbundenheit gerade erst einen gemeinsamen Wein aus Silvaner und Riesling aus der Spitzenlage Julius-Echter-Berg kreiert („Sister Act“).

2010 begann für Andrea Ebert allmählich die Loslösung von der Saar. Überraschend für viele Weinleute war anschließend, dass sie plötzlich wieder hinter dem Wirsching-Stand auf Weinmessen strahlte. Mittlerweile hat sie den Namen Ebert abgelegt und sorgt für frischen Wind im Steigerwald. Sie arbeitet in der Geschäftsleitung und kümmert sich vorwiegend um Marketing und Verkauf. Vater Heinrich, inzwischen ein fast jugendlich anmutender 80er, ist zwar im Alltagsgeschäft noch Chef des Hauses, aber froh für die zusätzliche Entlastung. Und für neue Ideen wie die Sister-Cuvée oder eine Veranstaltung wie die Nacht der Großen Gewächse, mit der Andrea Wirsching vor allem deutlich machen wollte, dass Silvaner und Riesling aus Toplagen ein sehr gutes Reifepotenzial haben. Besonders delikat präsentierten sich ein 2006er Iphöfer Kronsberg Riesling, ein 2002er Julius-Echter-Berg Silvaner und ein 2006er Silvaner aus der gleichen Flur.

Solche Veranstaltungen müsse man eigentlich häufiger machen, um die Wertigkeit der Großen Gewächse einem breiten Publikum bekannt zu machen, meinte sie während des Abends in Iphofen. Aber die Vorräte bei reiferen Weinen seien nicht sonderlich groß. Sie wolle jetzt dafür sorgen, dass mehr Flaschen zurück gelegt werden.

Längerfristig ist die Aufgabe eine größere: Gemeinsam mit Lena dafür sorgen, dass der renommierte 75-Hektar-Betrieb mit dem Gründungsjahr 1630 auch für die nächsten Generationen eine gute Basis hat. Die Ausgangssituation ist gut. Das Weingut Hans Wirsching (benannt nach dem langjährigen Motor des Hauses, der vor gut 90 Jahren in die Verantwortung kam) gilt als äußerst zuverlässige Adresse für gehobene Weinqualität – weshalb Silvaner, Riesling und die Spezialität Scheurebe oft bei offiziellen Anlässen in der Politik und bei Fürstenhäusern serviert werden. Vor einigen Monaten wurde aus den Niederlanden anlässlich der Krönung von Willem-Alexander ein „Koningswijn“ geordert. Ursprünglich sollte es ein preiswerter Tropfen sein. Aber Andrea Wirsching weigerte sich und wählte einen Riesling aus dem Julius-Echter-Berg aus, der rasant und rassig über die Zunge gleitet. „Entweder etwas richtig Gutes oder gar nichts“, lautete ihr Credo.

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