Modeexpertin landet in Kreta

05.08.2011 - R.KNOLL

GRIECHENLAND (Kreta) - In seiner Serie über ungewöhnliche Frauen, die sich in der Weinszene bewegen, aber keine Winzerin sind, kam Rudolf Knoll diesmal bis nach Kreta, wo er eine ausgebildete Damenschneiderin aus Deutschland entdeckte, die für ein junges Weingut den Export ankurbelt.

 

Über die Bewohner von Kreta behauptete der berühmte Autor und Schöpfer des „Alexis Sorbas“, Nikos Kazantzakis (1883-1957) einmal: „Es gibt drei Arten von Menschen: Solche, die Eier ohne Schale essen. Solche, die Eier mit Schale essen. Und solche, die sie mit Schale und Schüssel verspeisen. Die der dritten Art heißen Kreter.“ Kazantzakis musste es wissen, er wurde schließlich selbst auf dieser großen Insel geboren, die zwar zu Griechenland gehört, aber doch irgendwie ein Eigenleben entwickelte. Seine Beschreibung der Kreter deutet an, mit welchen Menschen sich die Deutsche Sue Zoi Schunk freiwillig seit einigen Monaten umgibt. Gastfreundlich sind sie allerdings auch. Und voll Vertrauen, dass es einer Deutschen gelingt, gute Weine außerhalb der Insel zu verkaufen. Die 44-Jährige, die neben Englisch gut Griechisch spricht, ist tätig für ein Weingut mit dem zungenbrecherischen Namen Zacharioudakis.

Der Betrieb wurde erst vor gut zehn Jahren von dem Journalistenehepaar Stelios Zacharioudakis und Victoria Tsipa gegründet. Er befindet sich nicht unmittelbar im Zentrum des kretischen Weinbaus, dessen bekannteste Regionen in der Nähe der Inselhauptstadt Heraklion liegen, sondern mehr im Süden der Insel in der Region Plouti. Damit ist auch Sue Schunk noch weiter von der derzeitigen griechischen Hektik, von Protesten und Streiks entfernt als es bei einem Engagement im Raum Heraklion der Fall wäre.

Als das griechische Paar seine ersten Reben auf rund 20 Hektar pflanzte (2003), war die Exportchefin noch weit weg und wirbelte in einer ganz anderen Branche. Die in Rheinhausen bei Duisburg Geborene machte die Ausbildung zur Damenschneiderin („das erlaubt mir heute noch ein kompetentes Urteil in Sachen Qualität“, meint sie), hatte dann gleich das Problem, dass bei ihren ersten Engagements die Firmen insolvent wurden. Da wechselte sie in die Möbelbranche, war hier auf dem aufsteigenden Ast und hatte dann doch das Gefühl, etwas Neues machen zu müssen. Nächste Station war die Mobilfunk-Branche. Zwischendrin hatte sie hier die Möglichkeit, ein Praktikum bei einer Partnerfirma auf Kreta zu machen – ein erster Kontakt mit der Insel. Dann folgten eine Agentur für Kommunikation und Software-Entwicklung als nächster Arbeitgeber und schließlich ein Comeback in der gelernten Branche bei einem Großhändler für Bekleidung mit Stammsitz in den Niederlanden. In einem Jahr erlernte Sue Schunk die holländische Sprache, um mit dem Mutterhaus besser kommunizieren zu können, war wieder erfolgreich, lernte Englisch und Griechisch, machte den Wirtschaftsfachwirt bei der IHK – und dachte plötzlich erneut: Es gibt keine Perspektiven mehr.

Sie erinnerte sich an schöne Monate auf Kreta, machte eine Zäsur und vollzog mit einem Umzug auf die Insel den kompletten Neuanfang. Zunächst stand Auszeit auf dem Programm, und Vertiefung der griechischen Sprache. Eher zufällig kam sie mit dem Weingut in Kontakt und bekam das Angebot als Verkaufsleiterin Export. Sie ist jetzt mit Elan im Weingeschäft tätig und betreut auch die zahlreichen Besucher aus dem Ausland, die gern das Weingut mit seiner modernen Architektur („ein Kunstwerk“, versichert Sue) besuchen und sich die Weine schmecken lassen. „Dabei hat man eine außergewöhnlich schöne Aussicht bis zum lybischen Meer“, versichert Frau Schunk.

Sie ist selbst begeistert von den Weinen, die in der Tat zu den besten von Kreta gehören, nur noch nicht den Bekanntheitsgrad der Platzhirsche Boutari (mit einer eigenen Kellerei auf der Insel vertreten) oder Mediterra (Creta Olympias) haben. Ihr Lieblingswein ist der enorm saftige Rosé von den Sorten Syrah und Kotsifali (eine autochthone Sorte). Beachtliche Weißweine werden von den Sorte Malvasia und Vilana (Kodix) sowie der außerhalb Kretas völlig unbekannten Sorte Vidiano gewonnen. Auch der rote Orthi Petra (so heißt der terrassierte Rebhügel) von Syrah und Kotsifali ist ein temperamentvoller Tropfen, der durchaus dem Naturell der Exportchefin entspricht.

Man darf vermuten, dass Sue Zoi Schunk hier einige Jahre verweilen wird, so begeistert erzählt sie von Land und Leuten. Aktuell hat sie unter anderem damit zu tun, Besucher beim Weintraubentreten anzuleiten. Die Domäne hat eigens dafür traditionelle, steinerne Kelterbecken gebaut. Vorbilder dafür findet man im Museum von Heraklion, in Knossos, der ausgegrabenen Stadt des Altertums sowie in Felsen gehauenen antiken Kelterbecken in der Nähe des Weingutes Zacharioudakis. Wissen sollte man in diesem Zusammenhang, dass Kreta die eigentliche Wiege der europäischen Weinkultur ist. Hier gab es schon vor 4000 Jahren Rebkultur, das griechische Festland folgte erst rund 1000 Jahre später.

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