Siebenbürgen: Verrücktes Weingut ohne Weingut

27.05.2016 - R.KNOLL

RUMÄNIEN (Siebenbürgen) - Der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis, der 14 Jahre lang Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu) war, wurde 2014 zum rumänischen Ministerpräsidenten gewählt. Seine Amtsführung wurde kürzlich vom SPIEGEL als dilettantisch kritisiert. Das wollen sich andere gebürtige Siebenbürger Sachsen, die ihr unternehmerisches Handwerk allerdings in Deutschland lernten und jetzt in ihrer alten Heimat ein Comeback starteten, nicht nachsagen lassen. Aber die Bezeichnung „verrückt“ für ein besonderes Weinprojekt können sie akzeptieren…

 

Im Herbst 2014 nahm Sascha Wolz, Kellermeister im Staatsweingut in Neustadt/Weinstraße, erstmals mit Erlaubnis seiner Dienstherren eine ungewöhnliche Fracht in Empfang, nämlich jede Menge handgelesener Trauben, die im Kühltransport in 13-kg-Kisten im rumänischen Siebenbürgen gestartet waren. In der Pfalz wurden Chardonnay, Riesling, Grauburgunder sowie die alte rumänische Aromasorte Königsast gekeltert und ausgebaut – zu durchaus beachtlichen Weinen. Die Strapaze des gut 1500 km langen Transportes über Ungarn und Österreich hatten die Beeren so gut überstanden, dass der Vorgang 2015 wiederholt werden konnte. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern, meint der Bremer Unternehmer Helmuth Gaber, der in Siebenbürgen 1963 das Licht der Welt erblickt hatte und sich 1974 mit seiner Familie aus der Heimat verabschiedete, damals im Zorn, weil die Siebenbürger Sachsen von den Kommunisten drangsaliert wurden und ihr Grundbesitz enteignet worden war.

Seit einigen Jahren sind Gaber und sein Vater Heinrich (80) wieder dort tätig, wo sie einst sesshaft waren und wo ihre Vorfahren schon jahrhundertelang gelebt hatten und weinbauliche Akzente setzten. Urkundlich ist der Weinbau seit 1206 in Siebenbürgen nachgewiesen. Deutsche Siedler hatten das Gebiet einst erschlossen. Der ungarische König Géza II. war ihr Schirmherr und sicherte ihnen besondere Rechte zu. Den Siedlern wurden Land und Höfe zugeteilt. Sie konnten Dörfer gründen und handelten bald mit Wein, der hier vom Klima begünstigt wurde. Etwa 350 000 Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen hatten sich schließlich  in „terra regis“ (Königsboden) niedergelassen. 

Welche Bedeutung der Wein einst hatte, wird deutlich durch das Stadtwappen von Mediasch, heute eine 44 000-Einwohnerkommune in der Nähe von Hermannstadt: es zeigt eine befruchtete Weinrebe. Der Wein fand sogar Erwähnung in Bram Stokers „Dracula“. Der Held Jonathan Harker, der den Vampir schließlich vernichten konnte, notierte in seinem Tagebuch „Golden Mediasch Wine“. 

Die Siebenbürger Sachsen durchlebten in ihrer langen Geschichte nicht nur goldene Zeiten. Kriege, Brandschatzungen, die Pest, später die Reblaus und schließlich der Zweite Weltkrieg machten ihnen zu schaffen. Aber im Kommunismus hatten sie dann überhaupt nichts mehr zu melden. Heinrich Gaber war ein typisches Beispiel dafür. Er sollte eigentlich studieren, aber weil die Familie als Großgrundbesitzer eingestuft war, wurde ihm diese Ausbildung von oben herab verwehrt. So machte er eine Ausbildung als Maurer, stieg später zum Bauleiter auf und baute dabei sogar an einer Wein-Zentralkellerei mit. 1969 durfte er nach Deutschland reisen, um seinen nach Kanada ausgewanderten Vater zu treffen. Der gab ihm den Rat, dem Kommunismus den Rücken zu kehren. 1972 tat er das, die Familie – freigekauft von der Bundesregierung – folgte zwei Jahre später nach. Gaber wurde durch verwandtschaftliche Beziehungen Betriebshandwerker beim Staatsweingut Kloster Eberbach im Rheingau, wo damals der in Mediasch geborene Dr. Hans Ambrosi Direktor war. Unter dessen gewissermaßen siebenburgisch-sächsischen Leitung war Gaber bis zur Rente Staatsdiener.

Sein Sohn Helmuth wollte eigentlich Medizin studieren, wandte sich dann aber der Betriebswirtschaft zu und ist seit etlichen Jahren spezialisiert auf die Sanierung kommerzieller Freizeitbetriebe. Eine Eissporthalle in Kassel, der Holiday Park in Hassloch und die Oase im Bremer Weserpark standen schon auf seiner Kundenliste. Vor zehn Jahren, als sein Vater 70 geworden war, reisten die beiden mit Bruder Heinrich  in die einstige Heimat. Der Senior meinte auf den nicht mehr bewirtschafteten Anhöhen von Bogeschdorf (Bagaciu): „Ich will das wiederhaben. Das gehört uns.“ Die Söhne wollten ihn zunächst bremsen, aber dann entschloss sich Helmuth zur speziellen Sanierung. So nach und nach sprach sich herum, dass da ein alter Siebenbürger Sachse Land erwerben wollte. Inzwischen gehören den Gabers 200 Hektar alte Weinberglagen und Ackerflächen. 18 Hektar Reben sind mittlerweile gepflanzt. 

Vor Ort hat man einen guten Betreuer für die Fläche. Weinfachmann Dr. Karl Müller aus Veitshöchheim (2015 verstorben), geboren in Rumänien, war über einige Jahre hinweg ein wichtiger Berater und stellte schließlich den Kontakt zum Staatsgut in Neustadt/Weinstraße her. Er empfahl auch die Bezeichnung „Terra Regis“ für das Weingut ohne Weingut. „Vorläufig kommt für uns ein Ausbau in Rumänien noch nicht infrage“, meinte Helmuth Gaber. „Es fehlt zu  viel an Infrastruktur zum Beispiel bei Labors. In Neustadt kann das Potenzial des Lesegutes bestmöglich entfaltet werden. In einigen Jahren wollen wir dann eine Kellerei in Siebenbürgen bauen und hoffen, dass uns dann Sascha Wolz dabei erhalten bleibt.“ Die Weine werden teilweise in Deutschland per Internet-Shop (www.terraregis.de) zu sehr akzeptablen Preisen vermarktet.

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