Kulinarik

Weinvariationen zu: Risotto!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug, Rob Wicks / unsplash.com

Einerseits: eine der einfachsten Zubereitungen überhaupt – doch andererseits… Wie so häufig bei ganz schlichten Dingen kommt es beim Risotto aufs Detail an. Zugleich cremig und körnig soll er sein, keinesfalls pampig, der Reis nicht zu hart und alles zusammen noch leicht fliessend. Und dann: Wein!

Wem der Alpenraum nicht Urlaubsziel, sondern kulturelle Heimat ist, der findet gar nichts dabei: ein bisschen Zwiebel in Öl oder Butter dünsten, Reis dazu, mit Weisswein ablöschen, nach und nach heisse Brühe zugiessen und rühren, rühren, rühren. Schliesslich noch Käse und Butter, den Deckel darauf, ein paar Minuten ruhen lassen, e ecco lo servito! Wir anderen tun uns schwer, sehen jede Menge Probleme.

Wir grübeln über Reissorten – rund sollen sie sein, aber dann wieder möglichst langkörnig, also superfino, die ihre Stärke nur langsam abgeben – Vialone, Carnaroli (der länger braucht, aber weniger leicht anbrennt) oder eher weichkochender Arborio. Wir diskutieren über die Bedeutung des Anröstens, la tostatura – für mehr Geschmack, natürlich, aber auch um die Stärke im Reis zu versiegeln –, und das fortwährende Rühren, damit sie sich dann doch langsam aus den Körnern löst. Wir wissen, dass die Brühe heiss sein muss, damit alles gleichmässig gart, und die Ruhezeit vor dem Servieren wichtig ist. Richtig prekär wird es, wenn ein Nordlicht sich die unbedarfte Bemerkung erlaubt, er oder sie habe durchaus schon gutes Risotto ohne ständiges Rühren produziert, und italienischen Freunden seien gebratene Reste am nächsten Tag sowieso noch lieber als das Risotto an sich. Letzteres: stimmt. Ersteres: bringt Mammas, Nonnas und profunde Italienkenner gleichermassen zuverlässig auf die Barrikaden.

Spätestens in diesem heiklen Moment sollte zur Überbrückung kultureller Klüfte die erste Flasche Wein geöffnet werden. Die brauchen wir sowieso für den Reis, weiss, trocken, nicht übermässig aromatisch: Soave, aufgrund von soliden Literqualitäten oft geschmäht und doch so zuverlässig, etwa von La Cappuccina, erfreut uns im und zu beinahe jeder Art von Risotto. Denn bei all dem Aufgezählten haben wir uns schliesslich erst mit der Grundtechnik beschäftigt, risotto al bianco. Der goldgelbe Klassiker aus Mailand verlangt nach Safran und Rindermark (und nach Ansicht mancher Traditionalisten nach rotem statt weissem Wein, sowohl in der Küche als auch bei Tisch, etwa einen gereiften Valpolicella von Tedeschi). 

Alles und jedes lässt sich zu und im Risotto verarbeiten.
Aber besonders im Veneto, wo es aufgrund der mittelalterlichen Handelsbeziehungen zum Fernen Osten, als Reis noch ebenso wertvoll war wie exotische Gewürze, eine besonders innige Beziehung zu den weissen Körnern gibt, lässt sich alles und jedes zu und im Risotto verarbeiten. Wer beim Rotwein bleiben möchte, kocht Risotto mit Pilzen. Das können selbstverständlich Trüffel sein (vorher den Reis damit in einem Glas aromatisieren), aber beinahe ebenso aromatisch auch getrocknete Steinpilze. In beiden Fällen ist der Griff zu (wiederum hoffentlich gereiftem – die cremige Risotto-Textur verträgt sich damit so viel besser) Valtellina angeraten, dem feinziselierten Berg-Nebbiolo aus der Lombardei, im Idealfall von Nino Negri oder Ar Pe Pe (wenn Sie dann noch ein paar Lammnieren kurz anbraten, steht dem festlichen Schwelgen wirklich nichts mehr im Wege). Grünes Gemüse wie Zucchini oder grüner Spargel hingegen möchte weiss begleitet werden. Es bleibt dabei durch die Stärke bissfest, selbst wenn es von Anfang an mit dem Reis mitkocht, und sorgt für beschwingte Frühlingsfrische: schnell sardischen Vermentino von Argiolas kaltstellen! Der passt auch, wenn Artischocken (unbedingt kleine, zarte!) im Risotto kochen (mit einem Hauch Knoblauch und Petersilie). Oder natürlich Pecorino, der alte, neu entdeckte Weisswein der Marken und Abruzzen, feinduftig wie von Cerulli Spinozzi aus den Colli Aprutini. Der gibt auch beste bella figura zu sämtlichen Risotto-Variationen mit Fischigem und Meeresgetier ab… doch halt, apropos Pecorino – wir müssen über Käse reden! 

Kein Problem, sagen Sie, Parmesan gehört ans Risotto, frisch gerieben, nicht zu jung, nicht zu wenig. Stimmt durchaus, aber nicht grundsätzlich, wäre (siehe oben) viel zu einfach. Wenn das Meer ins Spiel kommt, ist Käse aus italienischer Sicht grundsätzlich kontraindiziert. Bei vielem anderen hingegen sind der kreativen Fantasie nur wenig Grenzen gesetzt. Probieren Sie Castelmagno im Kürbisrisotto (wie bereits an dieser Stelle wärmstens empfohlen), experimentieren Sie mit allen Arten und Altersstufen von Pecorino, etwa jungem dolce mit grünen Erbsen – mit schwarzem Pfeffer abschmecken! Oder, noch ungewöhnlicher, kombinieren Sie dicke Bohnen mit reichlich Gorgonzola dolce, jungem, weichem Blauschimmelkäse. Das sprengt dann wahrscheinlich alle klassischen Definitionen, schmeckt aber zum Hinschmelzen gut und lässt uns über italienische Traditionsgrenzen hinaus jenseits der Alpen zu dem ebenso ungewöhnlichen Silvaner von Udo Lützkendorf aus Saale-Unstrut greifen. Risotto-Kochen ist wie passende Weine finden: Wenn man sich mal traut, ist es eigentlich ganz einfach. 

Hidden Bench Pinot Noir: Der Fruchtfeine – verleiht dem Risotto kontinentübergreifend Eleganz.

Pinot Noir 2015
Hidden Bench 
Beamsville Bench, Ontario (CAN)

13 Vol.-% | 2018 bis 2025

Beamsville Bench ist einer der Hänge am südwestlichen Ufer von Lake Ontario westlich von Toronto. Harald Thiel, dessen Vater aus Königswinter bei Köln stammt, erzeugt hier seit 2003 vor allem Pinot Noir, Chardonnay und Riesling. Naturvergoren, unfiltriert, ungeschönt: der 2015er jetzt ganz ausgewogen in Kirschfrucht und Kakaobohnenherbheit, transparent, sehr überzeugend.

Hasenhalde Räuschling: Der Vergnügte – neckt, lockt, schmeichelt.

Räuschling Meilen 2016
Weingut Hasenhalde, Marcus Schneider
Feldmeilen, Zürichsee (CH)

11,6 Vol.-% | 2018 bis 2019

Der Räuschling (dessen Name aufs Rauschen des Windes im dichten Laubwerk zurückgeht!) wurde im Mittelalter im gesamten Rheintal angebaut. Duft und Aroma erinnern beschwingt an Limetten, die Säure ist zart und vergnügt: Es handelt sich um einen Traminer-Verwandten, der heute (leider) beinahe ausschliesslich am Zürichsee zu finden ist.

Condrieu DePoncins: Der Kraftvolle – als habe man ein grosses Stück Steinbutt zum Reis gelegt. 

Condrieu DePoncins 2013
François Villard
Saint-Michel sur Rhône (F)

13,5 Vol.-% | 2018 bis 2023

Koch und Weinliebhaber studiert Sommellerie und baut sich in den besten Lagen des nördlichen Rhônetals innerhalb kurzer Zeit ein Weingut auf: voilà, François Villard. Arbeitet intensiv in und mit den steilen Hängen und zeigt, was Viognier hier an Mineralität, Konzentration, Frische und Lebendigkeit hervorbringen kann. Verdient Hingabe und Zeit.