Kochen und Essen zu Weinen aus Graubünden

Graubünden: Salsiz, Capuns, Spargel...und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: gettyimages / instamatics

Blauburgunder – ja natürlich. Doch vor lauter Rotweinbegeisterung wird hier im föhngefegten Churer Rheintal meist und völlig zu Unrecht der Weisswein übersehen. Was eigentlich und besonders zur Spargelzeit ein unverzeihlicher Fehler ist.

Graubünden, das ist viel Landschaft, vor allem viel bergige Landschaft, in der die relativ wenigen Menschen beinahe eine Nebenrolle spielen und gegenüber der mächtigen Natur mit der Zeit eine nahezu bescheidene Demut entwickelt haben, wie sie bei Bergbauern häufig zu beobachten ist. All die Gebirgshänge, die Täler und Seen, teils schon seit der mittleren Steinzeit besiedelt, bilden eine Fülle an unterschiedlichen Lebenssituationen und damit den Ursprung einer beeindruckenden kulturellen Vielfalt. So sind es heute etwa drei Amtssprachen, die einen weiten Bogen von Nord nach Süd über die Alpen schlagen, doch Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch teilen sich ihrerseits in unzählige regionale und lokale Idiome auf.
Denn trotz Gipfeln und Steilhängen, Wind und Schnee, Abgelegenheit und langen Wegen lockte diese Landschaft die Menschen an, mit bedeutenden Vorkommen von Kupfererz und Passagen über die Alpen, was Handel und Austausch von Waren und Wissen ermöglichte, lange bevor die Römer nach Norden vorstiessen. Auf die Dauer leben lässt es sich hier dennoch nur mit Ausdauer, Beharrlichkeit und einem grossen Mass an Anpassungsfähigkeit und innerer Unabhängigkeit. Nicht einmal zwei Prozent des ausgedehnten Kantons (dem flächenmässig grössten der Schweiz) lassen sich landwirtschaftlich nutzen – historisch hat hier jeder kleine Flecken Acker neben den vielen Wäldern und Weiden immer viel bedeutet.

«Mit Eleganz und feiner Säure statt Alkohol und viel Holz sind die Weissweine heute vielseitige Essensbegleiter.»

Georg Fromm, Winzer, Malans

In diesem Kontext nimmt auch der Wein eine ganz besondere Rolle ein. Er dehnte sich von hier erfolgreich in den Norden der Schweiz aus. Im Rheintal überlebten Reben, Bauern und Adelsgüter nicht nur die Bündner Wirren während des Dreissigjährigen Krieges, sondern profitierten auch vom Wissen all derer, die aus allen Himmelsrichtungen hier durch- und einzogen. Echter und Falscher Mehltau sowie die Reblaus waren wie auch im restlichen Europa eher unerwünschte Neuankömmlinge, vor allem in Verbindung mit einer Kälteperiode gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Doch allen Widrigkeiten und Zerreissproben zum Trotz fand und findet man immer wieder zusammen, nutzt das über Jahrtausende akkumulierte Wissen ums Überleben in dieser extremen Landschaft.
Ab Mitte des letzten Jahrhunderts begannen die Weinbauern dann allmählich, nicht nur «einfach Wein» zu machen, sondern die ganz besonderen Eigenschaften dieser Landschaft in ganz besondere Weine zu übersetzen. Sie blickten weit über die Gipfelränder, verglichen sich mit anderen, imitierten sie wohl auch gelegentlich, um schliesslich doch zu erkennen, dass es sich nur mit der Natur wirklich gut leben und trinken lässt. Trinken Sie mit.

Geschichte zur (Wein-)Region: Rot und Weiss

42 Rebsorten werden in Graubünden angebaut, allen voran der Blauburgunder, der auf den kalkreichen Böden besonders gut gedeiht, so dass häufig vom «Burgund der Schweiz» die Rede ist. Doch das war nicht immer so: Seit römischen Zeiten, später vor allem von der Kirche gefördert, wurden an den steilen Hängen vor allem Weissweine produziert, neben dem allgegenwärtigen und alltagstauglichen Elbling auch der bis heute rare, wahrscheinlich aus Italien eingeführte, anspruchsvolle Completer. Erst durch den Dreissigjährigen Krieg kam der Blauburgunder aus dem Burgund ins Churer Rheintal. Heute sind 75 Prozent der Weine rot, und die meist angebaute weisse Sorte ist der Riesling-Silvaner.



Klassische Mariage: Churer Fleischtorte

Eine runde Wähe beziehungsweise Pastete aus Mürbeteig, deren Hackfleischfüllung– Rind und Schwein gemischt, mit Salametti oder ohne – sich beliebig variieren und grossartig vorbereiten lässt.

Ihre örtliche Zuordnung ist vielleicht der Gourmandise der Churer Bischöfe geschuldet, die dazu zweifellos Wein tranken, und sicher nicht den einfachsten. Hier und heute passt Chardonnay ganz hervorragend. Er macht aus buttrigem Teig und schmackiger Fülle einen feinen Snack. Mit der herben Frucht von nicht zu holzlastigem Blauburgunder wird aus der Torte eine ganze Mahlzeit. Completer hingegen verleiht ihr mit Säure und Fülle eine neue Dimension.

Chardonnay macht aus der Torte einen feinen Snack

Blauburgunder ergänzt sie zu einer kompletten Mahlzeit

Completer verleiht ihr mit Säure und Fülle eine neue Dimension

Neue Mariage: Tempura

Tempura, die luftig-leichte japanische Art, vor allem Gemüse und Meeresfrüchte in einem hauchdünnen Teig sehr schnell zu frittieren, eignet sich ganz hervorragend als Weinbegleiter.

Erste Wahl unter den Bündner Weinen ist hier Sauvignon Blanc, dessen Fruchtaromen und Lebendigkeit jegliche begleitende Dips ersetzen. Grauburgunder hingegen hält sich eher vornehm im Hintergrund, bringt aber dafür Schmelz und Mineralik ins Spiel. Ganz anders, vielleicht eher ungewohnt, aber sehr elegant, ist Schaumwein als Blanc de Noirs aus Bündner Blauburgunder, besonders zu Meeresfrüchte-Tempura.

Sauvignon Blanc ersetzt mit Frucht und Lebendigkeit jegliche Dips

Grauburgunder hält sich mit Schmelz und Mineralik vornehm im Hintergrund

Blanc-de-Noirs-Schaumwein ist besonders elegant zu Meeresfrüchte-Tempura

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren