Traditionsreiches Schillern im Glas

Dem Schilcher auf den Schlichen

Text: Matthias Mangold, Foto: ÖWM/Anna Stoecher

Regionale Traditionen sollte man am Leben erhalten, auch wenn Aussenstehende kaum nachvollziehen können, warum. Vielleicht ja gerade sogar deshalb. 

Ganz genau so ist das in der Steiermark, hier ist man äusserst stolz auf den «Schilcher», einen Wein, der seinen Namen der Tatsache verdankt, dass er im Glase so schön schillert. «Schilchen» oder auch «schillern» ist eine alte Bezeichnung für eine zwischen Rot und Weiss spielende Farbe. Im Grunde ist das nichts Aussergewöhnliches und auch in manch anderen Anbaugebieten zu finden, doch während bei vielen Varianten mehrere Rebsorten im Verschnitt erlaubt sind, teilweise sogar schon im Weinberg gemischt stehen und es daher auch kein wirklich einheitliches Geschmacksbild gibt, sieht es in Österreich schon ganz anders aus: Hier ist als Rebsorte der Blaue Wildbacher vorgeschrieben, also nix mit gemischtem Satz oder Cuvée. Die Weine dieser Sorte sehen zwar aus wie ein Rosé, doch handelt es sich tatsächlich um eine Rotweinsorte. Und die soll es bei den Steirern schon zu keltischen Zeiten gegeben haben, was uns aus dem Stand locker 2500 Jahre in die Vergangenheit zurückwirft. Böse Zungen behaupten, seit damals habe sich auch geschmacklich keine Wendung zum Positiven ergeben, was Liebhaber dieses Weines selbstverständlich brüsk zurückweisen.

Immerhin besteht seit 1976 in der Weststeiermark, der Hauptanbauregion, ein Gebietsschutz, der besagt, dass Schilcher nur von hier kommen darf. Die Bezeichnung Weststeiermark DAC auf den Etiketten vermitteln dem Konsumenten die Gewähr der kontrollierten Qualität. Und der Wein erfreut sichdurchaus einer grossen und sogar wachsenden Beliebtheit, denn die Sorte hat sich von 135 Hektar im Jahr 1960 auf inzwischen deutlich mehr als 600 Hektar ausgedehnt.

Die Wirkung des Schilchers wird oft unterschätzt.

Allgemein verständigen kann man sich vielleicht darauf, dass der Schilcher auf der festlichen Tafel zum feinen Menü womöglich doch ein wenig fehl am Platz ist. Sein Charakter ist eher als würzig und robust zu bezeichnen, bäuerlich-rustikal trifft es vermutlich noch besser. Kennzeichnend ist eine ausgesprochen hoher Säuregehalt, der ihm eine Art gewöhnungsbedürftiger Frische mitgibt. Was dazu führen kann, die Wirkung des Weines zu unterschätzen. Selbst wohlmeinende Kenner, wie beispielsweise ein österreichischer Weinakademiker, geben zu, dass der Wein «stark und heimtückisch» sei. Der Blick auf die Beinamen des Schilcher geht eindeutig in diese Richtung, denn da ist von «Rabiatperle» (er würde aggressiv machen), «Hemdenspreizer» (wegen der Säure) oder «Heckenklescher» die Rede. Bei Letzterem nimmt man Bezug auf den Umstand, dass der nichtsahnende Zecher nach ein paar Gläsern und anschliessendem Austreten nicht selten in die Hecke fiel, um dort seinen Rausch auszuschlafen.

Hervorheben sollte man freilich die Wandlungsfähigkeit oder auch multifunktionale Einsatzfähigkeit des Blauen Wildbacher. Neben der Grundart, Stillweine aus seinen Trauben keltern, ist er natürlich prädestiniert für die Sektproduktion, eben wegen der hohen Säure. Der Anbau der Trauben ist allerdings nicht ganz ohne. Spätfröste, Verrieselung und die Neigung zu Pilzkrankheiten gestalten die Erträge eher unsicher, besonders auch die relativ späte Traubenreife dürfte ein Indikator sein, Sektgrundweinen den Vorzug zu geben vor dem Ausbau von Schilcher-Stillweinen.

Der knackige Wesenszug der Weine zieht noch eine etwas dünnere, aber erfrischende Spielart mit sich, nämlich die vor Ort sehr geschätzte Schilchermischung, was nichts anderes als eine kräftige Schorle ist. Weinreisende können diese Rebsorte auf der Schilcherweinstraße, einer touristischen Weinroute, genussvoll kennenlernen. Sie zieht sich von Ligist im Norden bis Eibiswald im Süden und wartet auf mit vielen Möglichkeiten zur Einkehr. Und dann wird einem mit Sicherheit – insbesondere im Herbst – die vierte Variante des Schilchers begegnen: der Schilchersturm. Dabei handelt es sich um den noch in Gärung befindlichen Most, also neuen Wein, der in anderen Regionen auch als Sauser oder Bremser angeboten wird. Von gerösteten Kastanien begleitet ist das in der Weststeiermark eine immer wieder gerne genommene Spezialität. Nur eben vorsichtig sein, gerade beim Sturm. Nicht ohne Grund findet man folgenden Spruch in der Bank eines Buschenschanks: «Zwei Knaben machten einen Jokus und tranken Most im Keller dann mussten beide auf den Lokus, doch der Most war schneller.»