Wein Heimat Württemberg 2/2023
Weinverkostung: Rote Alleskönner
Text: Harald Scholl, Fotos: Steffen Jahn

Wenn es nach der Größe geht, ist Württemberg unter den deutschen Weinanbau-gebieten auf Platz vier. Aber wenn es um Rotwein geht, ist das «Ländle» unter den 13 deutschen Weinregionen eindeutig die Nummer eins! Der Anteil von Trollinger, Lemberger, Spätburgunder, Schwarzriesling und Co. liegt zusammengerechnet bei 70 Prozent. Vor allem die zwei erstgenannten Rebsorten prägen den Weinbau an Neckar und Rems.
Über viele Jahrzehnte hat er das Bild der Schwaben im Rest der Republik geprägt, der Trollinger gehörte für jeden Außenstehenden zu Baden-Württemberg wie Mercedes, Spätzle oder die Kehrwoche. Die Weine verkauften sich sprichwörtlich wie das geschnittene Brot, Viertele um Viertele wurden aus den typischen Henkelgläsern getrunken oder, wie der echte Schwabe sagen würde, geschlonzt. Dafür gab und gibt es mehr als nur einen guten Grund. Die Rebsorte ist ertragreich und ertragssicher, die Weine sind selten alkoholreich und haben vergleichsweise hohe Säurewerte. Das sorgt im Zusammenspiel für eine wunderbare Trinkigkeit, vor allem leicht gekühlt ist Trollinger der perfekte Wein für den Sommer. Das Geheimnis des Trollingers entdecken vor allem junge Weintrinker immer mehr, als Begleiter zur Pizza oder auch Pasta ist ein Glas gekühlter Trollinger immer häufiger auch in sogenannten Szenelokalen anzutreffen. Das liegt auch daran, dass sich der Stil der Weine selbst ein wenig gewandelt hat. Wurden sie früher gerne mit betonter Restsüße und viel Frucht ausgebaut, werden sie heute immer trockener und damit deutlich vielseitiger im Einsatz bei Tisch.

Und im Lemberger hat der Trollinger sogar einen kongenialen Cuvée-Partner gefunden. Schließlich bringt er jene Vorzüge mit, die dem Trollinger fehlen. Er ist von beiden der deutlich kraftvollere, dunklere und auch dichtere Wein. Deshalb wird er auch immer häufiger und in verschiedenen Qualitätsstufen als Solist ausgebaut. Gerade im kleinen Holzfass wird die Kraft der Rebsorte in Eleganz verwandelt. Übrigens: In Österreich ist die Rebsorte als Blaufränkisch und in Ungarn als Kékfrankos bekannt und überaus beliebt. Sie bringt ungemein langlebige und intensive Rotweine hervor, die vor allem vom Ausbau im Holzfass und von langer Lagerung profitieren. Nach Württemberg kam der Lemberger in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er wurde aus seiner ursprünglichen Heimat, dem Ort Limberg bei Maissau in Niederösterreich importiert. Dort wurden die als «wurzelechte Limberger Blaufränkisch-Reben» zum Verkauf angeboten und nach Deutschland beziehungsweise Württemberg transportiert und kurzerhand «Limberger» genannt. Der heutige Name soll nach einer neuen Studie vom Lemberg – einem Berg zwischen den Stuttgarter Stadtteilen Weilimdorf und Feuerbach – abgeleitet sein. Dort war zur Zeit von König Wilhelm I. von Württemberg ein Musterweingarten der königlichen Hof- und Domänenkammer angelegt. Der Name der Rebe wurde dann einfach zu Lemberger transformiert.
Die verkosteten Weine