Klartext von Harald Scholl • Orientierung an Frankreich, Spanien und Italien

Zehnter Versuch: neues deutsches Weinrecht

Text: Harald Scholl

Das deutsche Weinrecht soll europäisch werden, genauer gesagt «romanisch». Das mag im Grundsatz gut gemeint sein, wird aber von der Realität fröhlich konterkariert. Denn Winzer, Verbände und Handel spielen auch noch mit im verwirrenden Treiben.

Aller guten Dinge sind zehn. Jedenfalls scheint das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft davon überzeugt zu sein. Der Entwurf des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes soll «Neue Vermarktungsperspektiven für Deutschlands Winzerinnen und Winzer, eine bessere Wertschöpfung und…wachsende(r) Marktanteil(e) deutscher Weine» garantieren. Das müsste, so die leichtgläubige Meinung, doch im Sinne aller rund um den Wein Agierenden sein. Leichter verständlich – für den Weintrinker – und bessere Absatzmöglichkeiten– für die Winzer –, wer könnte auch ernsthaft dagegen sein?

Der Entwurf orientiert sich in seiner Struktur an grossen Weinbauländern wie Frankreich, Spanien und Italien. Dort sind die Flächen schon relativ lang mit den kontrollierten Ursprungsbezeichnungen AOC, DOC oder DOP klassifiziert. Auch die Österreicher gehen seit einiger Zeit diesen Weg mit ihrer eigenen DAC, «Districtus Austriae Controllatus». So wird ein gebietstypischer Qualitätswein im Nachbarland künftig klassifiziert. Einfach und ohne Schwierigkeiten ist das dort auch nicht über die Bühne gegangen, lieb gewonnene Routinen lassen sich eben nur schwer ändern.

Das sehr umfangreiche deutsche Gesetz wird eine Menge von Herkunftsbezeichnungen ermöglichen. Vom einfachsten «Landwein» bis hin zur raren Einzellage ist alles denkbar. Starkgemacht für das neue, romanische System, haben sich die Selbstvermarkter und der Verband der deutschen Spitzenwinzer, der VDP. Die Grosskellereien und der Einzelhandel haben bis zuletzt für die «Grosslagen», die manchmal riesige Flächen mit unterschiedlichen klimatischen Voraussetzungen und Böden vereinen, gekämpft. Vergeblich, wie sich zeigt.

Es mangelt an deutscher Weinbezeichnungslogik

Künftig soll eine konkrete Lagenbezeichnung nur Weinen mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung – etwa Mosel – vorbehalten bleiben. Der Gesetzentwurf verbindet damit die Erwartung, dass durch die kleiner gefassten Lagen mehr oder weniger zwangsläufig auch die Qualität steigen wird. Dafür sollen ganz wesentlich sogenannte «Schutzgemeinschaften» sorgen, denen vor Ort grundlegende Rechte eingeräumt werden sollen. Sie sollen die Mindestanforderungen an Ertragsmenge, Qualität oder auch erlaubte Rebsorten festlegen und so das Profil von Lage und Wein schärfen. Das erinnert durchaus an die bekannte VDP-Pyramide, in der Weine nach ihrer Wertigkeit in von Winzern selbst definierte Kategorien, «Gutsweine», «Ortsweine», «Erste Lagen» und «Grosse Lagen», unterteilt werden. Wobei die Frage, warum die Ersten Lagen nur die Zweitbesten sind und die Grossen Lagen die Erstbesten, obwohl sie in der Pyramidenlogik die kleinsten sein müssten, bis heute nicht wirklich logisch beantwortet werden konnte. Die deutsche Sprache schafft es eben nicht hundertprozentig, das französische «Grand Cru» und «Premier Cru» in das hiesige Sprachverständnis zu übersetzen. Oder gar in deutsche Weinbezeichnungslogik.

Schluss mit Kopfstand

Der Status quo im deutschen Weinkennzeichnungsrecht ist denkbar einfach. Und denkbar sinnlos. Denn statt einer Pyramide – also viel Basiswein und immer weniger Quantität in Richtung Qualitätsspitze – ist es aktuell genau andersrum. Mehr als 95 Prozent der hierzulande erzeugten Weine werden als Qualitäts- oder Prädikatsweine vermarktet. Also auf der im Moment noch höchsten Stufe im deutschen Weinrecht.

Darunter, also an der Basis, kommen nur noch «Landwein» und «Deutscher Wein». Die Pyramide steht im wahrsten Sinn Kopf. Und zeigt damit den Irrsinn des alten Systems. Denn ganz gleich ob ein Wein 5,50 oder 500 Euro kostet: Er kann in jedem Fall ein Qualitätswein sein. Der Weintrinker hat keine Chance nachzuvollziehen, welchen Gegenwert er in der Flasche vorfindet. Es sei denn, er ist sattelfest in den sonstigen auf dem Etikett zu findenden Angaben.

Ob sich das hehre Ansinnen der besseren Verbraucherinformation umsetzen lässt, ist dennoch fraglich. Denn es wird gerade mal 13 geschützte Ursprungsbezeichnungen geben: für jedes deutsche Anbaugebiet eine. Das heisst aber im europäischen Umfeld: Ein Clos de Vougeot ist formal genauso eine geschützte Ursprungsbezeichnung, wie die Region Franken. 60 Hektar werden damit genauso eingeordnet, wie das hundertmal so grosse Anbaugebiet rund um Würzburg. Das alte deutsche System wird lediglich in ein neues gequetscht. Das Kuddelmuddel wird in absehbarer Zeit also nicht enden.

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