30 Jahre ProWein

Perlenhochzeit am Rhein

Text: Eva Maria Dülligen, Foto: Constanze Tillmann

Seit 29 Jahren halten sich Besucher und Aussteller nunmehr die Treue auf Düsseldorfs Wein-Event Nummer eins. Mit der ProWein 2024 vom 10. bis 12. März feiert die Messe ihre Perlenhochzeit. Die guten wie die schlechten Seiten dieser Messelegende haben wir zusammengefasst. Ein Ausblick.

Eine Fachmesse, die in wenigen Tagen über 50 000 internationale Wein- und Spirituosen-Profis erwartet, bietet entalkoholisierten Produkten unter dem Motto «No & low» wiederholt eine Bühne. Manchen Winzern erscheint das genauso absurd, als würde man Nosferatu zu einem Mädelsabend einladen. VDP-Winzer Reinhard Löwenstein plädiert für eine separate Traubensaft- Messe auf dem Gelände: «Die ProWein ist de facto eine Weinmesse und kein katholischer Kirchentag.» Schieben wir die Sonderfläche «ProWein Zero» als Nebenschauplatz beiseite, denn es liegt mir fern, dem Geburtstagskind die Party zu verderben. Seit Jahren fahre ich mit roten Wangen zu dieser internationalen Vorzeigemesse am Rhein: Gemeinschaftsstände in immer moderner werdendem Design mit grossformatigen Videoanimationen dahinter, Verkostungen von Weinen der gesamten Weltkugel, die sich in 14 Hallen buchstäblich von Argentinien bis Zypern auffächern, reibungsloser Service von Gläsern und Kühlung, Master Classes routinierter Weingrössen wie Caroline Gilby MW, Stuart Pigott oder Caro Maurer MW, Trend-Themen von Piwis bis «KI meets wine Tasting».

All das lässt den Puls professioneller Weinliebhaber bis zum Hals schlagen. Rund 5700 Aussteller aus fünf Dutzend Ländern geben sich zum 30. Geburtstag der Messe- Diva die Ehre und können in der knapp tausend Quadratmeter grossen «Champagner Lounge» in Halle 9 auf sie anstossen. Der eine oder andere indessen wird sein Glas dieses Jahr nicht erheben: «Die ProWein hat nach wie vor enorme Strahlkraft», sagt Peter Griebeler, der ein fünf Hektar grosses Familienweingut an der Mosel besitzt, «aber die Kosten sind explodiert. Für die Standflächen und genauso für die Übernachtungen.» Als Konsequenz konzentriert sich mancher Betrieb auf die eigene Hausmesse oder weicht auf andere Messen aus. Hoch im Kurs liegt die Vinexpo Paris, die bereits im Februar stattfand. «Die heben ihre Hotel-Preise während der Messe nicht an, weil das kein besonderes Event für Paris ist», sagt Martin Tesch. Aussteller und Besucher aus romanisch sprechenden Ländern fühlten sich in Paris zudem sehr wohl. Aber: «Die ProWein hat weitaus mehr internationale Hallen als die Vinexpo Paris.» Der Nahe-Winzer steht fest zur ProWein, verteilt seine Messepräsenz aber auch auf London, Paris und Karlsruhe. Mosel-Winzer Reinhard Löwenstein hat sich schon vor Jahren vom «viel zu teuren VDP.Stand» auf der Prowein verabschiedet: «Leute, die sich für deutsche Weine interessieren, gehen zur Mainzer Weinbörse.» Obsolet jedoch für Importeure, Gastronomen und Fachhändler, die sich für Gewächse aus dem Rest der Welt interessieren. Es gibt einiges zu kritisieren an der ProWein, und das Management könnte manches korrigieren. «Wine in moderation» etwa reicht völlig aus. Da braucht es keine entalkoholisierten Messestände mit «Null Bock auf Alkohol»-Slogans. Aber unterm Strich gibt es aus meiner Sicht keinen innovativeren und effizienteren Marktplatz für Käufer und Verkäufer kontinentalübergreifender Weine als die heiligen Hallen von Düsseldorf. Happy Birthday!

«Die wichtigste Messe für deutschen Wein»

Herr Tesch, die ProWein wird 30. Sie sind sozusagen Dauergast bei diesem Event. Erinnern Sie sich noch an Ihre ersten Male auf der Messe?

Wir sind seit über 20 Jahren auf der ProWein. Unser erster Auftritt auf einem Gemeinschaftsstand fiel eher bescheiden aus. Wir haben nicht einen einzigen Kontakt klargemacht. Aber die Party danach war gut. Keine Ahnung, warum wir weitergemacht haben. Über die Jahre stellten sich langsam Erfolge ein. Ein Grund war, dass wir uns irgendwann von der Idee des Gemeinschaftsstands verabschiedeten. So bekamen wir grösseren kreativen Spielraum. Es funktioniert bis heute, ohne aufwändige Mittel ein Programm mit Sogwirkung auf unserem Stand zu erschaffen.

Parallell zu Ihrer Erfolgsstory häufen sich die Stimmen deutscher Winzer, die an der ProWein nicht mehr teilnehmen. Was läuft falsch?

Da fallen mir zuallererst die Mondpreise für Übernachtungen während der Messe in Düsseldorf ein. Nicht nur Aussteller, auch viele unserer kleineren Kunden leisten sich deshalb keinen Besuch mehr auf der ProWein. Die hohen Kosten der Messe-Standflächen sind für viele auch grenzwertig geworden. Dann die aus allen Nähten platzenden Restaurants, in denen man ohnehin schon Dekaden vorher reserviert haben muss. Aber man kann gegensteuern: Wir haben schon letztes Jahr entschieden, abends nach der Messe nur Restaurants zu besuchen, die wenig Wein anbieten. Koreanische Lokale zum Beispiel. Es gab viele freie Plätze, keine Wartezeiten, das Essen war günstig, die Stimmung super. Wein gibt es tagsüber schliesslich im Überfluss.

Als ProWein-Routinier konnten Sie über Jahre Erfahrungen sammeln. Was raten Sie jungen Winzerinnen und Winzern, die neu bei der Messe einsteigen?

Im Verbund mit Kollegen unter einem vielversprechenden Motto ist es leichter, erfolgreich zu sein. Das haben Winzer-Gruppen wie Message in a Bottle, Junges Schwaben oder Frank & Frei vorgemacht. Die jeweiligen Anbaugebiete wurden von ein paar Betrieben völlig neu definiert. Heute erinnert mich die Zukunftswein- Bewegung an diese Vorbilder. Die Mitglieder besetzen gemeinsam das Thema «Neue Rebsorten ». Und auch aus dieser Initiative werden sich die besten Betriebe an die Spitze setzen, manche international durchstarten.

Was möchten Sie der ProWein auf die Geburtstagskarte schreiben?

Bei aller Kritik bin ich als deutscher Winzer dankbar, dass diese Leitmesse in Düsseldorf stattfindet. Ohne sie hätten wir unsere gegenwärtige Position am Markt nicht erreicht. Oft hat man morgens auf der ProWein Interessenten am Stand, die unsere Rieslinge am Vorabend in einem Düsseldorfer Restaurant entdeckt haben. Internationale Einkäufer besuchen deutsche Produzenten in deren Gastgeberland. Sich auf Geschäftsebene persönlich auszutauschen und gemeinsam zu verkosten, das lässt sich weder durch Skype noch Zoom ersetzen. Ausserdem, liebe ProWein, ist deutscher Wein in Paris, Mailand und Bordeaux viel schwerer zu vermitteln als bei euch.

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