Silvaner Franken

Ein Jungspund von 365 Jahren

Text: Harald Scholl, Foto: Siffert / weinweltfoto.ch

Zu den bekannten Binsenweisheiten der deutschsprachigen Weinwelt zählt die Tatsache, dass der Silvaner zu Franken gehört wie die ­«Brodwöschd», die Würzburger Residenz oder «Der Club», der 1. FC Nürnberg. Trotzdem ist ein Geburtstag von stattlichen 365 Jahren Anlass genug, der Rebsorte mit den vielen Facetten wieder einmal auf die farbenfrohe Pelle zu rücken.

Wenn sie das gewusst hätten… am 5. April 1659 beauftragte Herr Johann Georg Körner, seines Zeichens Gräflich Castell’scher Amtmann, den Boten Michel Saueracker, 25 Fechser (Setzlinge) Österreicher aus dem nahen Obereisenheim zu holen. Ein stattlicher Auftrag, denn mit 8 Schilling und 3½ Pfennig kosteten diese Jungreben doppelt so viel wie die anderen gängigen Sorten. Am 6. April 1659 wurden diese Fechser in der Lage Schlossberg in Castell gepflanzt. Kurze Erklärung: «Österreicher» war der Name für Silvaner, das Ursprungsland der Setzlinge war wohl dafür verantwortlich. «Silvaner» wurde die Rebsorte erst viel später genannt. Auch wenn der definitive Ursprung der Rebsorte sich nicht lokalisieren lässt. Ob sie aus Transsilvanien oder doch aus Silvan, einer kleinen Stadt in Mittelasien, stammt, bleibt wohl ein Geheimnis. Bewiesen ist aber, dass der Silvaner eine spontane Kreuzung aus den Rebsorten Traminer und Österreichisch Weiss ist.

Kontinuierlicher Rollenwechsel

Es war nicht immer einfach für die Rebsorte in den letzten 365 Jahren, gewisse Vorzüge sorgten für so manche Fehlentwicklung. Vor allem die Ertragstreue des Silvaners liess ihn vor gut 60 Jahren zur meistangebauten Rebsorte in Deutschland werden, Masse war gefragt, die relative Unanfälligkeit gegen Rebkrankheiten war ein echter Vorteil. Der Geschmack war weniger wichtig, das neutrale Geschmacksbild mit viel Kernobstaroma reichte Winzern und Konsumenten. Die Wende zum «modernen» Silvaner heutiger Prägung kam Ende des letzten Jahrtausends. Die Winzer erkannten, dass Muschelkalk und Keuper – zwei der typischen Bodenformationen in Franken – für Silvaner ideale Standorte sind. Und es wurde klar, warum das so ist: Die Rebsorte bringt auf diesen eher kargen Böden auch eher karge Weine, und die sind en vogue. Das Geschmacksbild hat sich von fruchtiger Opulenz und hohen Öchslegraden hin zu mineralisch-schlank entwickelt. Und das kann Silvaner wie nur wenige andere Rebsorten. Er ist wie «…ein Vektor zwischen Boden und Glas…», hat es Hermann Mengler, langjähriger Weinfachberater beim Bezirk Unterfranken, treffend formuliert. Unter seiner Beratung veränderte sich das Geschmacksbild des Silvaners entscheidend, der mineralische Schliff, das prägnante Mundgefühl gehen nicht zuletzt auf seine Expertise zurück.

Damit nicht genug. Es gibt Anzeichen dafür, dass Silvaner zum «Gewinner» des Klimawandels werden könnte. Das hat mit der natürlichen Beschaffenheit der Silvanerbeeren zu tun. Aufgrund der stabilen und elastischen Aussenhaut sind die Beeren weniger anfällig für Sonnenbrand, auch platzen sie im reifen Zustand bei Hagel oder Starkregen nicht so schnell wie etwa Rieslingbeeren. Was elastisch ist, geht einfach weniger schnell kaputt. Aber so stabil und ertragssicher die Rebsorte auch sein mag, wenn die Trauben zu lange am Stock hängen, kann Silvaner ab einer bestimmten Reife breit, üppig und auch alkoholisch werden. Um das in den Griff zu bekommen, werden die Trauben heute sehr viel früher geerntet als noch vor 20 Jahren. So entstehen saftige, mineralische, strukturierte Weine, die mit Frische und moderatem Alkohol gerade auch bei Tisch glänzen. Denn mit seiner dezenten aromatischen Art passt sich Silvaner gerade der modernen Küche besonders gut an.

Es ist wirklich erstaunlich, was aus dem Silvaner in 365 Jahren geworden ist. Weintrinker, die Präzision im Mund schätzen, Frische und Vitalität im Wein suchen, finden in den Silvanern vom fränkischen Main das Passende. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass in den besten Restaurants Deutschlands die Weine aus der Rebsorte so gefragt sind. Und vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn auf dem Teller viel Gemüse zu finden ist. Die leicht speckige, fruchtbetonte Art, die noch vor 20 Jahren so typisch für den Silvaner war, ist praktisch ausgestorben. Lediglich in Ausnahmejahrgängen – wie dem sehr warmen Jahr 2015 – gerät der Silvaner manchem Winzer ein wenig aus der Form, wird barock und opulent. Aber das grundsätzliche Geschmacksbild hat sich definitiv verändert. Zwischen Iphofen und Klingenberg entstehen brillante, klare Weine, die voller Leben, Rasse und Strahlkraft im Glas stehen. Ob sich die Winzer in Castell genau das erhofft haben, als sie 1659 die ersten Silvanerreben in Franken pflanzten, ist eher unwahrscheinlich. Aber wer weiss es schon genau? Und genau genommen ist es auch egal.

Die verkosteten Weine

RangBeschreibung
1
19,0/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut Zehnthof Theo Luckert
2
18,0/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut Giegerich
3
18,0/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut Richard Östreicher
4
18,0/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut
5
18,0/ 20
Punkte
Deutschland
Weingut Rothe
6
17,5/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut Horst Sauer
7
17,5/ 20
Punkte
Deutschland
Weinbau Brügel
8
17,0/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut Olinger
9
17,0/ 20
Punkte
Deutschland
Weinmanufaktur Weingut 3 Zeilen
10
17,0/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren