Die Golden-State-Klassiker

Guide Cabernet Sauvignon und Zinfandel aus Kalifornien

Text: Miguel Zamorano, Degustation: Miguel Zamorano, Thomas Vaterlaus

Nur wenige Sorten haben einer Region ihren Stempel derart aufgedrückt, wie es Kalifornien mit Cabernet Sauvignon erlebt hat. Die Sorte ist die meistangebaute rote Rebe nicht nur des wichtigsten Wein-US-Bundesstaates, sondern auch der USA. Der Kult um «California Cab» drohte eine Zeit so ziemlich alles aus der Neuen Welt in den Schatten zu stellen. Und dafür war nicht nur das legendäre «Judgement of Paris»-Tasting von 1976 verantwortlich. Lag der Akzent zunächst auf Kraft, Wucht und hohen Preisen, zu einem Zeitpunkt, in dem die US-Konsumenten zum ersten Mal so richtig auf Wein aufmerksam wurden, so wartet der Cali Cab Sav mittlerweile in allen Preisklassen mit fast jeder Stilistik auf. Diese Bandbreite an klassischer und moderner Stilistik – wobei wir letztere mit Finesse, Eleganz und fast tänzerischer Leichtigkeit verbinden – ist bei dieser Verkostung voll zur Geltung gekommen.

Auch Zinfandel ruft Leidenschaften hervor. Die Sorte, deren Existenz in den USA auf das Jahr 1832 zurückdatiert wird, muss in den USA eindeutig abgegrenzt von Primitivo auf dem Flaschenlabel erscheinen. In der alten Welt wurde zwar vor mehr als 20 Jahren die nahe Verwandtschaft zu Primitivo in Apulien oder Tribidrag aus Kroatien nachgewiesen, der Name Zinfandel ist jedoch eine rein US-amerikanische Erfindung. Nach Kalifornien gelang die Sorte mit dem Goldrausch Mitte des 19. Jahrhunderts. Seitdem hat sich Zinfandel besonders im San Joaquin County breit gemacht. Cabernet hat hingegen in und um Napa an der North ​Coast seine besten Vertreter. Dass Zinfandel sich namentlich von seinen Alte-Welt-Vettern unterscheidet, muss man mit Blick auf die gegenwärtige Primitivo-Flut als weitsichtig bezeichnen. Wir waren auf jeden Fall überrascht, dass Zinfandel mit 16 Volumenprozent schlank und saftig über die Zunge tanzen kann.

 


Resultate, Analysen, Statements

Zwei meiner Wein-Grundsätze lauten: Ein hoher Alkoholgehalt bringt nur selten einen guten Wein hervor. Und: Bei Primitivo muss man vorsichtig sein. Für Zinfandel bedeutet das, dass ich um die Sorte bisher einen Bogen gemacht habe, vermutete ich doch stets, dass unter anderem Namen die hochprozentige Marmelade eingeschenkt wird, die ich mit Primitivo in Verbindung bringe. Und daher möglichst meide. Was im Übrigen auch viele meiner Weinfreunde tun.

«Die Sorte Zinfandel habe ich bisher gemieden. Nach dieser Verkostung werde ich genauer hinschauen.»

Miguel Zamorano

Diese Verkostung hat nun gezeigt, dass meine Vorurteile über Zinfandel mehr über mein Unwissen sagen, als ich zunächst bereit war, mir einzugestehen. Die besten Verkostungen sind eben jene, bei denen ich nicht nur etwas Neues lerne, sondern die mir danach erlauben, auf althergebrachte Grundsätze mit völlig anderem Blick zu schauen. Und solche, bei denen ich nebenbei eine Region neu entdecken darf, der man aus der Ferne die hier vorgefundene Leichtigkeit nur selten abnehmen möchte. Viele der Zinfandel, die wir bei dieser Verkostung kalifornischer Klassiker im Glas hatten, lagen bei 15,5 Volumenprozent und höher. Und verzauberten doch dank einer verblüffenden Leichtigkeit und Balance, die wir so nicht erwartet hätten. Filigran und subtil sind Wörter, die wir mit dem Wein sofort in Verbindung brachten, nachdem uns ein lautes «Wow» über die Lippen gegangen war. Häuser wie Lange Twins, Guadagni oder Blockbuster-Macher Francis Coppola haben Weine präsentiert, die wir unverdeckt möglichweise komplett anders verkostet hätten. Dass man mit dieser Sorte ein Kunstrad der verführenden Art schlagen kann, beweist besonders Louis M. Martini. Ein Nilpferd in der Nase, eine Gazelle am Gaumen – was für eine Verkostung!


Vor 40 Jahren waren die «California Cabs» sprichwörtlich eine Sensation! Sie hatten definitiv mehr Frucht und Power als die damals noch oft herb-grünlichen Bordeaux. Das «Surfin on the Ripe Tannins» erinnerte an die Wellenreiter-Songs der Beach Boys und machte Napa und Co. gross. Und heute? Spassige Fruchtfülle bieten inzwischen auch tausende von Weinen aus dem südlichen Europa. Mit was können uns die kalifornischen Cabs und Zinfandels also heute noch packen? Was haben sie, was andere nicht haben? Im unteren, aber eben auch schon nicht mehr günstigen Preisbereich hat sich, das zeigt diese Verkostung, nicht viel geändert.

«Viel Frucht ist immer da. ­Interessant wird’s, wenn Struktur und Finesse dazukommen. Dann wird’s aber teurer.»

Thomas Vaterlaus

Die Weine leben immer noch von reifer Beerenfrucht und einer oft monolithisch anmutenden Fülle. Interessant wird’s im Selektionsbereich, also bei den Single Vineyard Selections. Da erscheint die Kraft ziselierter und vielschichtiger. Präzision ersetzt Molligkeit. Der Schritt von der Beliebigkeit (oft gekeltert aus zugekauften Trauben aus ganz Kalifornien) zum eigenständigen Cru hat aber seinen Preis. Unter 50 Euro geht nicht viel. Wer bereit ist, das zu bezahlen, wird belohnt. Auch mit Terroir. Etwa mit jener kräuterwürzigen Eigenständigkeit der Rutherford-Selektion von Heitz. Als um das Millennium die Power-Icon-Crus aus Napa wie Pilze aus dem Boden schossen, wirkte Heitz plötzlich etwas antiquiert. Heute zeigt sich: Das ist wahre Klassik! Am meisten beeindruckten bei dieser Verkostung aber völlig überraschend die Zinfandels. Ehrlich gesagt habe ich diese vor Jahren mal als Monsterweine abgestempelt und links liegen gelassen. Doch siehe da: Die California Zinfandels der neuen Generation zeigen eine kaum für möglich gehaltene Balance und Frische. Probieren Sie es aus!

Die Top 10 der verkosteten Weine

RangBeschreibung
1
18,5/ 20
Punkte
San Francisco Bay, Kalifornien Central Coast, Kalifornien, USA
Wente Family Estates
2
18,5/ 20
Punkte
Napa Valley, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
Realm Cellars
3
18,0/ 20
Punkte
Napa Valley, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
La Jota Vineyard Co
4
18,0/ 20
Punkte
Kalifornien Central Valley, Kalifornien Central Valley, Kalifornien, USA
LangeTwins Family Winery and Vineyards
5
18,0/ 20
Punkte
Sonoma County, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
Francis Coppola Winery
6
18,0/ 20
Punkte
Napa Valley, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
St. Supéry Estate Vineyards & Winery
7
18,0/ 20
Punkte
Sonoma County, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
Stonestreet Winery
8
18,0/ 20
Punkte
Napa Valley, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
Heitz Cellar
9
17,5/ 20
Punkte
Napa Valley, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
Spottswoode Estate Vineyard & Winery
10
17,5/ 20
Punkte
Sonoma County, Kalifornien Northcoast, Kalifornien, USA
Guadagni Family Wines

Die Verkostung

Alle Weine wurden über California Wines direkt bei den Weingütern und/oder bei Importeur- und Weinhandelsunternehmen in Deutschland und der Schweiz angefordert. Thomas Vaterlaus und Miguel Zamorano verkosteten die Weine in den Zürcher VINUM-Räumlichkeiten am 19. und 20. Juli 2023. Sämtliche Flaschen wurden verdeckt verkostet.

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