Coupe, Flöte oder was? Der Champagner feiert einen neuen Trend

29.12.2009 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Paris) - Wie seit Jahrhunderten knallen auch dieses Silvester die Korken der Champagner und er fließt, jedenfalls bei Romantikern und Traditionalisten, in das schalenförmige Coupe (Tazza). Damit soll jetzt Schluss sein, wenn es nach den Herstellern des beliebten französischen Schaumweines geht. Die wahren Kenner trinken Champagner denn auch aus langstieligen Flöten oder besser noch, so raten  Erzeuger und Experten, aus tulpenförmigen Gläsern. Und wer gar avangardistisch veranlagt ist, der serviert den feinen "Bubbly" sogar in Karaffen.

 

Champagner wurde mit Luxus und mit Festlichkeiten seit der Zeit verbunden, als Frankreich seine Könige noch in Reims, im Herzen der Champagne krönte. Im 19. Jahrhundert wurde Champagner auch für die Bourgeoisie populär, weil erschwinglich. Die Produktion steigerte sich von 300.000 Flaschen im 18. Jahrhundert auf 20 Millionen Flaschen im Jahr 1850 mit enorm steigernder Tendenz zum Ende des 19. Jahrhunderts. Im Jahr 2008 wurden 405 Millionen Flaschen produziert.

Zum Ende dieses Jahres haben die Champagner-Produzenten eine Kampagne gestartet, um die Verbraucher daran zu erinnern, dass der Champagner nicht nur ein eleganter Begleiter für Festlichkeiten ist, sondern er auch ein feiner und ausdruckstarker Wein ist. Dazu haben Sie sich den Weinkritiker Michel Bettane und den Weinjournalisten Thierry Desseauve vor den "Karren gespannt", um bei speziellen Champagner-Verkostungen Weinliebhaber und Weinprofis zu überzeugen.

"Wir verabscheuen die Coupes, weil wir wissen, dass unsere Nasen die Feinheiten, egal von welchem Wein, aus dieser Glasform nicht erfassen können, wir spüren keine Aromen, es ist das halbe Vergnügen. Ein Coupe zum Genuss eines Champagner können wir keineswegs empfehlen", sagt Philippe Guillon, Exportmanager von Riedel, deren Gläser bei diesen Verkostungen eingesetzt wurden. Während Riedel auch noch Flöten-Gläser im Angebot hat, sieht Guillon die Zukunft des optimalen Champagner-Glases eher in der Art eines herkömmlichen Weinglases, etwas schlanker mit passendem Durchmesser, etwas verlängert und konisch enger werdender Öffnung.

"Das perfekte Champagner Glas unterstützt die Blasenbildung und formt die Aromen", erklärt Guillon weiter. "Das Glas darf aber oben nicht zu eng sein, sonst überwältigen die Blasen und Aromen die Nase. Der Durchmesser des optimalen Glases spielt eine wesentliche Rolle zur Wahrnehmung der Tannine, der Säure und bitteren Noten."

Andreas Larsson, 2007 zum besten Sommelier der Welt gekürt, sagt dazu: "Ich denke, dass optimale Glas für einen Champagner ist eine Version der Flöte mit einem etwas breiteren Körper und einer schmaleren Öffnung. Beides kann das Aroma verbessern. Doch zur Zeit werden Champagner fast überall auf der Welt in minderwertigen, sprich falschen Gläsern genossen."

Um den Gebrauch der Coupes endlich zu verbannen, verweisen die Produzenten und Weinexperten auf die Komplexität des Champagner. "In der Champagne nutzen wir die Assemblage" erklärt Mathieu Kauffmann, Chef des Weinkellers bei Bollinger. "Wir verwenden dabei ausgesuchtes Traubenmaterial aus 40 verschiedenen Weinbergen und von 200 verschiedenen Weinen der letzten fünf Jahrgänge, um unser Champagner-Cuvée zu kreieren. Im Angesicht des herrschenden Klimas könnten wir ohne diese Reserven den Stil unseres Hauses nicht sicher stellen. Mein Ziel ist es, komplexe, aromatische und ausgewogene Champagner zu produzieren, die den Kunden einen ganzen Abend wie auch noch im Alter erfreuen".

Fragt man die renommierten Champagner-Erzeuger Moet et Chandon, Veuve Clicquot, Piper Heidsieck oder Bollinger so sagen diese unisono, dass sich die Komplexität des Champagner dem Genießer weder durch die Flöte und schon gar nicht durch das Coupe erschließt. "Wir hatten 30 verschiedene Gläser in unserem eigenen Test", erklärt Kauffman. "Wir haben alle Cuvées und Jahrgangschampagner durchprobiert und dabei festgestellt, dass ein optimales Champagner-Glas eine Mischung zwischen Flöte und klassischen Weinglas darstellt.

Einhergehend mit der Glas-Diskussion um das beste Champagner-Glas haben sich weitere Kontroversen eingestellt. "Plötzlich diskutierten wir, ob man Champagner dekantieren soll, kann oder eben nicht", erzählt Kauffmann. "Zugegeben, anfangs war ich sehr skeptisch gegenüber dieser avangardistischen Idee, aber unsere Experimente waren sehr interessant".

Philippe Jamesse, Chefsommelier des Les Grayeres, einem Zwei-Sterne-Michelin-Restaurant in Reims ist strikt gegen das Dekantieren eines Champagners. "Das kann doch nicht sein", meint Jamesse. "Beim Dekantieren gehen die Blasen nach kurzer Zeit völlig verloren. Der Champagner ist aber auf die Blasen angewiesen. Ihre Qualität ist es, die letztlich die Aromen transportieren. Meiner Meinung nach braucht der Champagner ein Glas mit verbreiteter Mitte und verschmälerter Öffnung".

"Es gibt aber auch Vorteile, die das Dekantieren des Champagner bietet", sinniert Guillon. "Wir sollten nicht vergessen, dass der Champagner ein Wein ist und als Wein sollte er sich auch jedem erschließen. Wenn Sie beispielsweise ein Dinner haben, den begleitenden Champagner dazu dekantieren und sich dadurch die Blasenbildung reduziert, ist er als Wein verdaulicher".

Larson hat dazu einen weit differenzierten Ansatz. Er meint dazu: "Ein sanftes Dekantieren kann für einen hochwertigen, aber noch jungen Champagner, der sich auch in einer verschlossenen Phase befindet, von Vorteil sein. Bei älteren Champagner jedoch befürchte ich eine Oxidation durch das Dekantieren und eine viel zu schnelles Nachlassen der Blasen".

Bis jetzt hat sich nur ein Champagner-Haus dem avangardistischen Trend gestellt. Charles Heidsieck hat einen mundgeblasenen, leierförmigen Dekanter extra für das Prestige-Cuvée "Blanc de Millenaires" im Angebot. Damit glaubt man, zeige dieses Cuvée eine außergewöhnliche aromatische Komplexität.