Weintrinker im Vorteil

Moderater Alkoholgenuss schützt gegen Demenz

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 1. Oktober 2018


FRANKREICH (Paris) – Das ist mal eine Ansage: "Menschen, die jahrzehntelang keinen Tropfen Alkohol anrühren, haben laut einer Studie ein deutlich höheres Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken, als moderate Trinker", fasst Marlowe Hood in einem Beitrag auf AFP das scheinbar unglaubliche Ergebnis einer Studie zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass langjährige Abstinenzler Alzheimer oder andere Formen der Demenz bekommen, sei rund 50 Prozent höher als bei Menschen mit einem mäßigen Alkoholkonsum, ist in der einer Studie nachzulesen, die jüngst im Medizin-Fachblatt "BMJ" veröffentlicht wurde.

Grundlage der Studie

Als Probanden traten mehr als 9000 britische Beamte an, weit weniger als es medizinische Studien fordern – insofern ist auch die Zahl der ausgewerteten Fälle eher gering. Aber trotzdem, sei das Ergebnis aussagefähig, so ein Kommentar von Savil Yasar, Mitglied der renommierten Johns Hopkins School of Medicine in der US-Metropole Baltimore, der allerdings nicht an der Studie mitwirkte. Als anerkannter Forscher meint Yasar, dass "die mögliche schützende Wirkung von leichtem bis moderatem Alkoholkonsum" hinsichtlich Demenz in Betracht zu ziehen sei.

Schauen wir uns mal die Grundlage an. Die Forscher definieren moderates Trinken in der Studie in Bezug zu Menschen mittleren Alters bei einem wöchentlichen Konsum von etwas mehr als einem Liter Wein (exakt 1,05 Liter) mit 13 Volumenprozent oder drei Litern Bier mit einem Alkoholgehalt von vier Prozent oder 350 Milliliter an Spirituosen mit 40 Prozent Alkoholgehalt. Erstellt wurde die Studie von Forschern des Institut National de la Santé et de la Recherche Médicale (Französisches Institut für Gesundheit und medizinische Forschung) unter der Führung von Séverine Sabia. Ein Fazit der Studie ist bemerkenswert: "Unter den moderaten Weintrinkern ist das Risiko einer Demenz geringer als bei den Bier- oder Spirituosentrinkern".

Unberücksichtigt bei der Studie blieb die weiterführende Untersuchung auf die offenbar positive Wirkung moderaten Alkoholkonsums auf das Gehirn. Die Studie enthält lediglich Ansätze für Erklärungen. Zu diesem Thema notieren Sabia und sein Team, dass Abstinenzler ein höheres Risiko für Herzerkrankungen und Diabetes hätten. Außerdem hätten Forscher früherer Studien belegbare Hinweise auf schützende Wirkung von in Wein enthaltenen Polyphenolen auf Nervenstrukturen und Blutgefäße ergeben.

Die Kritik

Wie zu erwarten war, haben sich auch schon Kritiker der Studie gemeldet, deren Tenor gibt zu bedenken, dass nur Daten von Menschen mittleren Alters in die Auswertungen einflossen und sie meinen auch, dass Abstinenzler möglicherweise Phasen starken Alkoholkonsums längst hinter sich gelassen hätten, was aber nach Jahrzehnten zur Demenz beitragen oder begründen kann. "Es wäre besser gewesen, die Studie auf die Trinkgewohnheiten eines ganzen Lebens zu begründen. Dies würde eine weit genauere Erkenntnis bezüglich des Verhältnisses zwischen Alkohol und Demenz bringen", sagt die Leiterin des Alzheimer-Forschungszentrums von Großbritannien, Sara Imarisio.

 

Die Forscher der Studie warnen denn auch davor, dass Abstinenzler das Ergebnis als eine Art Freibrief verstehen. "Angesichts der bekannten schädlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum bei Sterblichkeit, neuropsychiatrischen Störungen, Leberzirrhose und Krebs, sollte Alkohol unbedingt moderat konsumiert werden. Bei mehr als 17 Prozent der von uns ermittelten Menge an Alkoholkonsum wöchentlich erhöht sich das Demenz-Risiko deutlich", heißt es in der Schlussbetrachtung der Studie. Auch Yasar meint, dass die Wirkung von Alkohol nicht nur in Bezug eines Organs untersucht werden sollte, sondern dass auch mögliche Risiken in Bezug zu Leber und Krebs berücksichtigt werden müssten.

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