Under

Wunder unter Wasser

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 21. Juni 2019


NORWEGEN (Lindesnes) – In einen halb versunkenen Monolithen aus Beton lädt das Restaurant namens Under seine Gäste ein, fünf Meter unter der Oberfläche der Nordsee zu speisen. „Auf Norsk bedeutet 'Under' 'unter Wasser' ist aber auch das norwegische Wort für 'Wunder' – beides gleichbedeutend mit einem Gefühl des Staunens. Der Panoramablick durch die große Glasscheibe im Restaurant bietet ein visuelles Tor zum Meer und verbindet unsere Gäste mit der dort lebenden Unterwasserwelt“, erklärt Mitinhaber Stig Ubostad. Wahrlich für die meisten Besucher des Under eine exponierte Möglichkeit, das sonst selten zu beobachtende marine Ökosystem des Nordatlantiks kennenzulernen. 

„Wunder unter Wasser“ – so bezeichnet sich Europas erstes Unterwasserrestaurant, was auch gleichzeitig Programm ist. Jüngst eröffnet, pilgern immer mehr Menschen nach Lindesnes, gelegen im Süden Norwegens nahe Kristiansand, um nicht nur Delikatessen aus dem Meer, sondern auch um einzigartige Betrachtungen der Unterwasserwelt zu geniessen. 

Restaurant Under – eine Reise ins Unbekannte

„Indem wir uns auf die Koexistenz des Lebens an Land und im Meer konzentrieren, schlägt Under ein neues Kapitel auf, unsere Beziehungen zur Umwelt zu verstehen. Unser außergewöhnliches Restaurant ist ohne Zweifel das größte weltweit und das einzige in Europa“, erklärt Stig Ubostad. Der Betonklotz, platziert in der Brandung an der zerklüfteten Uferlinie der Südküste Norwegens, ragt mit einem Teil aus dem Wasser, das andere Ende fällt in die Nordsee ab. Allein die hier herrschenden intensiven Wetterbedingungen, die mehrmals täglich von ruhiger bis zu stürmischer See wechseln können, macht einen Besuch des Under zu einem kleinen Abenteuer.

Angst muss aber niemand haben. Die dicken Betonwände und die Struktur des Monolithen sind so konstruiert, dass die Kräfte der Nordsee ihm nichts anhaben können. Wie ein versenkbares Periskop bietet das fast 40 Quadratmeter große Acrylfenster des Restaurants einen Blick auf den Meeresboden, der sich im Laufe der Jahreszeiten und bei unterschiedlichen Wetterbedingungen ändert. Zwar sind keine Rifffische und Korallen wie im Great Barrier Reef, weder Clownfische noch Haie oder Rochen zu beobachten, doch in dem mit Seetang bewachsenen Boden fühlen sich je nach Jahreszeit Seelachs, Kabeljau und Lippfisch wohl, die, wie auch ebenso Krebse, neugierige Robben oder tauchende Eiderenten, durchaus zu beobachten sind.

Als Metapher für die Reise von Land ins Meer verweisen nach Eintreten in den Monolithen farbige textile Deckenpaneele auf einen Sonnenuntergang hin, der in den Ozean fällt und so den Gast über die Treppe nach unten geleitet. Die warme, einladende Atmosphäre im Inneren des Restaurants vermittelt ein Gefühl von Ehrfurcht und Geheimnis – alles ein Vorspiel für bevorstehenden kulinarische und visuelle Erlebnisse. Das Under spielt dabei bewusst mit Kontrasten der Gefühle und des Geschmacks. „Wir wollen durchaus das sensible ökologische Gleichgewicht zwischen Land und Meer unterstreichen und unsere Gäste auf nachhaltige Modelle und verantwortungsvollen Konsum aufmerksam machen“, erläutert Stig Ubostad. „Das Erleben im Under ist durchaus eine Reise ins Unbekannte. Jeder Gast erhält die einzigartige Gelegenheit, ein untergetauchtes Universum zu betrachten und das Leben im Nordmeer auf eine Art und Weise zu beobachten, für das er sonst nie oder nur selten Gelegenheit hat.“

Fantasievolle Inspirationen

Für insgesamt 40 Gäste bietet das Under an den Abenden fünfmal pro Woche Platz. Der Monolith, fabriziert von der norwegischen Firma Snohetta, die auch schon Bauaufträge bei der Osloer Oper und beim 9/11-Memorial Pavillon erfolgreich umgesetzt hat, ist standfest und in Abstimmung mit Umweltverbänden konzipiert. Küchenchef Nicolai Ellitsgaard und sein Team kreieren saisonale Menüs, die meist das Thema Meer favorisieren, beispielsweise ein Dessert aus fünf verschiedenen Algenarten, geerntet rund um den Monolithen. „Wir schätzen uns glücklich, weil wir unseren kulinarischen Fantasien freien Lauf lassen können, wobei wir versuchen, regionale Zutaten so zu verwenden, wie sie sonst nicht in der Küche verwendet werden“, sagt Ellitsgaard. „Wir haben in unserem Kochbereich kleine Sichtfenster und immer, wenn eine besondere Art von Fisch entlang schwimmt, denke ich darüber nach, wie er schmecken könnte und wie ich ihn zubereiten und meinen Gästen eine Freude bereiten könnte.“

All diese Bemühungen um Kreationen von beispielsweise Fingertang, der erst zu einem Fond gekocht, geröstet und dann zu Marmelade verarbeitet wird oder die Verarbeitung von Springkrebsen, Napfschnecken wie auch Rogen vom Lengfisch – dies alles in Kombination mit dem Aufenthalt in dieser exponierten Lokation haben ihren Preis. Für ein Degustationsmenü mit 16 bis 18 Kostproben, dass meist beim ersten Besuch des Under von den Gästen geordert wird, müssen pro Person 230 Euro berappt werden. Ordert man Wein zu den Speisen, verdoppelt sich der Preis. Es ist wohl die Kombination eines neuen Gefühls, einhergehend mit besonderen Kreationen der Küche, der ungewöhnliche Habitus, gepaart mit Neugierde, die heute schon Reservierungen mit einem Vorlauf von mindestens sechs Monaten bedingen - täglich kommen bis zu hundert Anfragen hinzu.

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