Wein-Neuling Claudia auf dem Münchner Oktoberfest

09.09.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (München) - Eine Münchnerin wünscht sich, dass es ihr auf dem Oktoberfest nicht so ergeht wie den Leuten, die nebendran auf der Alpina-Achterbahn ein schnelles Auf und Ab erleben. Claudia Aigner hofft vielmehr auf ein eher geruhsames, gemütliches Dauer-Hoch bei ihrem Premieren-Auftritt als Betreiberin eines Weinausschanks auf der Wies’n, die am 17. September startet und bis 3. Oktober dauert.

 

Wein und Wies’n, wie passt das überhaupt zusammen? Ist nicht Bier einfach zu dominant? Die 44-Jährige ist zuversichtlich. „So etwas hat hier noch gefehlt“, ist sie sich (sieges)sicher. Sie weiß auch, dass es als Konkurrenz ein großes Wies’n-Weinzelt mit 2500 Sitzplätzen gibt (betrieben von der Gastronomie-Dynastie Kuffler), im Hippodrom, Armbrustschützenzelt und natürlich in Käfer’s nobler Wies’n-Schenke der Wein ebenfalls kein Fremdkörper ist. Aber zwischendrin sollte Platz sein für einen Stehausschank, an dem sich an guten Tagen durchaus mal hundert Leute gleichzeitig drängeln dürfen, um aus dem großen Angebot (etwa zwei Dutzend verschiedene Weine) auszuwählen.

Aigner, geboren im Sternzeichen des durchsetzungsvermögenden Widder, hat schon Erfahrung mit Weinausschank auf traditionsreichen Münchner Fluren. Seit drei Jahren schenkt sie auf dem Christkindlmarkt Wein aus, und zwar normalen Wein, keinen Glühwein. Sie bekam hier soviel Zuspruch, dass die Idee mit dem Oktoberfest aufkeimte. Sie bewarb sich und bekam den begehrten Zuschlag als Neuling.

Eine extra Weinausbildung musste die Tochter einer erfahrenen Schausteller-Familie dafür nicht machen. Ihr Motto ist „learning by doing“. Bei der Auswahl der Weine für ihren 9 x 12 Meter großen Holzstadel konzentrierte sie sich auf klassische Herkünfte, die in München erfahrungsgemäß gut laufen: Österreich, Italien, Pfalz und Franken (“auch im Bocksbeutel”).

Und wer immer noch nicht glaubt, dass für dieses zusätzliche Weinangebot im Schatten der Bierbuden kein Bedarf ist, sollte einen Blick in die Geschichte werfen. Vor einigen hundert Jahren wuchsen auf dem Gelände des Hofgarten Reben, ebenso in den ausgedehnten Gärten der Maxburg. Ein Chronist urteilte um 1613 über das Ergebnis im Glas: „Ist nit nur schön, sondern auch guet daneben, so guet wie Rheinwein.“ Chronist Aventin schrieb 1580 über das bayerische Volk: „Trinkt sehr, macht viel Kinder, der gemein Mann sitzt Tag und Nacht beim Wein.“ - was Claudia Aigner nicht passieren kann, da sie sich an den normalen Öffnungszeiten des Oktoberfestes orientieren muss.

Selbst als der Wein allmählich dem billigeren Bier weichen musste, blieb er in den Anfängen des Oktoberfestes nicht ausgeschlossen. Verbürgt ist der Ausschank anno 1821, elf Jahre, nachdem das Volksfest ins Leben gerufen worden war. 1826 wird über König Ludwig berichtet: „Ergriff ein Glas mit bayerischem Wein und leerte dasselbe auf das Wohl des bayerischen Volkes.“

Dann verschwand der Wein allmählich von der Bildfläche. 1973 wagte der Gastronom Lothar Buckel mit seiner „Weinburg“ einen Neuanfang, erlebte einen schwierigen Start, konnte aber nach einigen Jahren immerhin im 1600-Personen-Zelt in zwei Wochen rund 25 000 Liter Wein verkaufen. Das Motiv für Buckel war seinerzeit „ein Bierzelt auf dem Dürkheimer Wurstmarkt in der Pfalz. Da dachte ich, dass es umgekehrt auch funktionieren muss.“

In den achtziger Jahren verabschiedete sich Buckel wieder vom Oktoberfest. Die Sektkellerei Nymphenburg übernahm in Partnerschaft mit dem damaligen Gastro-Unternehmen Kaub & Kuffler. 1999 erwarb die Familie Kuffler, die außerdem in München unter anderem noch das Seehaus, Spatenhaus und den Haxnbauer betreibt, das Weinzelt und ließ es umbauen. Seitdem scheint man den Erfolg gepachtet zu haben. Wein schreibt keine schlechten Zahlen auf der Wies’n. 2010 wurden rund 90 000 Liter verkauft, dazu knapp 38 000 Liter Sekt und Champagner. Der Löwenanteil beim Wein dürfte auf das Weinzelt entfallen, während Käfer beim Champagner wohl eine gute Konkurrenz ist. Mal abwarten, wie viel Liter Wein, Sekt und Prosecco Wies’n-Neuling Claudia Aigner zum 2011er Ergebnis beitragen kann.