Die Crux mit deutschen Weinlagen: Bürgstadter Hundsrück feiert ein Comeback

07.05.2012 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Bürgstadt) - Ein deutsches Weinübel begann mit dem Weingesetz von 1971. Ordnung muss sein, dachten sich damals die Gesetzgeber. Die Weinqualitäten wurden über die Oechsle-Grade definiert, nach dem Motto je mehr, desto besser - was in der Folge den Neuzüchtungen, die auf hohe Zuckerbildung in den Trauben und auf stattliche Erträge ausgerichtet waren, Schubkraft gab. Auch die vielen Fluren wurden neu geordnet. Es kam zur Schaffung der Großlagen (152 damals, heute 170) sowie der Einzellagen, die in den großräumigen Arealen aufgingen. 2602 Einzellagen waren es ursprünglich, später kamen durch die „Osterweiterung“ noch einige hinzu.

 

Das Problem der Großlagen war von Anfang an, dass sie sich in der Bezeichnung nicht von den Einzellagen unterschieden. Ihre Deklaration ist unbeliebt. Und bei den kleinen geographischen Einheiten gab es eine Menge Ungereimtheiten. Teilweise wurden schattige Seitenlagen einem renommierten Begriff zugeschlagen. Umgekehrt gibt es Einzellagen, die nach Definition der Gesetzgeber gleichartige Bodenverhältnisse und kleinklimatische Bedingungen haben sollen, aber ein riesiges Ausmaß haben. Spitzenreiter ist die Lage Doktor in Venningen in der Südpfalz mit 450 Hektar, die damit sogar um einige Hektar größer als das Anbaugebiet Hessische Bergstraße ist.

Was Wunder also, dass sich viele Winzer die Verhältnisse vor 1971 herbei sehnen. So mancher Erzeuger geriet in den letzten Jahren mit dem Gesetz in Konflikt, weil er auf seinen Etiketten alte Flurbezeichnungen wieder zum Leben erweckte. Doch erlaubt ist nur, was in der Lagenrolle eingetragen ist. In manchen Regionen drückte die Weinkontrolle die Augen zu, aber nicht überall. Schließlich gab es auch Kollegen von „sündigen“ Winzern, die Meldung machten, so dass reagiert werden musste.

Im fränkischen Bürgstadt gibt es auch eine bekannte Lage, die früher in verschiedene Flurbezeichnungen aufgeteilt war. Das Weingut Rudolf Fürst machte den Centgrafenberg zwar bekannt - von dem renommierten Namen profitieren eine Reihe von örtlichen Winzern - aber Gutsbesitzer Paul Fürst wusste von den alten Namen wie Vogelsberg, Hohenlinde und Hundsrück. Besonders letztere Flur galt in den Augen der Bürgstadter Produzenten als privilegiert und eigenständig. Von diesen sieben Hektar kam stets ein erstklassiger Spätburgunder mit Ausdruckskraft und Beerenfrucht.

13 Winzer haben hier Besitz. Sie gründeten die Hundsrück-Terrassen GbR, um einen Teil des Areals mit Trockenmauern zu sanieren und neu zu bepflanzen. Hilfestellung geben dabei der Markt Bürgstadt, der Landschaftspflegeverband und die Naturschutzbehörde. Wortführer ist neben Paul Fürst der ebenfalls über die Region Churfranken hinaus bekannte Winzer Gerhard Stich, der Vorsitzende des Bürgstadter Weinbauvereins. Auch andere ambitionierte Erzeuger wie Josef Walter, Christian Sturm und Burkhard Hensch sitzen mit im Boot. Und sie setzen sich dafür ein, dass die alte Lagenbezeichnung Hundsrück wieder auf das Etikett darf. Inzwischen kann Vollzug gemeldet werden. Rückwirkend mit dem Jahrgang 2010 ist die Lage wieder zugelassen.

Die Saat dafür hatte Paul Fürst ab dem Jahrgang 2003 gelegt. Er deklarierte seinen vielleicht besten Spätburgunder mit der Bezeichnung „Hunsrück“ - eine geschickte weingesetzliche Gratwanderung. Doch die scheinbar dem Gebiet zwischen Mosel und Rhein entlehnte Angabe wurde kein Fall für die Weinkontrolle. Viele glaubten ohnehin, es handle sich um einen Burgunder, der in Barriques ausgebaut wurde, dessen Eiche aus dem Hunsrück stammt. Und sie freuten sich über die hohen Bewertungen, die dieser Wein bekam (in den letzten Jahren im Gault Millau waren es stets deutlich über 90 Punkte - sehr viel für einen deutschen Burgunder).