Eine Frau brennt - Obst und Whisky

15.05.2012 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Bremen) - Obstbrände sind normalerweise eher eine Sache des Südens. So gibt es zum Beispiel in Baden tausende von Kleinbrennern. Allein in Oberkirch in der Ortenau sind 900 Brenner registriert. Auch im Fränkischen wird fleißig Obst veredelt. Winzer verwerten in allen deutschen Anbaugebieten zudem Trester und Hefe. Dass sich aber jemand im deutschen Norden an hochgeistigen Getränken versucht, ist eher die Ausnahme. Bremen ist dafür allerdings durch seine verwandte Tradition als Weinimport-Stadt kein ganz schlechtes Pflaster. Aber dass eine Frau, die nicht aus der Branche kommt, aktiv geworden ist, ist dennoch bemerkenswert.

 

Birgitta Rust eröffnete vor einigen Monaten ihre Destillerie am Europahafen in der Bremer Überseestadt. „Die erste dieser Art in Norddeutschland“, glaubt sie. Doch selbst wenn es irgendwo noch Kleinkonkurrenz geben sollte, dann kann niemand derartige Erfolge wie die diplomierte Kauffrau vorweisen. Bei der letzten „Destillata“ im März 2012 im österreichischen Hall in Tirol, gewissermaßen die Europameisterschaft der Brenner, bekam sie für vier Brände (Williams, Quitte, Mirabelle und Schlehe) jeweils eine Silbermedaille - nicht schlecht für eine Anfängerin.

Viele Jahre hatte die heute 50-Jährige in einer Hamburger Unternehmensberatung gearbeitet. 2009 wagte sie, mit einer guten Abfindung auf dem Konto, den Sprung in die Selbstständigkeit. Aber anfangs reichte es natürlich nicht, sich von den Aromen der diversen Obstbrände faszinieren zu lassen. Es half auch wenig, dass sie durch ihren letztlich den Berufswechsel auslösenden Vater, der am Mondsee lebt, schon Bekanntschaft mit vielen guten Bränden aus Österreich geschlossen hatte. Schließlich handelt es sich hier um ein durchaus kompliziertes, in der Anforderung breit gespanntes Handwerk, das erst mal erlernt werden muss. Das tat Birgitta Rust. Sie machte die Gesellenprüfung in Begleitung von ausschließlich männlichen Kollegen, die sie eher spöttisch belächelten. Sie biss sich durch, als sie als Seiteneinsteigerin zunächst nicht zur Gesellenprüfung zugelassen werden sollte. Und sie sammelte Erfahrungen bei Spitzenbrennern im Schwarzwald, in Südtirol und in Österreich.

Dortselbst war sie zum Beispiel bei Hans Reisetbauer, der in Azberg in der Nähe von Linz quasi als „Großmeister der österreichischen Brenner“ agiert, eigene Obstgärten rund um seinen „Brand-Palast“ besitzt und ebenso innovativ wie genial ist. „Blue-Gin“ ist eines seiner bemerkenswertesten Produkt, ebenso kann er einen 12-jährigen Single Malt Whisky offerieren – natürlich neben den ungemein feinen Hochgeistigen vom Obst. Und gelegentlich wagt er sich sogar an verrückte Dinge wie einen Trester von einer Trockenbeerenauslese von Süßweinstar Egon Müller von der Saar (bei dem allerdings die Edelfäule im Aroma brutal zur Geltung kommt).

Ein solcher Mann gab dem Nordlicht Schützenhilfe und urteilt hinterher über ihre Produkte: „Sehr, sehr klar, sie arbeitet sauber. Williams und Quitte gefallen mir besonders gut, die Schlehe weniger.“ Bei der Auswahl des Obstes gab ihr Reisetbauer Tipps und kam zur Feststellung: „Der Start war gut, aber wie gut ein Brenner ist, zeigt sich erst mit der Zeit. Sie muss halt durchhalten.“

Hilfestellung kann ihr dabei eine Eigenschaft geben, die dem österreichischen Lehrmeister sofort wieder einfiel. „Sie redet gern und viel“, lacht er. Birgitta Rust kann zwar die meisten ihrer „piekfeinen Brände“ für sich selbst sprechen lassen (besonders gut sind noch Himbeere, Haselnuss, Zwetschge, Hagebutte, Mirabelle und Walnuss). Aber für den Verkauf muss sie auch argumentieren. Neben Privatkunden, die in ihre gläserne Manufaktur kommen, sind die gehobene Gastronomie und Hotellerie sowie Feinkostgeschäfte die wichtigsten Zielgruppen. Die Preise lassen Selbstbewusstsein erkennen; sie beginnen bei 26 Euro für die Haselnuss (0,35 l) und enden bei 75 Euro für die Hagebutte (ebenfalls 0,35 l). Handel und Gastronomie zahlen natürlich weniger. Und sie bekommen viel in Sachen Qualität.

Das aktuelle Sortiment soll ständig erweitert werden. Schließlich wächst im deutschen Norden gutes, geeignetes Obst. Außerdem wird es Whisky geben. Sie träumt bereits von einem „First Hanseatic Malt“. Für das Malz gibt es Quellen in Süddeutschland, das Wasser kommt aus Bremen oder Umgebung. Passende kleine Fässer lassen sich ebenfalls finden. Für die Produktion hat sie – über Reisetbauer hinaus - schon Erkundigungen bei Spezialisten eingezogen. Mit dem Eintreffen des Malzes vor wenigen Tagen konnte sie starten und bereits hochrechnen: „Im Sommer 2015 ist es soweit.“

Und damit neben dem Verkauf noch Geld in die Kasse kommt, lädt sie regelmäßig zu Kursen, Workshops und Firmenevents. „Ich will dabei die Theorie und Praxis des Obstbrennens vermitteln.“ Und sicher nebenbei deutlich machen, dass ihre Tätigkeit sich sehr von der einer Großbrennerei entscheidet, die den Lebensmittelhandel beliefert.