Weinfrau Marinella Camerani - Ideen ohne Kompromisse verfolgen!

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 18. April 2016

ITALIEN (Margreid) – Bei Lagedes Summa traf ich sie wieder, diese Powerfrau mit ihrer sympathischen Ausstrahlung und ihrer verbindlichen Art. Erst jüngst entdeckt hat mich Marinella mit Ihrer Konsequenz, ihren Weinen und ihrer Philosophie bei einem gemeinsamen Abendessen überrascht und beeindruckt.

In der Cason Hirschbrunn (Margreid) auf der letzen Summa waren Marinellas Valpolicellas und die mir schon bekannte authentische Interpretation dieser Winzerin eine von vielen Highlights. Dazu gehörten unter anderen auch die Kollektion der IGT Bianco Veneto von Anselmi, der Friulano und der Picolit von Auqila Del Torre, der Bianco di Rosso von Diesel Farm, der Grave di Stecca Brut und der Cartizze von Nino Franco, der Brut Blanc de Blanc und Collezione Grandi Cru von Gian Paolo e Giovanni Cavelleri, die Kollektion von Gut Hermannsberg, der Zellerweg am Schwarzen Herrgott Riesling GG von Battenfeld Spanier, der Ruppertsberger Hoheburg Riesling P.C. (2014) sowie der Reiterpfad G.C. (1999) aus der Magnum von Dr. Bürglin Wolf, die Kollektion von Schloss Gobelsberg, das Cuveé (Chardonnay, Sauvignon, Welchriesling) von Weingut Velich, die Sangiovese von Caiarossa, der Il Caberlot von Podere Il Carnasciale und die feine Perlage der Rieslingsekte von Frank John haben mich beeindruckt.

Dies nur als kleine Auswahl meines eintägigen Besuchs, wobei die Summa so viel bietet, dass man durchaus zwei Tage in wunderschönem Ambiente verweilen sollte, um sich den ausgewählten Winzern und ihren Weinen ausgiebig widmen zu können. Aber zurück zur Marinella. Praktisch zwischen Tür und Angel in den Räumen des historischen Hirschprunn hatte Marinella trotz großem Andrang von internationalen Fachbesuchern dennoch Zeit für ein Interview.

Wie kamen Sie zum Wein?

Es geschah völlig unvermittelt und durch Zufall. Ich wollte meinen Job als Buchhalterin im heimischen Betrieb aufgeben. Ich wollte raus aus dem ständigen Trott - ich wollte frei sein. Wir hatten diese Ländereien in Mezzane und im Alter von 24 Jahren entschied ich mich, Bäuerin zu werden. Auf dem weitläufigen Grundstück standen auch Reben im Anbau. Das war meine erste Berührung mit Weinbau, Trauben und schließlich dem Leben als Winzerin.

Wann stellen Sie fest, dass Sie auf dem richtigen Weg waren?

Unmittelbar! (hebt den Kopf und schaut mir fest in die Augen). Mein Traum von Freiheit ohne Konventionen und formalen Gewohnheiten wurde sofort war.

Ich durfte Ihre Weine nun wiederholt probieren - es sind keine Mainstream Produkte, sie sind beeindruckend und eigenständig zugleich. Woher stammt die Authentizität Ihrer Weine - aus dem Weinberg oder dem Keller?

Absolut vom Weinberg - im Keller greifen wir nur marginal ein. Wir verfolgen meist nur den natürlichen Verlauf der Alterung unserer Weine.

Wo sehen Sie die Schwierigkeiten im Weinbau im Valpolicella?

Es gibt eine hohe Variabilität, sowohl in der Qualität wie im Preis, die zu Verwechslungen und zuweilen zu Irritationen bei Weinliebhabern führt.

Ihr Amarone ist elegant und nobel zugleich, dennoch sehr präsent mit schöner Struktur und einem Feuer an Aromen. Welcher Art von Amarone gehört die Zukunft?

Für mich ist es der traditionelle Amarone - kein zu kräftiger Körper und auch nicht so alkoholreich. Er braucht eine gute Säure und muss unbedingt trocken sein.

Welchen Stellenwert hat für Sie der biologische Weinbau?

Für mich ist das der einzig praktikable Weg - jetzt und in der Zukunft.

Welche Umweltprobleme sehen Sie und was wäre Ihre Empfehlung an Winzerkollegen/innen?

Ja, es gibt sie, die Umweltprobleme. Wir spüren und sehen sie, weil die atmosphärischen Ereignisse immer heftiger werden. Ich empfehle verschiedene Ziele zu haben, jedoch keine von wirtschaftlicher Natur.

Welchen Rat geben Sie Jungwinzer/innen?

Mehr zuhören und ihren Ideen ohne Kompromisse folgen.

Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen?

Von dort wo ich lebe. Und natürlich von den Menschen um mich herum und von meinem großen Willen, zu versuchen und zu verstehen.

Was provoziert Sie besonders in der Weinszene?

Im Augenblick ist es der übermäßige trendige Aspekt der Weinszene. Die Konsumenten verstehen nicht vollständig, dass wir Bauern sind und keine Manager.

Gibt es für Sie als Weinfrau Probleme mit der durchaus männlich geprägten produzierenden Weinszene?

Die Professionalität und der tiefe Ernst, wie sich eine Frau dem Weinbau und dem Weinmachen nähert, wird von den männlichen Kollegen oftmals nicht erkannt.

Welche Vorteile haben Winzerinnen? Oder ist die Weinbereitung frei vom Geschlecht zu betrachten?

Ich glaube nicht, dass es Vor- oder Nachteile gibt, sondern ich glaube, dass es Unterschiede gibt. Unterschiede in der Interpretation des Weins und auch bei allen Aufgaben im Weingut. Es gibt auch Unterschiede hinsichtlich der Sensibilität bei Verkostungen und auch hinsichtlich der ultimativen Ziele. Eine Frau hat weniger utilitaristische (nützliche) Visionen und auch eine niedrigere soziale Stellung als ein Mann. Eine Frau hat dafür eine breitere, vollständige und ausgewogene Sicht der Arbeit, der Beziehungen und der Familie.