Kampf um die Seele des Prosecco - Tränen im Fluss

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 3. Februar 2016


ITALIEN (Veneto) - Keiner der italienischen Weinfamilien hat so ein furchtbares Jahrzehnt erlebt wie die Produzenten des Prosecco. Vor dem Jahr 2009 konnte jeder seinen Wein Prosecco nennen, sofern er aus der gleichnamigen Traube vinifiziert war. Ab dem 1. Januar 2010 heißt diese Glera, - der beliebte Prickler wird aber immer noch Prosecco genannt. Grund dieser Umstellung waren die vielerorts außerhalb Italiens abgefüllten "Prosecco"- teilweise sogar in Dosen - der Prosecco war ein Massenprodukt geworden (wir berichteten: "Prosecco DOC & DOCG - hohe Hoffnungen für den charmanten Prickler"). Das Bollwerk der Kodifizierung zum Schutz des Prosecco kam gerade noch rechtzeitig.

Ein Teil der damals neuen Klassifizierung wird allerdings gerne übersehen, nämlich, dass der neue Zonenbereich erweitert wurde auf Gebiete, die bisher kaum den Fokus auf die Traubensorte Glera legte, und das rächt sich heute. So erhielten neun Provinzen entlang der slowenischen Grenze den Glera-IGT-Status. Kritiker merken an, dass es besser gewesen wäre, sich auf die klassischen Zonen im Veneto, nämlich Valdobbiadene, Conegliano, Colli Trevigiani oder Della Marca Trevigiana und weitere weniger bekannte Gebiete, in denen der Großteil des Prosecco Spumante bis Ende 2009 erzeugt wurde, zu beschränken, um somit auch die Menge an Qualitätsschaumweinen mit DOC-Status im Griff zu behalten und die dortigen Produzenten zu schützen.

Bis 2011 produzierte Italien 300 Millionen Spumante mit der Klassifizierung Prosecco DOC, aber nur 10,8 Prozent davon stammten aus klassischen Gemeinden Valdobbiadene und Conegliano mit der Klassifizierung DOCG. Noch im September letzten Jahres wird Stefano Zanette, Präsident des Consorzio Di Tutela Prosecco DOC, zitiert: "Wir schätzen heute die Produktion auf knapp 400 Millionen Flaschen. Da verlieren sich die Prosecco DOCG wie Tränen in einem Fluss." Und in der Tat fühlen sich die DOCG-Produzenten nach wie vor verloren in der Masse der Prosecco - heute muss man sagen - Glera-Produzenten des Spumante. Hieraus erwuchsen Spannungen, die sich schon bei der Einführung der neuen Klassifizierung zu Ende der letzten Dekade vorhersagen ließen. Vor allem die "alten" Prosecco-Familien sind die Spumante-Konglomerate an den Ausläufern des Gebietes - sie nennen sie "Flachland-Produzenten" - ein Dorn im Auge.

Während des gesamten letzten Jahres führten die bekannten Prosecco-Familien aus dem Stammgebiet eine aufwendige Werbekampagne in den Online-Netzwerken: "Lernen Sie unsere Familien kennen - wir sind die Heimat des Prosecco", ist das Motto auf der Webseite, die den Superiore DOCG, den Rive DOCG und den Cartizze DOCG sowie das klassische Prosecco-Gebiet bewirbt. Inzwischen befürchten Produzenten der niedriger klassifizierten Anbauzonen, dass der Kampf um den Prosecco eine Verknappung verursachen könnte. Um keinen Aufstand zu provozieren, wurden für die 2015er Ernten die zulässigen Renditen in den DOC-Gebieten erhöht.

Es bleibt abzuwarten, ob die aktuelle Hierarchie und Klassifikation auf Dauer greift und somit Bestand haben wird. Dies jetzt einzuschätzen ist allerdings verfrüht - viel zu schnell wurden Regeln geschaffen, ohne auf die Strukturen und Auswirkungen zu achten. Aber allen ist klar: das Problem der Armee von Glera-Produzenten, die auf die Prosecco-Manie hoffen, muss gelöst werden. 

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