Ben Ichinose

Weinsammler in einer eigenen Liga – Teil-II

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 13. Juli 2020


UK (London) – Fortsetzung: „Ich denke, dass ich die größten Weinkeller Europas gesehen habe“, erzählt Bartholomew Broadbent weiter. „Seit den 1960er Jahren begleitete ich meine Eltern auf Weinreisen und seit den 1970er Jahren verbrachten wir die Osterurlaube abwechselnd in Frankreich, Deutschland, Österreich und den anderen klassischen Weinländern Europas, um bei der Abholung und Verpackung der Weine zu helfen, die für Auktionen von Christie´s in London bestimmt waren. Als ich dann bei einer USA-Reise den Weinkeller von Ben Ichinose betrat, erkannte ich sofort, dass er nicht nur der bisher größte besichtigte Weinkeller sondern auch der aussergewöhntlichste war. Das Erste was mir auffiel war die Sorgfalt mit der Ichinose den Keller betrieb. Neben der zu erwartenden gleichbleibenden Temperatur war der Keller auch erdbebensicher. Auch der Stolz fiel mir auf, als Ichinose uns die drei Räume präsentierte.“

Über 55.000 edle Tropfen

Bartholomew Broadbent erinnert sich auch noch an die edlen und reifen Weine, die Ichinose bei diversen Weinauktionen im Hause Christie’s erstanden hatte. Er war in den Jahren einer der aktivsten Käufer, wobei Ichinose auch bei führenden Importeuren Weine aus aller Welt oder direkt von kalifornischen Weingütern einkaufte, darunter Tropfen von Beaulieu Vineyards, David Bruce, Hanzell, Heitz, Inglenook, Mondavi, Ridge und Stony Hill. Er kaufte auch Champagner direkt von Lanson, Ayala oder von Bollinger, wobei die beiden letzteren spezielle Etiketten für Ichinoses Flaschen als „Cuvée Ichinose“ kreierten.

„Nach meiner Einschätzung spielt Ichinose als Weinsammler in einer eigenen Liga“, urteilt Bartholomew Broadbent. „Ich denke auch, dass nur ein Enthusiast wie Ichinose drei der besten Nachkriegsjahrgänge von angesehenen deutschen Weingütern haben kann, darunter heute seltene Rieslinge vom Weingut Kloster Eberbach.“ Während Ichinose vor allem französische, kalifornische und deutsche Weine sowie Portweine, Sherrys und Madeiras sammelte, verfügt sein Weinkeller auch über Jahrgänge aus seinem Geburtsjahrgang (1929), dem Geburtsjahr seiner Frau Mayon sowie Weine aus dem Geburtsjahr deren Töchter Louise (1961) und Lori (1965) und Sohn Robert (1964).

Die Weinsammlung enthält heute über 55.000 Flaschen, die in drei Kellern untergebracht ist. Die Perfektion, die Ichinose mit seiner Lagertechnik erreichte, führt zurück auf Jim Guymon, ein Professor für Önologie an der Universität in Davis (Kalifornien). Guymon überzeugte Ichinose, dass die Konservierung von Weinen von höchster Bedeutung ist. So entstanden die drei Lagerräume mit ausgeklügelten optimalen Bedingungen. Im Vorraum lagern jüngere Ports, Sherry und Madeira, in den beiden anderen Kellern reife Rot-, Weiss- und Schaumweine. In einem weiteren separaten Raum lagern außerdem ungeöffnete Kisten, meist handelt es sich hierbei um jüngere Weine aus Kalifornien.

 

Ichinose und seine Weinfreunde

Doch nicht nur eine perfekte Lagerung war Ichinose wichtig. Sein Credo lautet: „Die wahre Schönheit des Weins kann am besten in der Gesellschaft von Freunden genossen werden.“ Ben und Mayon Ichinose, von deren Gaumen man sagt, das ihrer dem Ihres Mannes gleichwertig oder sogar überlegen sei, veranstalteten viele Mittag- und Abendessen, um mit Freunden Weine aus ihrer Sammlung zu teilen. Zu den Weinfreunden gehörten große Namen der führenden Weingüter Frankreichs, internationale Weinpioniere des 20. Jahrhunderts und Weinkenner mit legendären Gaumen.

Auch der verstorbene Weinexperte Michael Broadbent gehörte zu diesen Freunden. Noch im Oktober 2018, fast fünf Jahrzehnte nach ihrem ersten Treffen, schickte ihm Ichinose eine Flasche Château Margaux 1961, nur um diese mit einem guten Freund zu teilen. „Meine Aufgabe war es, die Flasche zu einem Besuch meiner Eltern in London mitzunehmen. Bei einem Abendessen zu Ehren der sagenumwobenen Karriere des Londoner Weinexperten wurde die Flasche geöffnet und als in perfektem Zustand befunden“, erzählt Bartholomew Broadbent. Und Michael Broadbent schrieb seinem Freund Ichinose: „Der 1961er Margaux war fantastisch und heutzutage ein absolut seltener Genuss. Ich habe so wunderbare Erinnerungen an meine Zeit mit Ihnen.“

Das Lob der Weinfreunde, die an den Schätzen von Ichinose laben durften, war weltumspannend und eindeutig. „Ich hatte das Privileg, die hervorragenden Weine dieses Kellers seit nunmehr über 30 Jahre hinweg probieren zu dürfen“, bemerkte Master Sommelier Fred Dame in 2018. „Ich kann sagen, das von meinen zehn besten Erfahrungen bei Verkostungen in meiner Karriere mindestens fünf aus Verkostungen mit Weinen bei der Familie Ichinose stammen.“

Online-Auktion ab 16. Juli

Einerseits ist es für Weinenthusiasten traurig, wenn so ein Weinschatz, eine so unberührte Sammlung mit perfekter Lagerung, aufgelöst wird. Andererseits ist es eine einmalige Gelegenheit für Weinliebhaber, solche großartigen Weine mit perfekter Provenienz ersteigern zu dürfen. Viele dieser Weine sind einmalig, anderswo nicht mehr zu erhalten. Was sie darüber hinaus bemerkenswert macht, ist die Tatsache, dass diese Weine von einem so berühmten Privatsammler akribisch ausgesucht und perfekt konserviert wurden.

Die aussergewöhnliche Weinsammlung von Ben und Mayon Ichinose wird von Christie´s ab 16. bis 31. Juli, aufgeteilt in 626 Lose, online angeboten.

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