Die Grand Crus renommierter französischer Weingüter kennen keine Wirtschaftskrise

19.06.2009 - arthur.wirtzfeld

GROSSBRITANNIEN (London) - Die Versteigerungsräume bei Sotheby´s sind gefüllt und zusammen mit der steigenden Online Bieterzahl haben sich die Verkäufe außergewöhnlicher Weine nahezu verdoppelt. "Fünftausend, fünftausendzweihundert, -vierhundert, -achthundert, sechstausend, sechstausendfünfhundert, siebentausend…", der Versteigerer bemüht sich den Geboten zu folgen. Gleichzeitig kann die Anzeige auf der Großleinwand für die rasenden Gebote nicht mehr mithalten.

 

Die Interessenten im Versteigerungsraum nicken, geben dem Auktionator kaum sichtbare Handzeichen, reichen ihm Handzettel, gestikulieren telefonierend mit ihren Auftraggebern mal kopfschüttelnd, winkend oder nickend, Schulter hoch oder runter, je nach Willen des Käufers und dann fällt der Hammer: Die Flasche Chateâu Cheval Blanc 1947 ist für 9430 Pfund (ca. 11.000 Euro) vergeben. Das ist beinahe das Doppelte was die Experten von Sotheby´s für dieses Los geschätzt haben.

In einem unglaublichen Tempo wurden diese Woche im Hause Sotheby´s eine Million Flaschen des Grand Gru Classé A St. Emilion der Jahrgänge bis 1900 versteigert. Der Gesamterlös belief sich auf 640.000 Pfund, wiederum das Doppelte der Schätzung. 100 Prozent der Lose konnte Sotheby´s verkaufen, also ein perfektes Ergebnis.

Die Dynamik dieses speziellen Teils des internationalen Weinmarktes überrascht auch die Experten in Zeiten der weltweiten Wirtschaftskrise. In 2008 und auch noch Anfangs 2009 verfiel die globale Weinwirtschat in Atonie, doch dies hat die Grand Crus kaum berührt. Nachdem die renommierten Güter Lafite-Rothschild, Margaux, Mouton-Rothschild, Latour und andere ihre Preise für den aktuellen Jahrgang reduziert haben und somit auch das erwartete und wirtschaftlich korrekte Signal gaben, sind deren Weine gefragt wie noch nie.

SOTHEBY´S - "Die Krise hat uns nicht wirklich getroffen", resümiert Serena Sutcliffe, Leiterin der Abteilung Internationale Weine bei Sotheby's. "Natürlich gab es Befürchtungen und auch Panik an den Börsen im vergangenen Herbst und es gab auch Preisreduzierungen" räumt Sutcliffe ein. "Aber die Stabilisierung der Preise hält an und wir gewinnen täglich neue Kunden. Bei unseren Weinversteigerungen in diesem Jahr, beispielsweise in New York, London und Hong Kong konnten wir meist 100 Prozent, mindestens aber 94 Prozent der Lose verkaufen".

CHRISTIE´S - Auch die Zahlen anderer Auktionshäuser belegen die Einschätzungen von Serana Sutcliffe. So konnte Konkurrent Christie´s allein im April 100 Prozent ihrer Lose verkaufen und erreichte damit einen Umsatz von 1,3 Millionen Pfund (ca. 1,53 Millionen Euro). Dabei wurden die hauseigenen Schätzungen fast regelmäßig bis zum Doppelten, ja sogar darüber, überboten. So wurde eine 12er Kiste Lafite Rothschild des berühmten Weinjahrgangs 1982 für 23.000 Pfund (ca. 27.000 Euro) versteigert, gerechnet hatte man mit ca. 10.000 Pfund.

CHRISTIE´S - "Die Preise kehren nun wieder auf das Niveau von 2008 zurück", freut sich Chris Munro, Leider der Weinabteilung bei Christie´s in London. "Natürlich haben wir nach dem Zusammenbruch der Lehman Bank einen Dämpfer bekommen, doch seit Anfang 2009 steigen die Anfragen und Aktivitäten unserer Kunden weltweit wieder an" bekräftigt Tim Triptree, Weinexperte bei Christie´s. "Unsere Kunden reagieren sehr schnell. Der Markt ist momentan sehr gut".

BONHAMS - "Wir sind hinterm Berg", bestätigt auch Richard Harvey, Direktor der Weinabteilung für Europa des Auktionshauses Bonhams. "Gerade werden die letztjährigen Befürchtungen in unseren Erinnerungen gelöscht. Der Verkauf läuft wieder sehr zufriedenstellend. Also kurz gesagt, die kurze Krise, wenn es denn wirklich eine gab, hat alle wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, denn die Preise konnten ja nicht ewig steigen"