Große Gewächse des VDP - in 2010 eher rar

29.08.2011 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Wiesbaden) - Über 280 Große Gewächse und dazu noch einige Rieslingweine aus „Ersten Lagen“ an der Mosel werden jetzt von den Mitgliedern des Verbandes der Prädikatsweingüter (VDP) auf den Markt gebracht, dazu rund 100 Spätburgunder, Lemberger und Frühburgunder aus 2009 und reifer. Die Erstpräsentation in Wiesbaden war indes ernüchternd. Bei den Weißweinen gab es zahlreiche Weine, die mit einem Großen Gewächs ungefähr so viel zu tun hatten wie ein Seifenkistl-Rennen mit der Formel 1. Manche dieser scheinbar bedeutenden Tropfen hätte man aufgrund ihrer prägnanten, grünen, auch unreif anmutenden Säure noch als passable Sommerweine durchgehen lassen. Doch Weine, die im Schnitt 27,50 Euro kosten, sollten anders schmecken.

 

Nun war der Jahrgang 2010 schwierig. Vor allem Fäulnis im Herbst nach ausdauernden Regenfällen und eine erstaunlich hohe Säure waren die Hauptprobleme der Winzer. Bei einem solchen Jahr scheidet sich Spreu von Weizen. Vor allem mit dem „Säure-Management“ hatten eine Reihe von Betrieben Probleme. Manche ließen deshalb gleich die Finger von einem Großen Gewächs oder reduzierten deren Zahl (gegenüber dem Vorjahr wurden 10 Prozent weniger Weine vorgestellt). Andere hätten ebenso vernünftig sein sollen. Oder die regionalen Prüfgruppen hätten häufiger den Daumen senken müssen. Denn zu viel Toleranz schadet letztlich dem inzwischen guten Ansehen der Großen Gewächse.

Einige Regionen hatten die Sache gut im Griff. An den fränkischen Gewächsen gab es kaum etwas auszusetzen; in diesem Gebiet war vor allem der Silvaner der Sieger. Bürgerspital, Juliusspital, Horst Sauer, Castell und der wiedererstarkte Staatliche Hofkeller in Würzburg glänzten besonders. Die Badener zeigten Muskeln mit Grau- und Weißburgunder (Heger, Salwey, Bercher). Im Rheingau gab es die meisten „Schwächlinge“. Künstler demonstrierte, wie es funktioniert. Die Weine des Hochheimer Weingutes waren ohne Fehl und Tadel und machten richtig Spaß. Auch Schloss Reinhartshausen zeigte sich in guter Form, ebenso Schloss Vollrads. An den „Platzhirschen“ Schloss Johannisberg und Weil wurden von einigen Medienvertretern herumgemäkelt – was vielleicht auch daran lag, dass hier Korkfehler nicht als solche erkannt wurden (das war ein relativ häufiges Problem dieser Präsentation) oder man sich den letzten, durch viele vorherige Bewegung schon malträtierten Schluck aus der Flasche einschenken ließ (aufmerksame Verkoster ließen sich eine frische Flasche bringen).

Solide war das Niveau bei der Nahe. Aber einer überstrahlte hier alle: Tim Fröhlich vom Weingut Schäfer-Fröhlich aus Bockenau war mit seinen Gewächsen mit Abstand die Nummer Eins, vor Dönhoff und Emrich-Schönleber und dem wieder im Kommen befindlichen Gut Hermannsberg aus Niederhausen. Die Rheinhessen waren bei einigen Anstellern gnädig gewesen. In der Spitze imponierten Battenfeld-Spanier, Wagner-Stempel und Wittmann. Der beste Betrieb Rheinhessens, Keller in Flörsheim-Dalsheim, hatte keinen einzigen Wein angestellt. Klaus-Peter Keller erklärt das so: „Wenn ich in Wiesbaden dabei bin, muss ich auch bei den anderen Präsentationen mitmachen. Mit den Flaschen, die ich hier verbrauche, stelle ich lieber ein paar treue Kunden zufrieden. Wer meine Gewächse probieren will, muss zu mir nach Flörsheim-Dalsheim kommen.“ (gesagt, getan, mit der Feststellung, dass Kellers 2010er wieder absolute deutsche Spitzenklasse darstellen, aber leider längst ausreserviert sind).

Auch die Pfalz hätte auf eine Reihe von Anstellungen verzichten können. Gut in Form zeigte sich vor allem VDP-Präsident Steffen Christmann, der mit seinen Gewächsen mit sehr gutem Beispiel voran ging (sensationell gut der Königsbacher Idig). Auch Rebholz, Bürklin-Wolf und Buhl bewiesen gute Form. Heiß diskutiert wurden die sehr eigenwilligen, holzlastigen Weine des Deidesheimer Weingutes von Winning (vormals Dr. Deinhard). Manche vergriffen sich zu deutlich mehr als 90 (von 100) Punkten. Für andere, zu denen der Schreiber dieser Zeilen gehört, hat das mit Riesling und Großem Gewächs nichts zu tun und erinnert an die Exzesse mit Riesling-Barrique in den achtziger Jahren, die heute als Irrglaube abgetan werden. Rieslingfan Tino Seiwert vom Topweinhandel Pinard de Picard zeigt sich irritiert: „Ich verstehe den Hype um diese Weine nicht.“

Erwähnenswert noch Württemberg. Bei Riesling setzte Aldinger die Maßstäbe, auch Graf Neipperg überzeugte. Ausrutscher waren selten. Bleibt die Mosel, bei der unterschieden wird zwischen Großes Gewächs (trockene Weine) und Erste Lage (Riesling mit mehr Restsüße). Bei den trockenen Weinen war der Pündericher Clemens Busch überragend; er wartete dazu mit zwei hochwertigen fruchtsüßen „Erste Lage“ auf. In diesem Konzert brillierten außerdem van Volxem aus Wiltingen (Scharzhofberger und Gottesfuss) sowie Heymann-Löwenstein aus Winnigen (traumhafter Röttgen).

Neben dem VDP hatte noch der Rheingau zu einer separaten Verkostung der „Ersten Gewächse“ eingeladen, die in diesem Gebiet sogar eine gesetzliche Grundlage als eine Art Gütezeichen haben. Hier können auch Nicht-Mitglieder des VDP dabei sein. Der Restzuckergehalt darf etwas höher sein als bei den Großen Gewächsen des VDP. Die Weine werden ebenfalls vorher geprüft, aber ähnlich unkritisch wie in den Reihen der Prädikatsweingüter. Doch von zwei Überraschungen ist zu berichten. Der Geisenheimer Kläuserweg der Forschungsanstalt Geisenheim ist ein erstklassiger, geschliffener Riesling. Und dann war da noch das unbekannte, kleine Weingut Hirschmann aus Winkel, das mit einem druckvollen, mineralischen Oestricher Lenchen auftrumpfte. Eine kurz entschlossen angesetzte Verkostung weiterer Hirschmann-Weine ergab: Hier hat man nicht nur für das Erste Gewächs Fingerspitzengefühl, andere Rieslingweine gefallen ebenso (mit Geschmack und sehr gutem Preis-Wert-Verhältnis).

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