Bordeaux 2012 – Teil I: Ein Weinjahr voller Komplexität

09.10.2012 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Bordeaux) - Ob nun konventionell, biodynamisch oder organisch produziert, es stellen sich zwei grundlegende Fragen: (1) Wie kamen die Weingüter in Bordeaux mit den strengen kryptogamen Konditionen des Frühlings und Sommers klar? Und (2): Wie haben die Trauben es geschafft diesen Sommer zu überleben und was sagt uns das Lesegut über den kommenden Jahrgang 2012?

 

Nach wochenlangem Stress, den Mutter Natur den Winzern in Bordeaux brachte, konnten die Erzeuger Ende August, Anfang September endlich wieder aufatmen. Jedoch nur gering erleichtert durch einen der trockensten Monate in den vergangenen 20 Jahren. Überall in Bordeaux sind sich die Experten darüber einig, dass 2012 ein Jahr voller Komplexität war.

Mit der Knospenbildung ging es wie auf einer Achterbahn rauf und runter. Der Frühling war ein nasser und vor allem ein sehr kalter. Es herrschten Temperaturen, die so stark herabsanken, dass das Traubenwachstum darunter merklich litt. Man erinnerte sich zurück an die Jahre 1980 und 1992. Zudem tauchte bedingt durch die feuchte Witterung Mehltau auf und man fürchtete, dass es ähnlich wie 2007 und 2008 ausgehen würde, vor allem was die empfindlichen Trauben des Merlot betraf.

Die Hitze im Juli sorgte dann dafür, dass die Reben auf einmal wie verrückt wuchsen. Junge Triebe mussten sofort eliminiert werden, während das übrige Laub gestützt werden musste. Ganz zu schweigen von den zahllosen Sprühbehandlungen um die Blätter zu schützen. Eine Vielzahl an Zweigen stachen wild aus den Weinreben heraus und dies sogar mit soviel Zuwachs, dass daraus noch mehr Triebe entstanden.
Es musste also viel Zeit und Energie investiert werden, um dem übermäßigen Wachstum zu begegnen, was dazu führte, dass Helfer tage-, ja wochenlang wachsam und arbeitend im Weinberg verbringen mussten. Als man dann endlich auch noch den Mehltau im Griff hatte, war es für die Mitarbeiter schwer, gute Laune zu behalten.

Was die Trauben betrifft, so fingen sie im Juni an zu blühen, jedoch wurde deren Wachstum schnell durch die dann folgende kalte Witterung unterbrochen, um dann ein paar Tage später wieder aufgenommen zu werden. Aus diesem Zustand resultieren auch die grünen Beeren, die man unter den hellroten Trauben dann Ende August gut erkennen konnte. Die anfängliche Reife der Trauben ging sehr langsam und ungleichmäßig voran, was bedeutete, dass die Harmonie der Traubenreife eingeschränkt wurde – sofern man nichts dagegen unternahm.

Während sich die Trauben abmühten zu reifen, wuchs das Laub unaufhörlich weiter. Die Rebstöcke konzentrierten sich offensichtlich mehr auf das Blattwerk anstatt auf die Beeren, was wie erwähnt intensive Weinbergsarbeit erforderte – die Helfer mussten parallel verschiedene Aufgaben bewältigen und verbrachten viel Zeit damit, sich der Laubarbeit zu widmen. Man kann jetzt schon sagen, dass die Qualität des Jahrgangs 2012 sehr davon abhängen wird, wie sehr man sich von der Blüte bis zur Lese um die Trauben bemüht hat und wie selektiv die Ernte eingebracht wurde.

Zur Lesezeit zeigte sich eine unterschiedliche Situation in Bordeaux. In Graves und auch auf den überwiegend sandigen Böden, die mehr Wärme speichern, sind kaum Reiferückstände zu bemerken, wenn überhaupt. Und die kühleren Ton- und Kalkböden, auf denen die Reben unter dem kalten Frühjahr gelitten haben, benötigen bekanntlich eine lange Wärmeperiode im Sommer. Allgemein hätten sich die Winzer im heißen Juli etwas Regen gewünscht, um dem Reifeprozess einen Kick-Start zu geben.

Lesen Sie in der Folge Teil II. und III. meine Antworten auf die Frage: Wie effizient sind konventionelle, biodynamische und organische Behandlungen bei der gesamten Weinbergsarbeit?