Rückruf für 1,9 Millionen Flaschen Billigwein - Nachgärung kann sie platzen lassen

01.01.2014 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Zell) - Frohe Weihnachten wollte sich vermutlich niemand in der Kellerei Zimmermann-Graeff & Müller in Zell an der Mosel wünschen. Denn am 23. Dezember musste eine elf Tage zuvor begonnene Rückrufaktion für einige deutsche Literweine in der Preisklasse um zwei Euro deutlich ausgeweitet werden. Aus ursprünglich 86 000 wurden „im Sinne einer umfassenden Vorsorge“ etwa 1,9 Millionen Flaschen, verteilt auf 80 liebliche und halbtrockene Weiß- und Rotweine vor allem aus der Pfalz und Rheinhessen, die in den Regalen von rund 25 Handelsketten und Discounter standen.

 

Grund: Die Möglichkeit der Nachgärung in den Flaschen, weil in einer Abfüllanlage Filter offenbar nicht richtig funktionierten hatten. Dadurch kann es zu erhöhtem Druck kommen, dass Flaschen platzen, ist nicht auszuschließen. Die genaue Ursache des Defekts konnte auch bei umfangreichen technischen Analysen nicht ganz geklärt werden. Deshalb listete die Kellerei vorsorglich alle in einem bestimmten Zeitraum von der Maschine abgefüllten Flaschen auf, damit sie vom Handel und Verbrauchern retourniert werden können. Auch zur Entsorgung in einem Plastikbeutel wird geraten; der Kaufpreis werde sogar ohne Vorlage eines Kassenbons erstattet.

Das betroffene Unternehmen ZGM gehört zu den größten Kellereien in Deutschland. Der Absatz liegt bei rund 55 Mio. Liter im Jahr, der Umsatz soll sich auf rund 150 Mio. Euro belaufen. Zum Familienbetrieb, geführt von Johannes Hübinger, dem Urenkel des Gründers Jacob Zimmermann, gehören einige in den letzten 20 Jahren übernommene Kellereien wie Ewald Theod. Drathen, Rudolf Müller (Mosel) und Lorch (Pfalz). Über 1000 Winzer vorwiegend aus Rheinhessen und der Pfalz liefern Trauben oder Fasswein, auch für die zahlreichen Marken des Hauses, von denen einige auf der kritischen Liste stehen.

Welche Konsequenzen die Rückrufaktion hat, ist nicht bekannt. Aber die Handelsbranche ist es gewöhnt, mit solchen Dingen umzugehen. Aktuell hat ein Apfelschorle-Hersteller das gleiche Problem. Die Flaschen können bersten, wird in einem Rückruf-Portal im Internet verkündet. Vor Salmonellen in der Wurst und Listerien in Käse wird in unschöner Regelmäßigkeit gewarnt. Aktuell finden sich zum Beispiel noch Warnungen vor Metalldrähten in Laugenbrezeln, Glassplittern in Milchbrei und Holzstücken in Baquettes. Mahlzeit! Da mutet das Risiko, dass eventuell Flaschen platzen können, schon fast wieder harmlos an.

Auf jeden Fall sind diese möglichen Nachgärungen erheblich preiswerter als die vielleicht bislang teuerste derartige Fehlentwicklung bei einem Wein. Die rare Weinlegende 1945 Château Petrus hatte ein Kölner Sammler einst für rund 5000 D-Mark gekauft und einige Jahre später in einem kleinen Kreis von Genießern geöffnet. Als der Wein in die Gläser floss, prickelte es merklich und zeigte sich weißer Schaum. „Schmeckt etwas wie Lambrusco“, musste bei dieser Nachgärung festgestellt werden.