Die dunklen Zeiten der Champagne

13.11.2015 - arthur.wirtzfeld

FRANKREICH (Paris) - Die schrecklichsten Momente und die dunkelsten Zeiten erlebte die Champagne - neben der Besatzung und Nötigungen im zweiten Weltkrieg - vor allem während des ersten Weltkrieges. Die Champagne geriet 1914 recht schnell in die Frontlinie zwischen den deutschen und alliierten Armeen und befand sich in der Folge vier Jahre lang mitten in einem blutigen Zermürbungskrieg.

 

Während Frankreichs Männer sich im Kampf befanden, mussten sich vorwiegend Frauen und Kinder um die Weinernte und die Kellerarbeit kümmern. In der Champagne lobt man heute die Weinlese 1914 als die herorischste des 20. Jahrhunderts, auch weil sie unter sehr schwierigen Bedingungen durchgeführt wurde. Denn die Deutschen hatten gerade mal eine Woche vor Beginn der Ernte, Epernay besetzt. So mussten die Erntehelfer, während die alliierten Kämpfer versuchten, Epernay wieder freizubekommen, zwischen den Geschützfeuern und den kämpfenden Truppen in den Weinbergen arbeiten.

Neben der gefährlichen Arbeit und dem Bemühen, mitten im Krieg dennoch die Produktion für Champagner aufrechtzuerhalten, kam noch hinzu, dass die Beschaffung finanzieller Mittel unmöglich war. Alle Banken in den von deutschen Truppen besetzten Städten waren kurz vor deren Ankunft geschlossen worden und blieben es auch während der Kriegsjahre. Um dennoch Geldmittel für diverse Zahlungen zu erhalten, wurden mehreren französischen Städten per Sondergenehmigung der Druck von Notfall-Banknoten erlaubt.

Die intensivsten Kämpfe in der Champagne begannen am 25. September 1915, als die Franzosen mit einem massiven Angriff begannen, die deutschen Truppen zu vertreiben. In den Jahren der Stellungskriege bis zum Waffenstillstand am 11. November 1918 wurden rund 40 Prozent der Weinberge in der Champagne verwüstet. Aus heutiger Sicht ist es mehr als erstaunlich, dass während des ganzen Krieges die Produktion von Champagner irgendwie aufrechterhalten blieb. Nach dem Krieg verlor die Champagne einen Großteil ihrer Kunden auf den damals wichtigsten Märkten Russland (wegen der russischen Revolution) und in Amerika (wegen der dortigen Prohibition).

Weit mehr Hintergründe und spannende Geschichten aus den beiden Weltkriegen und deren Auswirkungen auf die französischen Weingebiete lesen Sie im Buch von Don und Petie Kladstrup "Wein und Krieg - Bordeaux, Champagne und die Schlacht um Frankreichs größten Reichtum". Dort steht im Epilog: "Noch eine Flasche weniger für die Deutschen" (Trinkspruch der Franzosen während der deutschen Besatzung im zweiten Weltkrieg). Dass die Champagner aus den Kriegsjahren auch heute noch sehr beleibt sind, zeigte die jüngste Auktion von Sothebys, auf der ein Krug Champagne Privat Cuvée Brut (Jahrgang 1915) für 116.000 US-Dollar (rund 108.000 Euro) versteigert wurde.

Zu den Autoren: 

Don und Petie Kladstrup sind amerikanische Korrespondenten und leben heute, nachdem sie beruflich als politische Globetrotter aus aller Welt berichtet haben, in Paris. Petie Kladstrup ist freischaffende Journalistin, die zahlreiche Artikel über Frankreich, die Franzosen, ihre Geschichte und ihre Kultur veröffentlichte. Don Kladstrup hat für verschiedene Fernsehsender (u.a. CBS, CNN) aus aller Welt berichtet und erhielt für seine herausragenden Beiträge dreimal den Emmy, die Auszeichnungen des Robert F. Memorial und des Overseas Press Club of Amerika. Die "Kladstrups" sind in Frankreich auch deswegen bekannt, weil sie bei ihren Recherchen auf weitgehend unbekannte Ereignisse in der französischen Weinindustrie während des ersten und zweiten Weltkrieges stießen und darüber ein spannendes Buch schrieben. Ihr jüngstes Werk, "Wein & Krieg -Bordeaux, Champagne und die Schlacht um Frankreichs größten Reichtum", ist eine mitreißende Erzählung auch für die heutige Generation und enthält elf Episoden: (1) Aus Liebe zum Weinstock, (2) Auf der Flucht, (3) Der "Weinführer", (4) Verstecken, beschwindeln, abblitzen lassen, (5) Mit knurrendem Magen, (6) Wölfe vor den Toren, (7) Das Fest, (8) Die Rettung des Schatzes, (9) Hitlers "Adlerhorst", (10) Der Kollaborateur, (11) Als ich heimkam, war ich alt. Bestellinfo - siehe TIPP.