Kampf gegen die Wein-Brachen in Stuttgart-Rohracker

25.11.2016 - R.KNOLL

DEUTSCHLAND (Stuttgart) – Gerade erst haben sie ihren vierten Jahrgang eingebracht, in einem Weinbaubetrieb, der alles andere als alltäglich ist und neue Wege beschreitet. Dennis Keifer und Sebastian Schiller gründeten im Stuttgarter Stadtteil Rohracker ihre KSK Vintage Winery mit knapp einem Hektar Rebfläche auf Basis einer Crowdfunding-Plattform. Der Begriff ist noch relativ neu. „Crowd“ steht gewissermaßen für „Menschen“ und funding für „Finanzierung“. Via Internet können hier Finanziers für die Realisierung von Projekten gefunden werden, nicht Einzelpersonen, sondern eine Vielzahl von Gleichgesinnten, die mit meist kleinen Beträgen viel bewegen wollen.

 

Eine Reihe von Startups konnte damit auf den Weg gebracht werden. So auch das Weinprojekt der beiden langjährigen Freunde, die es nicht mehr mit ansehen konnten, dass praktisch vor ihrer Haustüre und nur drei Kilometer Luftlinie vom Bahnhof Stuttgart entfernt steile Weinberge in die Brache kommen und eine Kulturlandschaft verendet. Geld für den Kauf bestehender Flächen hatten sie nicht. Aber sie fanden weit über hundert Mitstreiter, die unter anderem Rebstock-Patenschaften übernahmen (ab 60 Euro/Jahr) und in den Reben auf Rohrackers Fluren das ganze Jahr über fleißig mitarbeiten und bei der Ernte in ihrem Element sind. So ganz nebenbei können sie bei dieser Tätigkeit Weinwissen tanken und später die Ergebnisse ihrer Arbeit im Glas überprüfen.

Schon manche kleinere Brachfläche konnten Dennis und Sebastian (beide Jahrgang 1983) mit den Helfern wiederbeleben. Anfangs wurden auch Trauben an die kleine Genossenschaft von Rohracker abgeliefert, aber inzwischen baut man selbst in einem kleinen, provisorischen Keller aus und hat auch die Vermarktung im Griff – wobei die beiden in Sachen Preis nicht zu genossenschaftlichen Tarifen vermarkten, aber durchaus selbstbewusst sind (ab 9,00 Euro für eine weiße Cuvée aufwärts), jedoch auch nicht abheben. Einige der Weine sind mittlerweile sogar in der Sterne-Gastronomie gelistet. Sogar das Vendôme in Bergisch Gladbach (drei Sterne im Michelin) hatte schon zugeschlagen.

Die beiden Gründer kommen nicht direkt aus dem Weinbau, aber sie hatten eine gute Ausbildung. Dennis, nach eigener Aussage „der bodenständige Zahlenmensch“, war Azubi bei Wöhrwag in Untertürkheim und Schnaitmann in Fellbach, bildete sich weiter bei Auslandsaufenthalten in Argentinien, Chile und Portugal, studierte Wirtschaftswissenschaft in Stuttgart-Hohenheim und koordiniert die Weinberg-Aktivitäten. Sebastian war Lehrling bei Beurer in Stetten und Bercher in Burkheim, studierte internationale Weinwirtschaft in Geisenheim und ließ sich ebenfalls Auslandswind in Südafrika, Südamerika, Australien und Portugal um die Nase wehen. Er ist bei KSK vorwiegend für die Vermarktung zuständig. Leben können die beiden von ihrem Weingut noch längst nicht. Ergo ist Sebastian im Weinvertrieb für die Gastronomie tätig, während Dennis in der Steuerberatung aktiv ist.

Die Zahl der qualitativ durchaus achtbaren Weine ist überschaubar. Sauvignon blanc, Riesling und eine rote Premium-Cuvée aus Lemberger und Cabernet Carbon gehören zu ihren Aushängeschildern. Ein „Barely White“ (weiß gepresster Trollinger, Muscaris, Cabernet Blanc) und ein „Just Red“ (eine Cuvée mit Spätburgunder, Heroldrebe, Lemberger) bilden die Basis. Außerdem gibt es noch einen schwäbischen „Port“, für den die Maische vier Tage lang getreten wird. Da die Mengen gering sind, verzichtet man auf eine Anstellung bei der Qualitätsweinprüfung und vermarktet alles als Landwein.

Bei einer kleinen Rundtour oberhalb der Weinberge von Rohracker ahnt man, wie mühsam es ist, hier Reben zu hegen. Dabei geht der Blick von Dennis hinüber auf einen Hang, der von etlichen stattlichen Häusern bebaut ist. „Irgendwo da drüben wohnt Dieter Zetsche“, weiß unser Jung-Winzer. Vielleicht wäre ein Engagement des Mercedes-Vorstandsvorsitzenden in der grünen Weinnatur ein Thema, nachdem er kürzlich sogar schon auf einem Parteitag der „Grünen/Bündnis 90“ zu Gast war? 60 Euro für eine Rebstock-Patenschaft sollten eigentlich drin sein.