Bocksbeutel PS

Meisterwerke glänzen durch Vollendung

Text: Arthur Wirtzfeld | Veröffentlicht: 30. Januar 2020


DEUTSCHLAND (Würzburg) – Es war ein Aufbruch in moderne Zeiten als am Freitag, 18. Dezember 2015, der damalige Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, die Weinkönigin Kristin Langmann und Artur Steinmann, heute noch Präsident des fränkischen Weinbauverbandes und der ebenfalls heute noch amtierende LWG-Präsident Dr. Hermann Kolesch, den von Designer Peter Schmidt gestalteten „Bocksbeutel PS“ an der LWG (Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau) mit Sitz im fränkischen Veitshöchheim präsentierte. In der damaligen Pressemitteilung hiess es (Zitat): „Die formvollendete, figurbetonte Flasche für fränkische Qualitätsweine soll unter dem Motto 'Meisterwerke glänzen durch Vollendung' zur neuen Ikone und zum Botschafter des modernen Frankenweins werden.“

Der fränkische Weinbauverband konstatierte zur Einführung des „Bocksbeutel PS“ (Zitat): „Es ist so weit! Unser unnachlässiges Bestreben nach Qualität findet Ausdruck im selbstbewussten Design unseres Botschafters, dem Bocksbeutel. Lassen wir ihn für uns sprechen – mit seiner unnachahmlichen Form und den Etiketten der Winzer Frankens. Denn wer von uns will nicht einmalig sein? Schicken wir ihn raus in die Welt mit Stolz, Engagement und Sexappeal.“

„Bocksbeutel PS“ begleitet von Kritik

Mit diesem selbstbewusstem Statement hatte sich der fränkische Weinbauverband fortan für den neuen „Bocksbeutel PS“ eingesetzt. Artur Steinmann argumentierte damals, dass die „Zeit für eine Verjüngung“ der Traditionsflasche gekommen wäre. Die Entscheidung für eine schlankere Form und kantigeres Design solle auch dem „Qualitätsanspruch“ genügen. Doch schon als die ersten Überlegungen zur Umgestaltung des klassischen Bocksbeutels die Runde machten, stiess diese Idee bei einer Reihe von fränkischen Winzern auf Kritik. Ein Hauptkritikpunkt war, dass die neue Flaschenform nicht für die Füllanlagen einiger Weingüter geeignet sei. Dazu meldet sich aktuell Hermann Schmitt, Geschäftsführer des fränkischen Weinbauverbands, zu Wort (Zitat): „Die Füllanlagen konnten in der Regel mit relativ geringem Aufwand umgebaut werden, nur bei den sehr leistungsfähigen Maschinen war es ein größerer Aufwand.“ Für Schmitt sei im Rückblick die Akzeptanz des „Bocksbeutel PS" unter den Winzern schneller vollzogen worden als gedacht: „Rund 75 Prozent der abgefüllten Bocksbeutel im Jahr 2019 waren 'Bocksbeutel PS'“, sagt Schmitt.

Diese Mengenangabe darf aber nicht darüber täuschen, dass fränkische Winzer immer seltener ihre Weine in Bocksbeutel füllen. Eine aktuelle Rückfrage bei der Regierung von Unterfranken ergab, das die Quote seit 2013, bis auf Ausnahme des Einführungsjahres des „Bocksbeutels PS“, stetig gesunken sei. Dies bestätigt auch eine Pressemitteilung der Regierung von Unterfranken zur Bilanz der amtlichen Weinprüfung für das Jahr 2019. Darin heisst es, dass nur noch 26 Prozent des 2018er Jahrgangs in die fränkische Traditionsflasche gefüllt wurde. Im Vergleich dazu lag die Quote im Jahr 2013 noch bei 34 Prozent. Weiter heisst es in der Pressemeldung: Diese Entwicklung „überrasche“, da den fränkischen Winzern mit dem „Bocksbeutel PS“ eine markante Flaschenform zu Verfügung stände, die „exklusiv nur für die Vermarktung von Frankenweinen verwendet werden dürfe“ und einhergehend mit „einem besonderen Qualitätsversprechen“ in der Regel „Weine im Bocksbeutel höhere Preise“ erzielen können.

Quote im Sinkflug

Für Hermann Schmitt ist die sinkende Quote „keine besonders überraschende Nachricht“. „Das hat mehrere Ursachen“, sagt Schmitt. Einerseits würden die Winzer ihre Kollektionen in Bezug zur Flaschenform immer weiter differenzieren, um dem Gusto des Konsumenten nachzukommen und letztlich Marktanteile zu sichern – derzeit sei allerdings eine „Renaissance der Schlegelflasche“ festzustellen. Andererseits zeige sich eine merkliche Tendenz zu nicht typischen fränkischen Weinen. Solche Weine sollen nach Auffassung des Verbandes auch nicht in Bocksbeutel vermarktet werden. Man wolle „den Bezug zur fränkischen Tradition nicht nur mit der Flasche, sondern auch mit dem Inhalt kommunizieren“, sagt Schmitt.

Schaut man sich die Statistiken des fränkischen Weinbaus aus den Vorjahren an (siehe Skizze), so belegen diese, dass in den letzten drei Jahren die Quote der in Bocksbeutel gefüllten Weine unter die 30 Prozentmarke gefallen ist. „Wir sehen darin erst einmal keinen direkten Zusammenhang mit dem neu gestalteten Bocksbeutel“, sagt Schmitt. Schon vor der Einführung des „Bocksbeutels PS“ hätte die Quote nachgelassen, was auch ein Grund war, warum man sich mit einem „neuen Design“ beschäftigt habe. In Franken hatte man sich erhofft, dass der neue „Bocksbeutel PS“ einen „Sinkflug deutlich verlangsamen könnte“, so Schmitt.

Die Zulieferer aus der Glas- und Verpackungsindustrie sowie die fränkischen Winzer haben dazu eine eigene Meinung. Für Hersteller von Flaschen, Packwaren und Zusatzprodukten wie etwa Kühlmanschetten war und ist der Bocksbeutel ein „Nischenprodukt“. Für die Winzer sind in der Anschaffung Bocksbeutel, adäquate Kartonagen und sonstiges Zubehör teuer und meist mit langen Lieferzeiten verbunden. Die Winzer argumentieren auch, dass die Vermarktung des Bocksbeutels schwierig sei. Vor allem die Gastronomie hat Schwierigkeiten, die Flaschen mit dieser speziellen Form zu lagern. Händler und Sommeliers außerhalb Frankens müssen neben dem Wein beim Bocksbeutel auch dessen Form gegenüber dem Kunden beziehungsweise Gast erläutern.

Der Beutel und der Ziegenbock

Der Bocksbeutel hat eine lange Geschichte, gespickt von vielen Ereignissen. In aller Kürze: Die Entstehungsgeschichte des Bocksbeutel-Weins geht bis ins Mittelalter zurück. Erste Hinweise auf die Bocksbeutelflasche sind im Handwerker- und Ökonomiebuch des Wertheimer Glasmachers Mathis Wenzel zu finden, der diese als runde Flasche beschreibt, die dem Hodensack eines Ziegenbocks nachgeahmt sei. Urkundlich wird der Bocksbeutel nach heutigen Erkenntnissen erstmals am 5. April 1659 erwähnt, just fünf Tage vor der Erstpflanzung von Silvanerreben in Deutschland und das in Franken, wo diese Sorte seither heimisch ist und traditionell in Bocksbeutel gefüllt wird.

Die Bezeichnung Bocksbeutel lässt sich von diversen Worten ableiten – exakt belegt ist nichts. Was man annimmt, ist, dass der Name auf das niederdeutsche „Booksbüdel“ (Bücherbeutel) zurückgeführt werden kann. Aber der Name verweist auch auf eine antike Mythologie, die den Ziegenbock als Begleittier des Weingottes Dionysos beschreibt. Der Ziegenbock spielt in der Namensgebung jedenfalls eine wichtige Rolle, denn der Bocksbeutel soll dem Hodensack eines Ziegenbocks nachgeahmt sein.

Die Frage

Wird es dunkel um den Bocksbeutel? Ich glaube nein. Der Bocksbeutel hat schon andere Hürden in seinem Leben gemeistert. Eines ist aber klar, nach fast einem halben Jahrtausend, sollte der Bocksbeutel, der zwischenzeitlich Höhen und Tiefen überstanden hat, kein Auslaufmodell sein. Ist er doch ein unverkennbares Zeichen fränkischer Weine. Vielleicht bedarf es einer Auffrischung für sein Image. Fränkische Winzer, die hohe Qualitäten in den Bocksbeutel füllen, sollten jedenfalls unterstützt werden.


Nachtrag

Das Fazit der amtlichen Weinprüfung 2019 des Bezirks Unterfranken mit der Überschrift „Große Menge bei sehr guter Qualität“ lautet (Zitat): „Mit einem Ertrag von rund 86 Hektoliter pro Hektar Anbaufläche erzielten die Winzer im Weinjahr 2018 eine Erntemenge wie seit zehn Jahren nicht mehr – beim frühesten Beginn der Weinlese aller Zeiten. In Franken wird auf einer Fläche von rund 6300 Hektar Wein angebaut. Das Hauptkontingent der geprüften Weinmenge stellte zum zehnten Mal in Folge der Silvaner, gefolgt vom Müller-Thurgau und Bacchus. Insgesamt wurden Weine aus 71 verschiedenen Rebsorten bei der Weinprüfstelle zur Prüfung angestellt. 96 Prozent der mehr als 11 900 Antragsverfahren erhielten die begehrte amtliche Prüfungsnummer, die Voraussetzung für die Vermarktung als Qualitäts- bzw. Prädikatsweine ist.“

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