Dossier Olivenöl: herausragende «Olivenölnasen»

Olivenöl: Lifestyle und Menschen

Konzept: Claudia Stern; Text: Eva Maria Dülligen; Fotos: Daniel Esswein, Monica Gumm, z.V.g.

Wein und Olivenöl sind gleichberechtigte Genusselixiere

Urlaub in Olivenbaumlandschaften kommt dort, wo die Olivenhaine mit altem Baumbestand noch extensiv bewirtschaftet werden, einem Traum gleich. Ob in Ligurien, auf Sizilien oder am Gardasee: Der Olivenhain steht symbolisch, aber auch in gelebter Echtzeit für Gelassenheit und Frieden. Olivenblätter glitzern im Sonnenlicht. Die knorrigen Bäume würden, könnten sie reden, Geschichten aus vergangenen Jahrhunderten erzählen. Erlebbar ist das etwa auf dem mallorquinischen San Canova. Hier kann der Gast die Atmosphäre von Olivenhainen einatmen und zugleich Mandel- und Apfelbäume, Rebsorten der Balearen und Wild- und Heilkräuter in einem Lehrgarten bestaunen.

Top-Crus Olivenöl

Spätestens, wenn man von hier zurückkehrt, wird klar, dass man ein Paradies verlassen musste. Einen Teil davon nimmt der Kluge mit nach Hause: Hochwertiges Olivenöl wird zur unverzichtbaren Zutat in seiner Küche. Er serviert es zu Speisen wie einen guten Wein. Die Natur hat uns mit der Olive einen Schatz geschenkt, der von einer wachsenden Schar engagierter Erzeuger gehoben wird. Vergleichbar mit dem heutigen Wein hat das Olivenöl eine Entwicklung durchlaufen, die zu Spitzenprodukten von traditionellen Betrieben und Quereinsteigern geführt hat. Liebe Weingeniesser, gemeinsam mit Kochtalenten und Olivenöl-Experten appelliere ich an Sie: Falls Sie das gesunde grüne Gold noch nicht für sich entdeckt haben, besuchen Sie einen guten Erzeuger im Mittelmeerraum, durchstreifen Sie Olivenhaine und merken Sie sich den Namen des Olivenöls, das Ihnen dort am besten gemundet hat!

Im Folgenden stellen wir herausragende «Olivenölnasen», Adressen, ein Olivenöl-Lexikon und weitere Öle vor. Darüber hinaus finden Sie Wissenswertes rund um die mediterrane Steinfrucht. Vorab: Man sollte mindestens drei verschiedene Olivenöle vorrätig haben. Ein aromatisch-komplexes Öl als Topping für feine Speisen, einen frisch-fruchtigen Allrounder für Salat und Gemüse und ein herzhaft-würziges für heisse Kost, um etwa Röstaromen zu unterstreichen.

Julia Komp

Köchin des Jahres 2020 in Deutschland

Seit 1992 verbringt die begabte Köchin ihre Ferien jedes Jahr in Tunesien. Die Liebe zum Land und zu ihrem eigenen Kenzolie-Olivenöl entstand früh. Ihr Geheimtipp ist die Harissa Mechwia – ein gegrillter Paprikasalat: Paprikas und Zwiebeln halbieren und mit Tomaten und Knoblauch auf den Grill legen. Die Haut grob vom Gemüse entfernen und dann alles klein hacken und mit gemahlenem Koriander, Kreuzkümmel, Olivenöl und einer Prise Meersalz abschmecken. Am besten schmeckt es, wenn das Gemüse auf einem Holzkohlegrill gegrillt wird, denn das Aroma eines richtigen Feuers intensiviert auch die Aromen dieses Gerichts.

www.kenzolie.com

Bastian Jordan

Genusshandwerker & Lesbos-Liebhaber

Bastian Jordan ist ein feinsinniger Unternehmer, der mit seinem Genussshop und dem JRE-Netzwerk (Jeunes Restaurateurs) nur die besten Manufakturen um sich sammelt. Für ihn ist es eine Herzensangelegenheit, dass Lebensmittel den Stellenwert erobern, der ihnen zusteht. Bei allen Lebensmitteln sollte man darauf achten, aus welcher Region genau sie stammen, welche Menschen mit welcher Haltung dahinterstehen und welche Sorten genau verwendet werden. Was er bisher mit seinem Wirken für die Insel Lesbos geleistet hat, ist bemerkenswert. Dafür verdient er höchste Anerkennung.

www.jordanolivenoel.de

Conrad Bölicke

Lexikon mit Herz und Passion

«arteFakt» ist die Quelle für umfassendes und präzises Olivenölwissen. Konrad Bölicke stellt die richtigen Fragen und klärt mit Enthusiasmus auf. Durch sein aufklärendes Engagement hofft er, dass das Bewusstsein für Olivenöl sich ähnlich wie beim Wein entwickelt. Die Olivenölverordnung verbietet die Herstellung von Transparenz auf den Produktetiketten, daher muss man sie sich auf anderen Wegen holen, so auf den Websites der Oliviers oder Anbieter. Bei «arteFakt» lernt man viel, und es ist sehr sympathisch, dass Conrad Bölicke sein Wissen im Austausch mit Weinprofis erweitert.

www.artefakt.de

Kerstin Barduhn

Die Olivenölexpertin

Der Olivenöl-Charakter wird durch die Olivensorte, die Reifung und Qualität der Früchte sowie den Extraktionsprozess massgeblich geprägt. Das Thema Terroir und Qualität ist noch nicht abschliessend erforscht. Tendenziell beobachtet Kerstin Barduhn bei Olivenölen aus Höhenlagen und von Oliven, die ohne Bewässerung heranwachsen, vor allem eine prägnantere Bitterkeit und Schärfe. Bei diesem Typ von Olivenöl lässt sich in der Regel auch ein höherer Polyphenolgehalt feststellen. Pauschalisieren kann man das aber nicht. Natives Olivenöl Extra ist eine eigene Welt für sich, in der es noch viel zu erforschen und zu entdecken gibt.

www.olivenoelexpertin.de

Oliven Geniessen

Taggiasca-Oliven werden zeitaufwändig von Hand geerntet und zum Reifen in Salzlake eingelegt. Nach drei Monaten werden sie gewaschen, entsteint und mit kaltgepresstem Olivenöl in Gläser gefüllt – auch im angebrochenen Glas halten sie sich einige Monate, solange sie ganz von Olivenöl bedeckt sind. Sie lassen sich wunderbar für Spaghetti à la Putanesca verwenden. Die beste Speiseolive ist unbestritten die Kalamata-Olive von der Halbinsel Peloponnes. Nach der Ernte wird sie ohne alkalische Behandlung direkt in Salzlake gelegt, damit ihre Bitterkeit während des Fermentationsprozesses schwindet. Sie zeichnet sich aus durch einen fruchtigen Geschmack, der ausgeprägter ist als der einer behandelten schwarzen Olive.   

Bella di Cerignola aus Sizilien oder dem Cilentogebiet in Apulien ist eine schöne, grosse, grüne und fleischige Olive, die ungemein mild und fruchtig schmeckt. Eine unfassbar gute Olive, die in Salzlake eingelegt wird.

Öl von entsteinten Oliven

Das Olio del Re stammt ursprünglich aus der Zeit von Columella im 1. Jhd. n. Chr. Im Anschluss an die Entkernung wird das Fruchtfleisch vor Sauerstoff geschützt – die Oxidation der wertvollsten Inhaltsstoffe wie Polyphenole, Vitamin E und ungesättigte Fettsäuren wird so lange unterbunden, bis das Öl geschützt und verschlossen im Fass lagert.

Das Entkernen von Oliven ist aufwändig und teuer. Das renommierte Institut Agrobios Metapontum behauptet sogar, dass das Öl aus entkernten Oliven besser schmeckt, länger haltbar ist und sogar effektiver für die Gesundheit sein soll.

Ob das Entkernen den entscheidenden Kick dazu gegeben hat, wagen Profis in der Branche zu bezweifeln. Einleuchtend ist, dass man sofort nachweisen kann, wenn das Olivenöl mit Kernöl gestreckt wurde. Sind Sie verblüfft? Das passiert wohl tatsächlich auf dem Billigmarkt. Gianfranco Comincioli am Gardasee und Antonino Mennella in Kampanien zeigen eindrucksvoll, wie es geht, aus entsteinten Oliven, grossartige Qualität zu liefern.

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