Welcher Wein passt zu...?

Schokolade

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: thomasandreas, gettyimages/TheCrimsonMonkey, robynmac, unalozmen, SEE D JAN

Wein zur Schokolade, das muss natürlich nicht sein. Aber es kann! Und zwar auf ausgesprochen vergnügliche Weise. In den letzten Jahren haben wir viel gelernt über die dunklen Bohnen und die zahlreichen Parallelen zwischen Kakaobohnen und Trauben erkannt, so dass sich auch die Kombination mit Wein heute auf einer ganz anderen Ebene bewegt: Wir zeigen den Weg.

Wir sind längst darüber hinweg, dass Schokolade und Wein angeblich so gar nicht zusammenpassen. Heute ist uns die Mole Poblano vertraut, diese mexikanische Würzsauce zum Fleisch, die neben einer Vielzahl von Gewürzen auch Schokolade enthält und mit Truthahn grossartig zu einem dunklen, üppig geschmeidigen Shiraz passt. Wir wissen, dass ein Lamm- oder Wildjus sich hervorragend mit etwas Kakaopulver oder feingehackter Schokolade binden und aromatisieren lässt und öffnen dazu einen eleganten Syrah von der Rhône.

#weinzuschokolade
Konzentriert, mit Gerbstoff, Fett, mehr oder weniger Süsse und subtilen Aromen: Zur Schokolade muss der Wein Rückgrat, Körper und Schmelz mitbringen.

Konzentrieren wir uns hier jedoch auf das faszinierende Zusammenspiel von fruchtiger Süsse, bitterer Adstringenz und belebender Säure. Je höher der Kakaoanteil, desto fordernder ist die Schokolade. Das mag zunächst befremdlich wirken, im besten Fall wird es aber zu einem einzigartigen Geschmackserlebnis. Spitzen-Schokoladen mit 90 Prozent Kakaoanteil und gehaltvolle, kräftige Rotweine können einander wunderbar ergänzen. Je ausdrucksvoller und intensiver die Schokolade, desto reifer sollten die Trauben sein, desto konzentrierter und dichter der Wein. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die jeweilige persönliche Toleranz für bitter und sauer sehr unterschiedlich ist. 

Alkohol hilft, Säure und Bitterstoffe zu balancieren, etwas Zucker macht den Einstieg einfacher: kalifornischer Zinfandel, Recioto della Valpolicella oder die Vins Doux Naturels wie Banyuls, Maury und Rivesaltes aus Südfrankreich, öliger PX-Sherry, nach Trockenfrüchten duftender Vin Santo, Trockenbeerenauslesen und Ruster Ausbruch und nicht zuletzt Portwein und Madeira sind alle kakao- und schokoaffin. Ebenfalls positiv: Flaschenreife und oxidativer Ausbau. Die nussigen Aromen eines traditionellen Banyuls kommen wesentlich besser mit dem dunkelschmelzenden Stoff zurecht als eine säurefrischere moderne Stilistik.

Wein- und Schokoladengeniesser sind also zum Experimentieren aufgefordert. Manches liegt förmlich auf der Hand: eine Sachertorte aus Wien, mit dem dichten, schokoladenduftenden Teig, der schmelzigen Glasur und der feinen Aprikosenfüllung, verträgt sich bestens mit den Trockenfrucht-Aromen und der reifen Säure einer Trockenbeerenauslese vom Neusiedlersee. In Bordeaux gibt es eine sehr aktive Szene von Spitzen-Chocolatiers, und ein guter Rotwein aus dem Médoc ist mit einer feinen dunklen Tafel ein echtes Erlebnis. Wenn diese Schokolade jedoch luftig und mit Sahne und Ei verfeinert als Mousse zum Dessert serviert wird, dann sorgt Muscat de Beaumes de Venise, dieser saftig-aromatische Likörwein aus der Provence, für eine zusätzliche Geschmacksdimension.

Schokoladen-Wissen

Früher gab es süsse Milch- und zartbittere «Herren»-Schokolade, heute haben wir im Regal die Wahl zwischen unterschiedlichsten Kakaogehalten von bis zu hundert Prozent, Herkünften von nahezu rund um den Erdball (aber immer mehr oder weniger nahe am Äquator), Texturen von schmelzig bis körnig und allen Arten von Aromen.

Herkunft der Bohnen

Terroir schmecken

Böden, Sorten und Kleinklima sorgen für eine ebenso grosse Vielfalt wie beim Wein. Allerdings lassen sich die verschiedenen Herkünfte am besten schmecken, wenn die Bohnen von ein und demselben Chocolatier geröstet und weiterverarbeitet wurden, also wie beim Wein identisch «ausgebaut» sind.

Kakao-Sorten

Criollo und Forastero

Vergleichbar mit Arabica und Robusta beim Kaffee gilt die weisshäutige Criollo als anfälliger und weniger ertragreich, aber sehr elegant (die besten Partien werden als «Porcelana» gehandelt), die violette Forastero hingegen liefert robuste, zuverlässige Massenerträge.

Form und Geschmack

Blättchen und Blöcke

Die Stärke eines Stücks Schokolade trägt ganz entscheidend zum geschmacklichen Eindruck bei. Bei hochwertigen Herkünften mit hohem Kakaoanteil sollten es wenige Millimeter sein, um Textur (das Knacken, das mehr oder weniger Glatte!) gut wahrnehmen zu können.

Kakao-Geschichte

Von bitter zu süss

Anders als beim Wein, wo das Beimischen von aromatisierenden Fremdstoffen verpönt und verboten ist, besteht dafür bei Schokolade eine lange Tradition. Der Xocolatl der Maya und Azteken war mit Chili, Vanille und vielleicht auch wildem Honig gewürzt, die spanischen Eroberer fügten Zimt und Rohrzucker hinzu, 1875 wurde in der Schweiz die Milchschokolade erfunden.

Temperieren

Schokolade schmelzen

In der Küche bringt man Schokolade am besten im Wasserbad oder in der Mikrowelle zum Schmelzen. Wird sie zum Überziehen benötigt und soll dann wieder glänzen, muss sie temperiert, also auf knapp 50 Grad erhitzt, auf knapp 30 Grad abgekühlt und dann wieder um wenige Grade erwärmt werden, damit Zucker und Fett nicht zu weissen Streifen auskristallisieren.

Kakao-Verarbeitung

Fermentieren, trocknen, zerkleinern

Die Bohnen werden mit der Pulpa aus den Früchten gelöst, fermentiert und getrocknet. Es folgt das Rösten, Aufbrechen und Trennen von den Schalen. Dann wird entweder fein und lange gewalzt (conchiert) oder eine körnige Schokolade erzeugt. Je sorgfältiger das alles geschieht, desto komplexer die Aromen, von Leder und Holz über alle Arten von roten Beeren und Zitrusfrüchten bis zu Nüssen, Honig und Blüten.

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