Kochen und essen zu Oltrepò Pavese-Weinen wie Pinot Nero

Oltrepò Pavese: Risotto, Kürbis, Salami und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: Foto: Gettyimages / yulkapopkova

Oltrepò Pavese, Pavia südlich des Po, das sind Villen, Dörfer und Burgen auf sanft fliessenden Hügeln zwischen dem südlichen Apennin und der Flussebene, viel Grün ohne schroffe Dramatik, umgeben von Kastanienwäldern, Reis- und Getreidefeldern, Obstgärten, Gemüsebeeten, Pilzen vieler Art, dazu Schweine für Salami, Kühe und Ziegen für Käse… ein kleines Schlaraffenland.

Angrenzend ans Piemont, die Emilia-Romagna und Ligurien ist das Oltrepò Pavese im Südosten der Lombardei trotzdem ein von Ruhe bestimmter Geheimtipp, abseits der bekannten Touristenziele. Es ist das flächenmässig drittgrösste Anbaugebiet Italiens, doch die vielen kleinen Traubenerzeuger, bei denen die Reben nur ein Teil ihres landwirtschaftlichen Alltags darstellen, lieferten ihre Ernte lange an die Genossenschaften, die wiederum einen grossen Teil als Fasswein vermarkteten und den Durst vieler Kehlen im ganzen Land und darüber hinaus stillten. Erst in den letzten Jahren besinnt man sich auf die eigenen Stärken. Hier wachsen die meisten Pinot-Nero-Reben ganz Italiens, es gibt eine lange Tradition für hochwertige Schaumweine, und die Bonarda aus alten Rebsorten knüpft an das neue Interesse für Autochthones an.

Die historischen Weinwurzeln könnten älter und tiefer kaum sein. In Casteggio verweist der archäologische Fund einer versteinerten Rebe zurück in prähistorische Zeiten, Griechen und Römer der Antike dokumentierten «guten Wein» und «sehr grosse Holzfässer». Das soll nicht überraschen, die Hügel zwischen der Ebene und den Bergspitzen sind ideal für den Rebbau. Bis die Reblaus Ende des 19. Jahrhunderts auch hier ihre verheerenden Schäden anrichtete, gab es über 200 einheimische Traubensorten, die die vier grossen Täler des Gebiets in all ihrer Vielfalt ins Glas übersetzten. Heute werden neben all den internationalen Trauben noch etwa ein Dutzend davon angebaut, darunter vor allem Croatina, Uva Rara, Vespolina und Barbera.

Sicher tranken die Adeligen in den Castelli andere Weine als die kleinen Bauern; nicht alle genossen den gleichen Anteil an der Fülle und dem Reichtum des Landes, den die Handelsstrassen, die es durchkreuzten, hinterliessen. Die Tradition der Schita, ein sehr einfacher knuspriger Fladen aus Wasser und Mehl, ist ein Klassiker der Cucina Povera. Er wird in der Pfanne gebraten, mit Öl oder Schmalz, was es eben gab, braucht weder Backofen noch Hefe oder Sauerteig und erzählt von langen Arbeitstagen und zweifellos auch harten Zeiten. Und doch - wenn man heute durch diese Hügel und Dörfer fährt oder wandert, spürt man überall die Gastfreundschaft, die Freude am gemeinsamen Essen und Trinken, sei es nur ein schlichter Happen zum Aperitivo am Tresen, ein Teller Risotto an einem einfachen Holztisch oder ein ausgedehntes Mahl, auf weissem Leinen, mit blitzendem Silber und eleganten Gläsern. Im Oltrepò Pavese lässt sich alles geniessen, und noch besser: Mit den Weinen lässt es sich überall geniessen, auch am eigenen Tisch, wie auch immer der aussieht und wo auch immer er steht.

Oltrepò Pavese ist aber auch…

Eine enorme Vielfalt an Rebsorten und Stilistiken - zu viele, um hier auf alle einzugehen. Fruchtbare, aber auch mineralische Böden, viele Hanglagen, ein warmes, relativ mildes Klima mit guter Abkühlung während der Nacht und ausreichend Feuchtigkeit: Diese Kombination ermöglicht beinahe alles! Gehen wir aus dieser Fülle hier nur auf einerseits zwei im positiven Sinne wunderbar vertraute und andererseits auf zwei eher ungewöhnliche Weine ein.

Zuerst also alte Freunde. Pinot Grigio ist hier in vielen Varianten zu finden (auch als Rosé!), aber immer rund und kräftig genug, um selbst mit Zwiebeln geschmorten Merluzzo zu begleiten. Der gesalzene Kabeljau im Küchenrepertoire des Oltrepò Pavese ist der Via del Sale geschuldet, dem alten Netz an Handelswegen, auf denen das unverzichtbare Salz von den Häfen Liguriens mit Maultieren ins Landesinnere transportiert wurde, etwa nach Varzi, für die berühmte Salame. Aber auch zartere Gerichte wie die Malfatti, grosse Gnocchi aus Ricotta mit Kräutern, gefallen ihm.

Barbera zählt für viele zu den einheimischen Reben des Gebiets. Er gibt sich hier voll und gelegentlich beinahe etwas säuerlich streng - was hervorragend zu einem Rinderschmorbraten passt oder aber sehr ursprünglich auch zur eingangs erwähnten Schita, diesem einfachen, in der Pfanne gebratenen knusprigen Fladenbrot. Doch nun die ungewöhnlichen Weine! Bonarda ist von kräftigem Rot, vivace und spumeggiante, also lebhaft und schäumend (im Gegensatz zum sprudelnden Spumante). Er entsteht vor allem und am besten aus Croatina-Trauben, steckt voll fleischiger Fruchtigkeit von Kirschen und roten Pflaumen, weist häufig eine nahezu pfeffrige Note und eine ganz eigene, leicht bittere Süsse selbst in trockenen Weinen auf. Dank herber Tannine ist er nicht nur vergnüglich, sondern auch ausgesprochen bekömmlich, was in Italien als sgrassante bezeichnet wird, ein Wein, der auch mit Fett gut zurechtkommt.

Sangue di Giuda, das Blut des Judas, aus Barbera und Croatina (mit Uva Rara, Ughetta/Vespolina und Pinot Nero) ist ebenfalls rot, ebenfalls «lebhaft» - und süss, weil die Gärung durch Kälte gestoppt wird. Das klingt vielleicht befremdlich, schmeckt aber - nach Amarenakirschen und Veilchen duftend - zu fruchtigen Desserts oder Gebackenem, wie der traditionellen Mandeltorte, einfach köstlich.